Mitten in der Region:Schrotträder für Baryschiwka

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Alle Jahre wieder wird es notwendig, dass ein Aufräumen verordnet wird

Kolumne von Claudia Wessel

Es ist ein Rätsel, das Schriftsteller sicher zu zahlreichen Geschichten inspirieren könnte: Fahrräder, die vergessen werden, verwaisen, herren- und damenlos in Regen, Schnee und Sonne stehen, Tag und Nacht alleine gelassen an Orten, die doch eigentlich meist sehr belebt sind. Vor allem an S-Bahnstationen sammeln sich Zweiräder in allen Farben und Formen. Die meisten sind mit langen Ketten an unverrückbaren Gegenständen wie Lampen oder Zäunen befestigt, andere mit schweren Bügelschlössern versehen, die ein Dieb so schnell nicht aufkriegt.

So viel Mühe machen sich die Besitzer mit ihren Rädern, dass man eigentlich meinen sollte, es liege ihnen daran, diese wieder zu benutzen. Doch alle Jahre wieder wird es notwendig, dass von höchster Stelle ein Aufräumen verordnet wird. "Auch in diesem Herbst führt die Gemeinde Pullach gemeinsam mit der Polizei wieder eine Aktion zur Beseitigung von Schrotträdern durch", teilt das Pullacher Rathaus mit und erklärt damit den Radbesitzern zugleich, wieso vielleicht seit Kurzem eine weiße Karte an ihrem Gefährt hängt. Diese wurde an allen offensichtlich vernachlässigten Fahrrädern befestigt und soll als Warnung dienen. Denn wer ein so gekennzeichnetes Fahrrad nicht bis Dienstag, 17. September, an einem anderen Platz parkt und die weiße Karte entfernt, der wird es wohl nicht wiedersehen. Eine ähnliche Aktion ist auch andernorts gut denkbar, zum Beispiel in Erding am Bahnhof.

Pullacher Räder, die nicht mehr zu reparieren sind, werden verschrottet. Alle, für die noch Hoffnung besteht, werden in einer Werkstatt flott gemacht. Nun wäre es ja ein toller Zug von der Gemeinde, wenn sie letztere neu markieren - etwa mit einer grünen Karte - und zurück an den S-Bahnhof stellen würde. Das ist aber leider nicht der Fall. Stattdessen werden sie in die Partnergemeinde Baryschiwka in der Ukraine verschickt. Auch dort gibt es einen Bahnhof, denn der Ort liegt an der Bahnstrecke Kiew-Poltawa. Vielleicht wird schon bald mancher Pendler mit einem Pullacher Rad zum Bahnhof kommen. Und es vielleicht auch dort vergessen. Warum? Pullacher und Baryschiwkaer Schriftsteller ans Werk!

© SZ vom 04.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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