Münchner Polizeichef zu Besuch:Europas sicherste Großstadt

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Unreflektierte Gerüchte über Flüchtlinge bezeichnet Münchens Polizeichef Hubertus Andrä bei einem Vortrag in Freising als "übel", die Ankunft Tausender Hilfesuchender ist aber auch für seine Beamten eine Mammutaufgabe

Von Katharina Aurich, Freising

München sei die sicherste Millionenstadt Europas - und das sei sie auch nach der Ankunft von Tausenden Flüchtlingen im vergangenen Jahr, sagte der Polizeipräsident der Landeshauptstadt, Hubertus Andrä, beim Wintervortrag im Rathaus. Die Stadt Freising und der Reservistenverband laden regelmäßig Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ein, um aktuelle Themen zu diskutieren. Neben Andrä beschrieb Oberst Kai-Uwe Mayer vor etwa hundert Zuhörern die Flüchtlingshilfe der Bundeswehr in Bayern.

Der Münchner Polizeipräsident wurde einer breiten Öffentlichkeit in der Silvesternacht bekannt, als Hinweise auf einen geplanten Anschlag in München eingegangen waren. Andrä reagierte besonnen, hatte die Lage unter Kontrolle und informierte die Bürger umfassend über Twitter und Facebook.

Andrä beschrieb, welche Mammutaufgabe die rund 7000 Mitarbeiter der Polizei täglich bewältigen. Ungefähr 1000 Mal am Tag gehe über die Nummer 110 ein Notruf ein. Die Polizeieinsätze hätten sich 2015 gegenüber dem Vorjahr verdoppelt, 1700 Einsätze habe es in den Flüchtlingsunterkünften wegen Kleinigkeiten gegeben. Meist gehe es um Ladendiebstähle, Betäubungsmitteldelikte oder Schwarzfahren. Gravierende Delikte wie Wohnungseinbrüche oder Sexualstraftaten würden nicht signifikant häufiger von Flüchtlingen verübt. Auch die Gefahr von sexuellen Übergriffen auf Kinder bestehe nach wie vor eher im häuslichen Umfeld, sagte Andrä. Asylbewerber seien "nicht per se Straftäter, sondern Menschen wie du und ich". Die Vorurteile und unreflektierten Gerüchte, die verbreitet würden, "sind übel", stellte der Polizeipräsident klar.

Die Ankunft der Flüchtlinge bedeutete für die Polizei auch wesentlich mehr Einsatzstunden für die Begleitung und Absicherung von Kundgebungen. Besonders die Pegida-Veranstaltungen machten ihm Sorge, denn diese Leute hätten eindeutig Verbindungen zur rechtsextremistischen Szene. Die Versammlungsfreiheit sei ein Grundrecht, "die Pegida-Versammlungen können wir leider nicht verbieten", so Andrä. Weitere Herausforderungen sieht der oberste Münchner Polizeibeamte in der Integration der Flüchtlinge, es dürften keine Gettos wie in den Pariser Vorstädten entstehen.

Problematisch seien auch diejenigen Personen, "über die wir nichts wissen, weder den Namen noch wo sie herkommen". Niemand könne sagen, ob unter ihnen Terroristen seien. Allerdings habe der IS ausgefeilte Wege, Attentäter einzuschleusen, sie müssten nicht auf dem unsicheren Umweg einer getarnten Flucht kommen. Die Täter seien global vernetzt, manche würden sogar zu Hause über das Internet, ohne persönliche Kontakte, radikalisiert, schilderte Andrä. Am Ende seines Vortrags im Rathaus blieb der Polizeipräsident optimistisch. Nirgends sei es sicherer als in Bayern, schloss der gebürtige Garmisch-Partenkirchener.

Oberst Mayer schilderte, wie die Bundeswehr Organisationen und Kommunen bei der Versorgung der Flüchtlinge unterstützt. "Wir sind auf alles vorbereitet, auf Katastropheneinsätze oder Hochwasser, aber dafür, dass so viele Menschen zu uns kommen, die versorgt werden müssen, hatten wir keine Pläne," bekannte Mayer. Verantwortlich für die Versorgung sei das Bundesamt für Migration, das Technische Hilfswerk registriere die Menschen und errichte vor allem Unterkünfte, die Soldaten unterstützten sie dabei, Strom-, Abwasser- und Wasserversorgung für viele hundert Ankommende zu installieren. Mayer stellte auch klar, dass die Soldaten die Unterkünfte nicht bewachten, dafür seien Security-Dienste zuständig. Auch bei der Bahnpolizei in Passau und Rosenheim seien Reservisten im Einsatz, um bei der Verteilung der Ankommenden zu helfen.

Alle zwei Stunden würden der Zentrale freie Kapazitäten in den Erstaufnahmeunterkünften in Erding und Feldkirchen gemeldet. Vom UNHCR, dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, erhielten sie regelmäßig Daten, auf welchen Routen wie viele Menschen unterwegs seien. "Niemand kann voraussagen, wie viele Menschen noch kommen werden", beschrieb der Oberst die Lage.

© SZ vom 04.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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