Musiktheater:"Dorfen ist wie ein Kuraufenthalt"

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Opera Incognita setzt im Jakobmayer den "Bajazzo" von Ruggero Leoncavallo in Szene. Dorothee Koch und Max Prodinger sprachen mit der SZ über die große Oper in einer kleinen Stadt

Von Florian Tempel, Dorfen

Samstag ist Premiere. Opera Incognita bringt im Auftrag der Freunde des Jakobmayer die mittlerweile sechste Dorfener Musiktheater-Eigenproduktion heraus. Dieses Mal setzen Regisseur Andreas Wiedermann und der musikalische Leiter Ernst Bartmann den "Bajazzo" von Ruggero Leoncavallo in Szene. Dorothee Koch und Max Prodinger singen die Hauptrollen. Ein Gespräch über Große Oper in der Kleinstadt und eine Low Budget-Produktion auf hochprofessionellem Niveau.

SZ: Frau Koch, wann waren Sie das erste Mal in Dorfen?

Koch: 2011 für die Fledermaus, dann in "La Bohème" und in "Die Lustige Witwe" - es ist jetzt das vierte Mal.

Dann kennen Sie Dorfen schon ganz gut?

Koch: Es ist eine tolle Stadt, mit einer wahnsinnig hohen Lebensqualität. Ich finde es immer wie Urlaub, wenn ich hier sein darf.

Was macht denn für Sie die Lebensqualität aus, wenn Sie für kurze Zeit hierher kommen?

Koch: Ich finde den Metzger so toll.

Prodinger: Die Preise in den Cafés. Ich bin ja Salzburger und zudem Schweizer Preise gewohnt.

Wie wohnen Sie hier während der Probenzeit?

Prodinger: Ich bin beim ehemaligen Chefreporter des Bayerischen Rundfunks, Heiner Müller-Ermann, in einem alten Bauernhaus untergebracht. Oben an der Kirche, in einem früheren Kinderzimmer.

Koch: Ich bin auch privat untergebracht, beim Max Hupfer in seinem Gästezimmer.

Es wird fleißig geprobt für den "Bajazzo" im Jakobmayer: Dabei sind Max Prodinger und Dorothee Koch. (Foto: Misha Jackl)

Wo wohnen Sie fest?

Koch: In München, mit meinem Mann. Von da aus starte ich meine Touren in die Welt, zu Vorsingen, Wettbewerben, Konzerten. München ist mein Ruhepunkt, da bin ich zu Hause.

Prodinger: Ich lebe abwechselnd in Salzburg am Obertrumer See und am Bodensee auf der Schweizer Seite.

Frau Koch, wie sind Sie zu Opera Incognita gekommen?

Koch: Andreas Wiedermann und Ernst Bartmann kennen meine Gesangslehrerin, Fenna Kügel-Seifried, Professorin an der Musikhochschule München. Bei ihr haben sie 2009 nachgefragt für die Genoveva von Robert Schumann. Und sie hat gesagt, ja ich habe da wen. Und jetzt bin ich sozusagen Stammgast bei Opera Incognita, zusammen mit ein paar anderen Leute. Prodinger: Es gibt auch nicht viele so gute Sängerinnen wie die Koch.

Koch: Danke schön!

Prodinger: Kann man schon mal so sagen, wenn man schon mit so vielen Sopranistinnen zusammen gearbeitet hat.

Wie war das bei Ihnen, Herr Prodinger?

Prodinger: Ich wurde eigentlich ganz normal angefragt. Von Ernst Bartmann via Facebook.

Ernsthaft? Über Facebook?

Prodinger: Ihm hat wohl irgendjemand gesagt, dass ich ideal wäre für die Rolle.

Läuft das sonst auch so?

Prodinger: Ich musste das mit meiner Agentur abklären. Ich bin ja fix unter Vertrag und darf nur wenig selbst entscheiden. Meine Agentur garantiert mir dafür ein festes Einkommen. Ich muss denen alle Jobs melden, die ich sonst noch mache. Also habe ich meinem Agenten gesagt, das ist eine Low Budget-Produktion, aber ich brauche die Rolle.

Ihnen hat ganz speziell die Rolle des Bajazzo so zugesagt?

Prodinger: Ich versuche schon lange, die Rolle als Ganzes zu singen. Bislang habe ich nur Szenen daraus gemacht.

Sie haben sehr erfolgreich Arien aus dem Bajazzo in Wettbewerben gesungen.

Prodinger: In New York habe ich damit einen Wettbewerb mit 2300 Teilnehmern gewonnen, 2012 in der Carnegie Hall. Und es ist so: Mein Stimmfach ist Dramatischer Tenor. Ich habe viel Musical und viel Operette gemacht, aber auch schon Wagner gesungen. Aber ich habe ein bisschen eine Lücke: Verismo und das italienische Fach, da fehlen mir die Rollen noch, damit mein künstlerischer Lebenslauf glaubwürdig ist. Sonst sagt man, was macht der? Der hat 3000 Vorstellungen in "Sound of Music" gesungen, dann macht er "Land des Lächelns" oder "Weißes Rössl" und dann singt er den Siegfried - das passt ja gar nicht zusammen. Das ist so, wie wenn jemand Tischler, Steuerberater und Arzt gleichzeitig ist.

Tenor Max Prodinger. (Foto: Shirley Suarez)

Sie machen das hier in Dorfen, nicht weil es sich pekuniär lohnt, sondern fürs Renommee?

Prodinger: Genau, für meine künstlerische Entwicklung.

Koch: Das ist bei mir genauso. Es braucht eben alles seine Zeit. Ich bin ab September am Landestheater Hof. Da habe ich gleich beim ersten Vorsingen mein erstes Engagement bekommen, für zwei Jahre als festes Ensemblemitglied mit vier Produktionen im Jahr.

Gratulation.

Koch: Danke, ich freue mich unglaublich. Ich kriege auch einen Studierauftrag für die Violetta in La Traviata.

Opernsänger ist ein Traumberuf. Aber ist es auch sicher nicht so ganz einfach sich durchzusetzen.

Prodinger: Die Konkurrenz ist groß, man braucht viel Selbstbewusstsein und es ist schwierig, damit auskömmlich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ich tue mir da ein bisschen leichter, weil ich Tenor bin. Frauen habe es wesentlich schwerer.

Warum? Gibt es nicht so viel Tenöre?

Koch: Es gibt vor allem nicht so viele gute Tenöre. Sopranistinnen gibt es wie Sand am Meer.

Wie speziell ist eine freie Musiktheater-Compagnie wie Opera Incognita?

Prodinger: Es gibt schon viele Freie - aber mit Firma - die Produktionen an Opernhäuser verkaufen. Da wird ganz oft in Bulgarien oder Rumänien geprobt.

Was Bartmann und Wiedermann machen, ist aber eine andere Geschichte. Die machen das hier in und für eine Kleinstadt.

Sopranistin Dorothee Koch. (Foto: OH)

Prodinger: Ich habe zwar noch nie mit einer so kleinen Produktion gearbeitet. Aber es ist insofern keine andere Erfahrung, weil die Leute alle sehr professionell sind. Das ist kein Amateurverein. Künstlerisch ist das hier hochwertig. Es geht hier genauso zu wie an der Staatsoper.

Koch: Bis auf die Probenpausen.

Prodinger: Es gibt hier keine.

Wie gefällt Ihnen der Jakobmayer als Haus und Raum?

Koch: Ich finde ihn ganz entzückend umgesetzt, ganz toll gemacht. Außerdem hat er eine schöne Akustik.

Und wie ist die Stadt Dorfen an sich?

Koch: Total nette Leute - und ich liebe den Hemadlenz. Das ist die beste Faschingsveranstaltung weltweit.

Was machen Sie hier in Dorfen, wenn Sie von den Proben geschafft sind?

Koch: Schlafen.

Prodinger: Ich auch. Ich schlafe normalerweise nie so viel, aber Dorfen ist auch wie ein Kuraufenthalt für mich.

Noch ein Frage, Herr Prodinger. Frau Koch geht nach Hof, was machen Sie nach Dorfen?

Prodinger: Ich habe eine CD-Aufnahme in Salzburg mit dem Mozarteum-Orchester. Meine erste Solisten-CD. Dann konzertant noch einiges, im Sommer das Weiße Rössl im Weißen Rössl und im Herbst New York, Tosca, den Cavaradossi - ich bin in diesem Jahr erstmal am weniger machen.

© SZ vom 16.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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