Oberding:Den Parkservice als Zubrot

Lesezeit: 3 min

Im Oberding gibt es Maibaum, Kirche und alte Bauernhäuser, schicke Neubauten - und auffallend viele Schilder mit einem "P". (Foto: Renate Schmidt)

In Oberding siedeln sich immer mehr Hotels und Hightech-Betriebe an, in den Bauernhöfen stehen die Autos von Fluggästen. Und doch: "Sehr viele sind mit Leib und Seele Landwirt", sagt Bürgermeister Bernhard Mücke

Von Regina Bluhme, Oberding

Schon möglich, dass die Staatsregierung beim G7-Gipfel in Elmau wieder betont, wie gut Laptop und Lederhose in Bayern zusammenpassen. Ein Beispiel für den Spagat zwischen Hightech und Tradition ist die Gemeinde Oberding, die in unmittelbarer Nähe zum Flughafen liegt. Im Ort gibt es Maibaum, Kirche und alte Bauernhäuser, schicke Neubauten - und auffallend viele Schilder mit einem "P": Nicht wenige Landwirte haben ihren Betrieb in einen Parkservice für Flughafengäste umorganisiert. 1992 wurde der Flughafen im Erdinger Moos eröffnet "und drei Jahre später ging es bei uns los", berichtet Mathias Bauer, der mit Frau und Sohn den "Parkservice Bauer" betreibt. Mit den Kartoffelanbau und dem Milchvieh auf seinem Hof sei damals nicht mehr viel zu verdienen gewesen. "Dann kamen die ersten Verwandten, die in den Urlaub geflogen sind und bei uns ihr Auto abgestellt haben", erinnert sich Bauer. "Da dachten wir uns, das könnte als Geschäftsmodell funktionieren und so hat sich das Ganze entwickelt".

Heute bietet der Hof der Familie Bauer Platz für bis zu 150 Autos. Der Kuhstall und die Maschinenhalle sind zu überdachten Parkplätzen ausgebaut. Die Kundschaft kommt aus ganz Europa und inzwischen wurden auch drei Shuttle-Busse angeschafft. Ganz hat Mathias Bauer aber die Landwirtschaft nicht aufgegeben. 3,8 Hektar bewirtschaftet er noch, baut dort Getreide und Mais an.

Wie viele landwirtschaftliche Betriebe es derzeit in Oberding gibt, kann das Erdinger Amt für Landwirtschaft nicht sagen. Laut Leiter Otto Roski geht im Landkreis Erding generell die Anzahl zurück, "aber geringer als anderswo". Dabei sei der Strukturwandel in den letzten Jahrzehnten zum großen Teil dem technischen Fortschritt geschuldet. Im Landkreis Erding werden circa 900 Vollerwerbsbetriebe sowie die gleiche Anzahl Nebenerwerbsbetriebe bewirtschaftet, berichtet Gerhard Stock, Geschäftsführer vom Bayerischen Bauernverbands Kreis Erding-Freising. "In Oberding gibt es immer noch viele Gemüse - und Kartoffelbauern", sagt er.

Von einem "pulsierenden bäuerlichen Leben" könne man in Oberding allerdings nicht mehr sprechen, sagt Ortsheimatpfleger Georg Gruber. Die gewaltigen Veränderungen bedauere er persönlich aber nicht, der Strukturwandel sei eine "natürliche Entwicklung" infolge des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts, erklärt der Heimatforscher. Er verweist darauf, dass zum Beispiel der Bau des Isarkanals schon 1920 die Region bereits gravierend verändert habe. Allerdings nicht so rasant wie der Bau des Flughafens, räumt Gruber ein. "Das Tempo ist schon ein wenig beängstigend".

Der Oberdinger Bürgermeister Bernhard Mücke bleibt dabei: seine Gemeinde im Schatten eines internationalen Flughafens sei immer noch bäuerlich geprägt. "Sehr viele sind mit Leib und Seele Landwirt". Auch wenn sich Hotels und Hightechbetriebe angesiedelt haben und Höfe in Parkplätze verwandelt werden. Dabei dürfe man nicht übersehen, dass auch die Landwirte unter dem Flächendruck der Flughafenregion litten, fügt Mücke hinzu.

Laut Otto Roski wird beim Landverbrauch zu wenig Rücksicht auf landwirtschaftliche Belange genommen. Viele Projekte könnten seiner Ansicht nach "auch mit einem geringeren Flächenverbrauch oder auf weniger landwirtschaftlich vorzüglichen Standorten durchgeführt werden". Denn: "Eine einmal versiegelte Fläche beeinträchtigt die natürlichen Eigenschaften eines Bodens für sehr lange Zeit, wenn nicht für immer".

"Bei uns wird so viel zugepflastert, das ist ein Wahnsinn", erklärt Wolfgang Fritz, Leiter der Oberdinger Ortsgruppe des Bund Naturschutz. "Ich glaube, es gibt kaum eine Gegend mit einem schnelleren Wandel als hier in der Region um den Flughafen". Der Versuch, den Flächenverbrauch in der gewachsenen Kulturlandschaft zu beschränken, sei fast "ein Kampf gegen die Windmühlen", sagt Fritz. Er will nun "in kleinen Schritten das Umweltbewusstsein fördern". Kleine Schritte sind zum Beispiel Pflanzaktionen in der Ortschaft. Hier finde er bei Bürgermeister Mücke ein offenes Ohr, "die Zusammenarbeit mit der Gemeinde klappt sehr gut", berichtet Fritz. So wurden öffentliche Grünanlagen mit Wiesenblumen angelegt und am Seniorenzentrum drei Linden gepflanzt.

Fritz sagt, die Ortsgruppe des Bund Naturschutz habe mittlerweile rund 150 Mitglieder. Dazu gehört auch eine eigene Kindergruppe, "davon gibt es insgesamt nur drei im ganzen Landkreis", berichtet er nicht ohne Stolz. Zwei Mal im Monat treffen sich 20 Kinder zur Gruppenstunde. Dort steht sicher auch Schwaiger Loh auf dem Programm, "die einzig ursprüngliche Primärkultur, die wir hier noch haben", sagt Fritz. Die Situation sei dort allerdings "ein wenig bizarr", fügt er hinzu: Die etwa ein Hektar große Fläche ist von allen vier Seiten von hohen Gewerbehallen umgeben.

© SZ vom 08.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: