Naturdenkmal:Weg ist weg

Lesezeit: 2 min

Im Vordergrund ist der Stumpf eines vollständig gefällten Baums der 110 Jahre alten Lindenallee bei Kirchberg zu sehen. (Foto: Stephan Görlich)

Die eigentlich geschützte Lindenallee zwischen Wartenberg und Kirchberg verschwindet Zug um Zug. In diesem Jahr werden 26 Bäume gefällt. Aus Gründen der Verkehrssicherheit wird nichts nachgepflanzt

Von Florian Tempel, Kirchberg

Vor zehn Jahren wurde die Lindenallee bei Kirchberg gefeiert. Natürlich, denn sie gehört doch zu "den schönsten Naturdenkmälern im Landkreis", wie seinerzeit zu lesen war. Und sie hatte einen runden Geburtstag. Die damals noch aus 312 Bäumen bestehende Allee wurde 100 Jahre alt. Es gab ein Sommernachtfest, einen Feldgottesdienst und einen Festakt im Festzelt, Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) sprach ein Grußwort. In diesem Jahr gibt es nichts zu feiern. An der Allee sind - wieder einmal - ein Dutzend Linden gefällt worden. 14 weitere Bäume wurden radikal gestutzt und werden erst im kommenden Herbst umgelegt. Neugepflanzt wird nichts. Die Lücken in der Allee an der Kreisstraße ED 2 werden mehr und größer. Bayerstorfer sprach es schon 2008 deutlich aus: "Man wird akzeptieren müssen, dass sie nicht ewig existiert."

Es gibt Menschen, die finden das nicht akzeptabel. Die Mitglieder der Bund Naturschutz (BN)-Ortsgruppe Taufkirchen-Holzland haben sich auch in diesem Jahr kritisch zu Wort gemeldet, so wie schon 2004. Damals waren 13 Bäume der Allee gefällt oder grob gestutzt worden. Der damalige Vorsitzende der BN-Ortsgruppe, Eckehard Manschek, diplomierter Ingenieur für Landespflege, hatte das damals als Verstümmelungen bitter beklagt. Das Landratsamt wies seine Vorwürfe zurück. Die "aus Verkehrssicherungsgründen durchgeführten Maßnahmen" seien mit der Naturschutzbehörde am Landratsamt abgesprochen und würden "letztendlich dem langfristigen Erhalt der Allee dienen", schrieb damals Landrat Bayerstorfer an die BN-Ortsgruppe zurück. Tatsächlich ist aber längst jede der Linden gefällt, die 2004 radikal zurückgeschnitten worden waren.

Die Fällungen und Rückschnitte von 26 Bäumen in diesem Jahr sind von Mitarbeitern des Staatlichen Bauamt Freising vorgenommen worden. Das Landratsamt hat dazu mitgeteilt, dass das Staatliche Bauamt die Aktion auf eigene Initiative ausgeführt habe. Robert Braun, der für die Straßen im Landkreis Erding zuständige Abteilungsleiter beim Staatlichen Bauamt, schreibt dazu: "Die Bäume müssen gefällt werden, da diese auf Grund von hohem Totholzanteil, abgängiger Kronen und ausgeprägter Faulstellen im Stamm und Wurzelbereich (. . .) eine Gefährdung für die Verkehrsteilnehmer darstellen."

Bernhard Fries, aktueller Vorsitzender der BN-Ortsgruppe Taufkirchen-Holzland, will nicht bestreiten, "dass wirklich kranke Bäume" gefällt werden müssen. Doch findet er es weiterhin beklagenswert, dass die Lindenallee immer lückenhafter wird. Er verweist auf eine Bundestagsinitiativ, die Alleen als "Kulturgut" sieht. In einem Schreiben zitiert Fries den CSU-Abgeordnete Josef Göppel, der 2016 schrieb: "Alleen sind wertvolle Kulturgüter von großer ökologischer Bedeutung, die es langfristig zu erhalten gilt."

Warum aber werden keine neuen Linden gepflanzt? Dem stehen Vorgaben zum sogenannten "fehlerverzeihenden Seitenraum an Landstraßen" entgegen, sagt Braun. Der zitierte Behördendeutsch-Begriff bedeutet folgendes: Wenn neben der Straße nichts als freies Feld ist, ist das für Autofahrer, die von der Straße abkommen, viel sicherer. Gegen einen Baum zu fahren, ist eine tödliche Gefahr. Neue Bäume müssten deshalb weiter im Acker stehen, und nicht so nahe an der Straße wie jetzt. Doch dafür gibt keiner seinen Grund her und außerdem wäre es auch keine Allee mehr, wenn neue Bäume aus der Reihe tanzen.

Es schaut nicht gut aus für die Lindenallee. Für dieses Jahr sind "Pflegemaßnahmen" an noch 40 Bäumen angekündigt.

© SZ vom 21.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: