Onkologe Peter Schmidkonz:Ein Leben im Dienst seiner Patienten

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Peter Schmidkonz hat die onkologische und palliativmedizinische Versorgung im gesamten Landkreis mit aufgebaut. Nun geht er in Ruhestand und blickt auf drei Jahrzehnte eines bewegten Arbeitslebens

Von Sara Maria Behbehani, Walpertskirchen

Im Kamin knistert leise ein Holzfeuer, vor der weiten Fensterfront seines Wohnzimmers sitzt Peter Schmidkonz. Das Haus ist jenes, in dem er geboren wurde. Er, der Arzt, der, so Landrat Martin Bayerstorfer, "die onkologische und palliativmedizinische Versorgung im Landkreis geprägt hat, wie wenige andere." Eine onkologische Praxis, eine Tumorkonferenz, ein ambulantes palliativmedizinisches Versorgungsteam, bald die Errichtung eines Hospiz - all das geht auch auf ihn zurück. Zum Jahresende ist Schmidkonz mit 68 Jahren in den Ruhestand gegangen. Er hat im Landkreis eine Versorgung Schwerstkranker auf einem hohen Niveau aufgebaut. Fragt man den Onkologen, wie sich das nun anfühle, tritt ein leises, fast verschmitztes Lächeln auf seine Lippen: "Gut."

In München ist Schmidkonz aufgewachsen, hat dort studiert und seine Facharztausbildung gemacht, und ist schließlich als Internist mit dem Schwerpunkt Hämatologie-Onkologie wieder zurück nach Erding gekehrt. 1990 hat er dort seine Praxis aufgemacht, wobei die Errichtung einer ambulanten Onkologie damals noch ungewöhnlich war. "Als ich hier ankam und sagte, dass ich Onkologie und Hämatologie mache und ambulante Chemotherapie durchführen kann, da hieß es im Allgemeinen: Und was machen Sie sonst noch?", sagt Schmidkonz lachend. Der Beginn seiner Zeit in Erding sei eher zäh gewesen. Doch er hat sich durchgesetzt. Die Praxis versorgt heute im Quartal mehr als 700 Menschen, auch über Erding hinaus.

Die Räume der Praxis hat er sich bis zuletzt mit seiner Frau Rosa Schmidkonz geteilt, die ebenfalls zum Jahresende in den Ruhestand gegangen ist. Eine Kinderärztin und ein Onkologe gemeinsam in einer Praxis, das mag zunächst erstaunlich wirken. Stehen die Kinder am Anfang ihres Lebens, gehen manche der schwerkranken Menschen auf das Ende zu. Doch für beide Ärzte eine Aufteilung, die stimmig war. "Das sind die beiden Seiten des Lebens", sagt Rosa Schmidkonz schlicht.

Die ernsthaften Krankheitsbilder waren stets die, die Peter Schmidkonz wichtig waren. "Das hat mir entsprochen", sagt er. "Und ich habe festgestellt, dass ich mit den Patienten und diesen Krankheitsbildern gut umgehen kann."

Nur wie hält man das aus, sein Leben lang mit schwerkranken und auch sterbenden Menschen in Kontakt zu sein? "Die Krankheit ist da", sagt er. "Aber es geht immer darum, dass ich versuche, das Beste daraus zu machen. Sowohl was die Behandlung anbelangt, als auch die Unterstützung." Dies ist einer der Gründe, warum Schmidkonz 2011 die Palliativmedizin im Landkreis zu etablieren half.

Bis 2007 fand Palliativmedizin nur stationär statt. Erst dann wurden die gesetzlichen Grundlagen so verändert, dass die Krankenkassen auch eine ambulante palliativmedizinische Versorgung übernahmen. Bis die Gesetze in der Praxis umgesetzt werden konnten, dauerte es noch einmal zwei Jahre. Städte wie Regensburg und München bauten damals als erste Palliativteams auf. Wiederum zwei Jahre später aber hatte auch Erding eines der ersten zehn in ganz Bayern, dessen Leiter Schmidkonz bis heute ist. Als Onkologe habe er gemerkt, dass Menschen zu Hause nicht ausreichend versorgt werden konnten und so in eine Klinik eingewiesen werden mussten. "Die meisten Patienten möchten jedoch gerade in dieser Situation in ihrer gewohnten Umgebung bleiben und ihre letzten Tage nicht in einem Krankenhaus verbringen", sagt er. Durch die spezialisierte ambulante Palliativmedizin (SAPV) mit einem Team aus Pflegekräften und Ärzten ist seit 2011 die notwendige Unterstützung der Familien möglich. Inzwischen haben im Landkreis 200 bis 300 Menschen pro Jahr die Möglichkeit, zu Hause palliativmedizinisch versorgt zu werden und dort auch zu versterben.

Zum Palliativmediziner hat sich Schmidkonz 2008 ausbilden lassen und war auch in diesem Bereich der erste im Landkreis. "Dieser Satz: ,Ich kann nichts mehr für Sie tun', der stimmt nicht", sagt er. "Ich kann noch sehr viel für die Menschen tun, aber dann eben auf einer anderen Ebene."

Eine Frau, die in dieser Zeit zu seiner Begleiterin wurde, ist Rita Gabler. Bisher pflegerische Leiterin des Palliativteams Erding, wird sie in Zukunft die Leitung des Hospizes übernehmen. Zu Beginn ihrer Laufbahn arbeitete sie in München auf der Intensivstation als Krankenschwester und hörte irgendwann auf, an eine menschenwürdige, patientenzentrierte Medizin zu glauben. "Jeden Tag habe ich erlebt, wie man über die Menschen hinweggeht und dass es einen humanen Umgang mit den Patienten gar nicht mehr gibt." Sie verließ das Krankenhaus und war fortan als Lehrerin für Pflegeberufe tätig, bis Schmidkonz ihr vorschlug, gemeinsam ein Palliativteam in Erding zu gründen. "Ich habe in Dr. Schmidkonz einen Menschen getroffen, der von der gleichen Vision getragen war, wie ich", erzählt sie. "Und sicher gibt es das im Leben nicht oft." Er sei ein besonderer Mensch mit einer sehr feinen Seele. "Er hatte nie ein Chefarztgehabe", sagt sie. "Er war immer ein Mensch, geprägt von Bescheidenheit." Durch seine Präsenz und seinen enormen Fleiß aber sei er ein Vorbild gewesen. "Er hat mich nie als einfache Krankenschwester gesehen", sagt Gabler, "sondern das Beste aus mir, aus uns allen herausgeholt."

Für Gabler ist der Erdinger Onkologe in ihren fast vier Jahrzehnten Berufstätigkeit der einzige geblieben, von dem sie sagen kann, "dass er nicht nur tat, woran er geglaubt hat, sondern das auch in seiner ganzen Art verkörperte." Durch ihn habe sie ihren Glauben an eine menschenwürdige Medizin wiedergefunden.

So erzählt sie von einer Patientin, die ihr einmal gesagt habe: "Ich bin in die Praxis gekommen und ich weiß genau, wie ich aussehe. Ich wiege nur noch knapp 40 Kilo und habe keine Haare mehr auf dem Kopf. Aber an dem Tag habe ich mir Ohrringe angelegt. Und nachdem ich mit Dr. Schmidkonz die weitere Therapie besprochen hatte, sagte er zu mir: 'Im Übrigen, die Ohrringe stehen Ihnen ausgezeichnet, Sie sehen sehr hübsch aus.'" Dies sei der Moment gewesen, in dem ihr klar geworden sei: "Da sieht ein Mensch nicht nur den Patienten, sondern auch noch die Frau in mir."

Tatsächlich wollte Schmidkonz seine Patienten stets so behandeln, wie er es sich in so einer Situation für sich selbst gewünscht hätte. "Die Menschen sollten einen Ansprechpartner haben, sich betreut und ernst genommen fühlen", sagt er. "Und nicht nur, was die Krankheit anbetrifft, sondern auch in ihren familiären und sozialen Sorgen." Ein Anspruch, dem Kliniken häufig nicht gerecht werden. "Ich weiß nicht, ob ich derselbe geblieben wäre, wenn ich weiter in einem Krankenhaus gearbeitet hätte", gibt Schmidkonz zu.

Die Praxis aber war sein "eigenes Reich", seine "eigene Welt", in der sich die Patienten willkommen fühlen sollten. "Ich habe sicher oft auch Dinge gemacht, bei denen ich wusste, dass sie kein Geld bringen, aber die in dieser Situation wichtig waren. Diese Freiheit habe ich mir genommen."

Eine Freiheit, die mehr Arbeit bedeutete als ein 40-Stunden-Job. Und hier liegt das einzige, was Gabler ihm ein wenig übel nimmt. "Er ist nie mit dem Team ein Bier trinken gegangen", sagt sie. "Aber er hat ja die meisten Tage bis zwei Uhr morgens gearbeitet." Doch Schmidkonz bereut das nicht. "Ich habe meine Überstunden gemacht und ich habe sie gerne gemacht", sagt er. "Und wenn ich spät abends nach Hause gekommen bin, wusste ich warum. Es war eine befriedigende Arbeit."

Nur wie sieht dann das Familienleben aus? "Vielleicht hilft es, Verständnis zu haben, wenn man selbst Arzt ist", sagt Rosa Schmidkonz. "Aber auch die Kinder haben immer gesagt: Wenn er da war, war er da." Eine Präsenz, die Schmidkonz wichtig ist. "Das kann ich", sagt er. "Ich nehme die Arbeit nicht mit."

Eines aber hat Schmidkonz nie gemacht: Er ist nie auf die Beerdigungen seiner Patienten gegangen. Das sei eine Emotionalität, die ihm in diesem Moment zu nahe gerückt wäre. "Mitfühlen ja, aber du darfst nicht mit den Leuten sterben", sagt er. "Sonst kann man diese Arbeit nicht auf Dauer durchführen." Einige Wochen nach dem Versterben des Patienten hat Schmidkonz den Angehörigen aber immer noch ein abschließendes Gespräch angeboten, zur Unterstützung und Stärkung.

Das Krankenhaus, das Palliativteam, die onkologische Praxis, das entstehende Hospiz - heute hängt all das zusammen. Internisten, Onkologen, Psychoonkologen, Chirurgen, Röntgenärzte, Strahlentherapeuten, Palliativmediziner und -schwestern arbeiten zusammen und tauschen sich aus, auf einem hohen Niveau mit guten Kontakten nach München und in die Wissenschaft. "Es war toll, dieses Netzwerk zu knüpfen", sagt Schmidkonz. "Das ist nicht überall selbstverständlich."

Die Praxis hat inzwischen der Onkologe und Hämatologe Richard Konrad übernommen. "Es sind große Fußstapfen, in die ich getreten bin und es ist eine große Ehre, die Praxis führen zu dürfen", sagt er. Bereits vor zweieinhalb Jahren haben die beiden Ärzte begonnen, in Erding zusammenzuarbeiten. Eine Zeit, in der er viel von Schmidkonz' Erfahrung profitiert habe. Die Atmosphäre beschreibt Konrad als angenehm und unkompliziert. "Dr. Schmidkonz ist ein Mensch, der immer ein offenes Ohr hat, der sich auch um Details kümmert und nicht locker lässt, bis alle Probleme gelöst sind." Auch für Konrad ist die zentrale Eigenschaft, die Schmidkonz charakterisiert die, dass er sich aufopferungs- und liebevoll den Patienten gewidmet hat.

Bei allen Herausforderungen, denen Schmidkonz im Laufe seines Arbeitslebens begegnete, gab es jedoch keinen Punkt, an dem er hätte aufgeben wollen. "Es geht immer weiter", sagt er. Heute erscheint ihm all das als "stimmig", als "runde Sache". Und was er aufgebaut hat, hat er in gute Hände übergeben. "Ich hatte nie diesen einen ganz großen Plan", sagt er. "Die Dinge haben sich entwickelt. Und wenn die Möglichkeit zur Veränderung da war, habe ich reagiert."

Was Rosa und Peter Schmidkonz mit ihrer neu gewonnenen Zeit anfangen werden, wissen die beiden noch nicht. "Mich selbst erst mal sortieren", sagt Peter Schmidkonz lachend. "Im Moment fühlt es sich noch an wie Urlaub", fügt seine Frau hinzu. Doch der Onkologe ist sich sicher: "Es wird sich schon etwas finden."

© SZ vom 11.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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