Nachhaltigkeit:Zuschauen und lernen, wie es geht

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Defektes Werkzeug landet auch oft auf den Tischen. Im Bild repariert Dieter Eichner eine Handstichsäge. (Foto: Renate Schmidt)

Das Werkstatt Cafe der Caritas Erding hilft, wenn Gegenstände, die einen persönlichen Wert darstellen, kaputt gegangen sind. Seit viereinhalb Jahren reparieren Ehrenamtliche kostenlos Dinge, damit sie nicht im Müllcontainer landen müssen

Von Korbinian Hartmann, Erding

Einen 70 Jahre alten Volksempfänger konnten die Bastler des Werkstatt Cafes der Caritas Erding nicht mehr instand bringen. Insgesamt liege die Quote für erfolgreiche Reparaturen bei etwa 50 Prozent, sagte Mitorganisator Lothar Rimane. So auch am 9. März, als 27 Besucher alte Geräte, Artefakte sowie Gitarren oder ähnliche Instrumente statt zum Container hoffnungsvoll in die Mädchenrealschule brachten. Seit viereinhalb Jahren reparieren Ehrenamtliche dort an jedem zweiten Samstag im Monat kostenlos kaputte Gegenstände.

Die Besucher bekommen zuerst eine individuelle Beratung. "Bevor wir das Gerät reparieren, möchten wir die Interessenten aufklären, ob es sich lohnt, den Aufwand zu betreiben", sagte Rimane. Und es gibt Ausschlusskriterien: "Ein Elektrogerät beispielsweise darf für den Reparateur keine Gefahr darstellen." Ausgeschlossen sind auch Gegenstände, auf die es noch eine Garantie oder Gewährleistung gibt.

Unter Umständen verweisen die Bastler ihre Besucher auch an andere Werkstätten: "Wir wollen keine Konkurrenz für andere Handwerker darstellen und niemandem schaden", sagte Rimane. Daher könnten die Besucher zum Beispiel keine Uhren mitbringen, denn in Erding gebe es viele Uhrwerkstätten. Wenn die Reparatur beginnt, seien daran aber nicht nur die Bastler des Cafés beteiligt. "Oft fragen die Besucher, wann sie ihr Gerät wieder abholen können, aber so ist das Werkstatt Cafe nicht gedacht. Die Interessenten sollen zuschauen, und wir erklären ihnen, wie der Gegenstand aufgebaut ist." Ziel sei es, dass die Kunden den Schaden nachvollziehen. Ferner solle dadurch der Müllverbrauch eingedämmt werden.

Den Besuchern wird während des Wartens Fairtradekaffee angeboten. Dafür arbeite die Projektgruppe mit dem Weltladen in Erding zusammen. Finanziert wird das nicht kommerzielle Projekt auf Spendenbasis, Starthilfe kam von der Caritas Erding, aus der es hervorgeht. Im Oktober 2014 hatte es Christine Pösl-Rickert, die Ehrenamtlichenprojekte betreut, ins Leben gerufen. Bis heute sei das Projekt an die Caritas angelehnt und Pösl-Rickert weiterhin Mitorganisatorin. Als Dank für die Räumlichkeiten und durch die Mitarbeit von Michael Käsbauer, Lehrer an Heilig Blut, reparieren die Bastler des Cafés auch einmal jährlich mit den Schülerinnen. Insgesamt sind es 25 Ehrenamtliche, die sich für die Werkstatt engagieren. Neben den Reparaturen sind sie für das Catering, die Organisation und die Technik zuständig. "Vom Physiker über den Lehrer bis hin zum Ingenieur sind verschiedene Berufsgruppen vertreten. Eine handwerkliche Ausbildung ist keine Voraussetzung, um zu helfen." Die meisten Beteiligten seien zwar im Ruhestand, für Berufstätige sei es eine Freizeitbeschäftigung. "Unter den Reparateuren haben wir bis jetzt keine Frau."

"Wir wollen, dass alle Interessenten eine Chance bekommen, sich von uns helfen zu lassen." Daher werde jeder Besucher im Regelfall nur bei einem Gegenstand unterstützt. Bei den Instrumenten sei eine Vorankündigung oft hilfreich, um Ersatzteile vorab zu besorgen, sagte Gitarrenbastler Peter Lehan. Seit vergangenem September sichtet, wartet und pflegt der ehemalige Flugkapitän in der Werkstatt der Caritas Gitarren, E-Bässe und Mandolinen. Gelernt habe er das Handwerk in den 1980er Jahren bei einem Gitarrenbaumeister. "Seitdem ist das mein Hobby", sagte Lehan, der in seiner Freizeit auch Musik macht. Auf die Mitarbeit im Café haben ihn Freunde angesprochen. Seine Erfolgsquote schätzt er auf 90 Prozent reparierte Instrumente.

Bei anderen Geräten geht Lothar Rimane davon aus, dass etwa die Hälfte wieder instand gebracht wird. "Wenn sich ein Gerät wirklich nicht mehr reparieren lässt, war es zumindest die Erkenntnis wert." Im Vordergrund stehe weniger der Erhalt des materiellen als des persönlichen Werts. "Eine ältere Dame hat uns vor einiger Zeit eine Dose für Nürnberger Lebkuchen gebracht, weil sie ihre Plätzchen dort am liebsten gelagert hat", so Rimane. Das nächste Werkstatt Cafe findet am Samstag, 13. April, ab 14 Uhr in der Cafeteria der Realschule Heilig Blut statt.

© SZ vom 21.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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