MITTEN IN DORFEN:Der Bayer und das Ü

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Es gibt eine naheliegende Erklärung, warum sich das Tschüss im Freistaat nicht durchsetzt

Kolumne von THOMAS DALLER

Die Zeiten, in denen sich Lokaljournalisten über das Amtsblatt der Gemeinde oder andere Printerzeugnisse informiert haben, sind längst vorbei. Die Erdinger SZ hat eine eigene Facebookseite und natürlich gehört es zu unseren Aufgaben, uns im Netz umzusehen, auch wenn wir selber nicht nur älter als das Internet sind, sondern auch noch älter als das Arpanet. Dabei sind wir gestern bei der Facebook-Gruppe Dorfen über einen Beitrag gestolpert, den wir Ihnen nicht vorenthalten wollen: Es ging darum, dass es in der bairischen Aussprache den Umlaut Ü nicht gibt. Steile These? Hamma uns a denkt. Aber der Autor erläutert anhand von ein paar Regeln, wie der Bayer immer einen Weg findet, dem Ü aus dem Weg zu gehen. Regel eins lautet, dass im einfachsten Fall das Ü zu U wird: aus drücken wird drugga, auf hüpfen wird hupfa oder aus Mücke wird Mugga. Regel zwei lautet, dass das Ü durch I ersetzt wird: München wird Minga ausgesprochen, Strümpfe als Strimpf und aus dem Büffel wird der Biffe. Mit der dritten Regel hätten vor allem Preußen ihre Mühe. Denn dabei wird das Ü nämlich durch eine Kombination zweier Umlaute ersetzt. Man beginnt mit einem schrillen i, welches man schleifend in ein a rüberzieht. Hochdeutsch ü, bairisch ia: müde - miad, Füße - Fiaß, Schürze - Schiazl. Die nächste Möglichkeit, dem Ü auszuweichen, ist das ui, dessen Aussprache in einer einzigen Mundbewegung erfolgen muss: aus füllen wird dabei fuin, aus Mühle die Muih und das Gefühl wird zum Gfuih. Die fünfte und am seltenst gebräuchliche Regel, das Ü zu umgehen, sei das "ea". Derart ausgesprochene Wörter werden außerhalb Bayerns kaum noch verstanden wie beispielsweise grea für grün oder Bleamal für Blümchen. Die sechste und letzte Regel besagt, dass ein Wort mit Ü, auf das keine der Regeln eins bis fünf anwendbar ist, durch ein anderes ersetzt werden muss. Dabei wird aus dem Rücken der Buckl, aus der Gülle wird Odl, aus dem Hühnchen das Hendl und aus der Pfütze die Lagga.

Klingt in sich schlüss.. äh beziehungsweise passd scho. Und deswegen setzt sich in Bayern auch das sonst im ganzen Bundesgebiet verbreitete "Tschüss" nicht durch, weil es uns nicht behagt, den Mund zu spitzen. In diesem Sinne: Servus, liebe Leser.

© SZ vom 01.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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