Mitten in der Region:Der richtige Riecher

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Der Beruf des Sommeliers ist auch nicht mehr das, was er mal war. Heute gibt es Kenner für alles, naja fast alles.

Kolumne von Wieland Bögel

Der Beruf des Sommeliers ist auch nicht mehr das, was er mal war, als der Weinkenner noch mit näselndem Akzent über das blumige Bukett eines edlen Traubensafts philosophiert hat, oder dessen nachhaltigen Abgang mit Spuren von Vanille und Pfeffer. Heute gibt es Sommeliers für alles - fast alles. Schließlich kann man dem modernen Menschen bei allem Stress und aller Arbeit nicht auch noch zumuten, selbst das Riechen und Schmecken zu übernehmen. Und so ist wohl im Bereich menschlicher - und vermutlich auch tierischer - Nahrung alles durchsommeliert. Doch trifft das ganz offensichtlich nicht auf jene Stoffe zu, die unseren pflanzlichen Mitgeschöpfen zugeführt werden. Was den Dünger auf den Feldern angeht, mangelt es eindeutig an Degustation.

Welche Variationen an Landluft es gibt, dürfte allen, die sie zumindest gelegentlich schnuppern, nicht entgangen sein. Sagt der Wetterbericht Regen an, wie zur Zeit öfter, wird für die Pflanzen der Tisch gedeckt. Prosaischer ausgedrückt: Der Odelwagen drückt was raus. Was dann eine sehr unterschiedliche Geruchsqualität entwickelt, je nachdem, welche Tierart an der Befüllung des Tankwagens mitgeholfen hat. Zum Glück für die Nasen der Passanten sind große Fleischfresser daran eher selten beteiligt - der Zirkus Krone verkauft ja neuerdings gebrauchtes Löwenfutter in Einmachgläsern um damit Lästlinge wie Mäuse, Katzen und Nachbarn fernzuhalten. Das eine oder andere versengte Nasenhaar vermeint man dann aber doch gelegentlich festzustellen, während bei anderer Gelegenheit der Geruch zwar deutlich, aber weniger beißend ist.

Wie sich in einschlägiger Gartenliteratur und im Internet nachlesen lässt, unterscheiden sich die verschiedenen Arten unverdaulicher Reste nicht nur im Geruch, sondern auch in der Anwendung. So wird Rindermist etwa empfohlen, wenn ein Beet langfristig gedüngt werden soll, die Nährstoffe gehen hier gleichmäßig in den Boden über. Am anderen Ende der Skala steht Hühnermist, hier gelangen sie unmittelbar in den Boden, und es kommen besonders die schnell wachsenden Pflanzen auf ihre Kosten. Und da kommt der Mist-Sommelier ins Spiel, der könnte Sätze von sich geben wie: "Ich empfehle eine leichte Schaufel vom Huhn an einer kleinen Schubkarre vom Rind, dazu als Beilage einen Eimer Schwein und zum Dessert ein paar gut abgehangene Pferdeäpfel." Muss man nur das Näschen dafür haben...

© SZ vom 31.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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