Mitten in der Region:Hallihallo und Hello Again

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Die Sitzung des Ebersberger Kreistags erinnert an eine ewig wiederkehrende Schlagershow. Im Mittelpunkt steht ein AfD-Mann, der einen handfesten Eklat auslöst

Glosse von Korbinian Eisenberger

Kreistag in Ebersberg ist wie Samstag im Ersten, wenn die Schlagershow mit Florian Silbereisen läuft. In der Rolle des Moderators ist in dem Fall der Ebersberger Landrat Robert Niedergesäß (CSU), das macht es etwas erträglicher. Andere Parallelen sind nahezu identisch. Wer - warum auch immer - in die Lage geraten ist, Zeuge dieses Schauspiels zu sein, darf bemitleidet werden. Irgendwann kommt in der Silbereisschen Schlagershow der Moment, an dem man sich hinfort wünscht: Dann, wenn Andreas Gabalier zum Mikro greift. Der Gabalier des Ebersberger Kreistags heißt: Manfred Schmidt.

Der AfD-Politiker Schmidt muss kein "Hallihallo" zur Begrüßung anstimmen. Er neigt dazu, Litaneien mit Fragen vorab ans Gremium zu mailen, ehe er selbige im Saal vorträgt. So auch in der Kreistagssitzung am Montag. Schmidt las am Rednerpult Fragen durchs Mikro, aus denen sich eine Aussage destillieren lässt: Der Vaterstettener vermutet einen Regelbruch darin, dass den Wahlkreis-Spitzenkandidaten der AfD und der Partei "Die Basis" bei einer Podiumsdiskussion vor der Bundestagswahl die Einladung verwehrt wurde, "weil deren Werte diametral zu denen der einladenden Organisationen stehen". Als Schmidt die Begründung zitierte, gab es hämischen Applaus im Saal. Dann kippte die Stimmung.

Aus Schmidts Fragenkatalog schimmert Kritik durch am Ebersberger Kreisjugendring (KJR), der die Teilnehmer der Podiumsdebatte ausgewählt hatte. Da der KJR von öffentlichen Mitteln gefördert werde - laut Schmidts Frage 6 mit jährlich 500 000 Euro - handele es sich um eine "ungerechtfertigte Diskriminierung", so Schmidt. Landrat Robert Niedergesäß nahm die Ausführungen des AfD-Manns drei Minuten lang zur Kenntnis, ehe es im Sitzungssaal zum letzten Eklat des Nachmittags kam.

Schon der Beginn der Sitzung erinnerte an Silbereisens Sendung. Als würden Stefan Mross (Immer wieder Sonntags) und Howard Carpendale (Hello Again) sich um einen Bühnenplatz prügeln. In den Rollen: Vaterstettens Bürgermeister Leonhard Spitzauer (CSU) und Poings Ex-Bürgermeister Albert Hingerl (SPD). Junger Hüpfer gegen alter Hase. Hingerl hatte eine Referentin mit einer Frage unterbrochen, worauf Spitzauer ihn vor dem Plenum kritisierte. Hingerl reagierte, indem er den Kollegen auf seine kurzzeitige Erfahrung im Rathaus-Chefsessel hinwies und ihm - als wäre er ein Schulbub - mitteilte: "Ich denke du solltest noch einiges dazulernen."

Der Ton dieses musikalischen Events war also gesetzt. Der Gabalier des Abends gebührte dennoch Schmidts Auftritt. Den Karl-Valentin-Preis wird er zwar nicht gewinnen, sein Auftritt im großen Saal der ehemaligen Sparkasse erinnerte nun aber nicht mehr so sehr an Schlager als an absurdes Theater. Sekunden nachdem der AfD-Mann das Wort ergriffen hatte, verließ ein gutes Drittel der Kreisräte demonstrativ den Saal. Sie verpassten nun, dass der Landrat es zunächst noch höflich versuchte. Schmidts Fragen seien ja bereits bei ihm eingegangen und würden bearbeitet. Es sei deshalb nicht nötig, sie nach dreieinhalb Stunden Sitzungszeit nun alle vorzulesen. Schmidt ließ sich nicht beirren und machte weiter.

Also probierte es der Landrat mit Nachdruck. "Sie können hier nicht in jeder Sitzung 15 Minuten lang Anfragen vorlesen." Auch dies brachte nicht den erhofften Erfolg. Und so kam es zur letzten Instanz vor dem Anruf bei der Polizei: "Es tut mir leid, dass das hier so eskaliert", so Niedergesäß, "aber da muss ich Ihnen jetzt das Wort entziehen." So trat Manfred Schmidt vom Rednerpult ab. In der Gewissheit eines Mannes mit Bühnenerfahrung: Amoi seng' ma uns wieder.

© SZ vom 27.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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