Landwirtschaft:Gedeckter Tisch auf den Äckern

Lesezeit: 3 min

Die Ernteschäden rund um Erding durch die Saatkrähen belaufen sich mittlerweile auf 65 000 Euro. Stadt und Bauernverband wollen deshalb eine Ausnahmegenehmigung für die Jagd beantragen

Von Thomas Daller, Erding

In Erding leben laut der aktuellen Zählung 1186 Saatkrähen-Brutpaare, das ist die größte Krähenkolonie innerhalb einer oberbayerischen Stadt. Und es werden immer mehr. Die Verkotung und Lärmbelastung im Stadtpark ist enorm, hinzu kommen die Schäden bei den Landwirten rund um Erding. Auf 65 000 Euro wurden sie allein im vergangenen Jahr veranschlagt. Die Stadt will sich nun mit dem Bayerischen Bauernverband abstimmen und dann im Gespräch mit der Regierung von Oberbayern klären, ob man eine Ausnahmeregelung erhalte, um die Tiere bejagen zu dürfen.

Thomas Schreder ist CSU-Stadtrat, Umweltreferent und Vorsitzender des Erdinger Kreisjagdverbandes. Er ist mit der Thematik bestens vertraut. 2008, sagt er, habe es mit 69 Brutpaaren begonnen, 2014 waren es schon 469. Eine leichte Delle im Jahr 2020 mit 911 ist längst ausgebügelt, Stand März 2021 wurden 1186 gezählt. "Wir haben eine lineare Steigerung. In drei bis vier Jahren werden es 1300 bis 1400 Brutpaare sein und dann haben wir künftig statt zwölf 15 bis 20 Splitterkolonien."

In der Kreisstadt selbst hatte man bislang vor allem Ärger mit dem Lärm und der Verkotung durch die Vögel. Dabei hat man die Schäden für die umliegende Landwirtschaft ein wenig aus den Augen verloren. Die sind jedoch nicht unerheblich: Eine kleine Umfrage von Bauernverbands-Kreisobmann Jakob Maier hat ergeben, dass sie sich im Jahr 2021 auf rund 65 000 Euro beliefen. Die Vögel reißen Siloballen auf, fressen das Saatgut auf den Feldern und ernähren sich auch von Versuchssaaten. Die Schäden beim Saatgut fielen bislang vor allem beim Biolandbau an, weil konventionelle Landwirte ihre Maiskörner mit einer Vogelfraßbeize behandelten, die die Tiere nicht mochten. Diese Beize wurde aber vor zwei Jahren verboten und die schlauen Vögel merken allmählich, dass nun überall auf den Äckern ein gedeckter Tisch auf sie wartet. Entschädigungen von staatlicher Seite gibt es dafür keine, weil solche Zahlungen nur bei Tieren vorgesehen sind, die dem Jagdrecht unterliegen. Das ist bei den Krähen aber nicht der Fall.

Das bedeutet Nahrung im Überfluss rund um eine Stadt, die mit vielen großen Bäumen durchsetzt ist und damit noch viele weitere Brutplätze bietet. Die von Schreder genannten 1500 Brutpaare sind somit nur eine mittelfristige Prognose und noch längst nicht das Ende der Fahnenstange.

Das weiß man auch bei der Stadt Erding, schon seit Jahren versucht man mit allen zulässigen Mitteln, das Wachstum einzudämmen. So hat der Bauhof immer wieder Eier aus den Nestern entnommen und Nester in neuen Splitterkolonien entfernt, aber mit überschaubarem Erfolg. Die Krähen haben weitere Eier gelegt und die Splitterkolonie wieder besetzt, sobald der Bauhof mit der nächsten Splitterkolonie beschäftigt war.

Eine weitere Vergrämungsmaßnahme wäre der Einsatz von Falknern gewesen. Die Regierung von Oberbayern hätte sogar einen Wüstenbussard genehmigt. Doch alle drei angefragten Falkner hatten abgewunken: Angesichts der Lage mitten in der Stadt und der Größe der Population wäre ein Wüstenbussard wohl auf verlorenem Posten.

Man würde aufgrund des naturschutzrechtlichen Status der Krähen wohl die Beeinträchtigung der städtischen Bevölkerung in Kauf nehmen müssen, aber die ständig steigenden Ernteschäden kann man der Landwirtschaft auf Dauer nicht zumuten, insbesondere, wenn nun auch der Schutz durch die Beize wegfällt.

Deshalb will die Stadt zusammen mit dem Bauernverband erneut bei der Regierung von Oberbayern vorstellig werden. "Wir haben offene Fragen, aber wir stellen keine Forderungen", sagte Schreder. Es geht dabei im Kern um einen Ausnahmetatbestand beim Naturschutzrecht angesichts dieser Koloniegröße und ihrer steilen Wachstumskurve. Wenn die Regierung mit so einem Ausnahmetatbestand einverstanden wäre, könnte man sie bejagen. Schreder betont, dass es nicht darum gehe, die ganze Kolonie aus Erding zu verjagen: Es gehe vielmehr darum, ob man eine Zahl x festsetzen könne, die die Population nicht überschreiten dürfe.

Aber auch wenn dieser Ausnahmetatbestand genehmigt werden sollte, darf man sich davon keine Wunder erwarten. Krähen gelten als sehr schlau. Sie benutzen Werkzeuge, verstehen das Prinzip von Ursache und Wirkung, einfache Physik und können vorausschauend planen. Dort, wo sie bejagt werden dürfen, erzählt man sich erstaunliche Dinge über die Vögel: Sie können offenbar das Auto, das der Jäger fährt, von anderen unterscheiden und ein Gewehr von einem Stock. An sie heranzukommen wird mit jedem Schuss schwieriger. Schreder weiß das und kennt auch eine gewisse Abneigung unter manchen Jägern, die Vögel zu schießen, weil sie nicht dem Verzehr dienen und damit jagdethische Fragen aufwerfen. Daher dürfe es keine "rein jagdliche Sache" durch Einzelabschüsse sein, sagte er. Er setzt auch auf die Fallenjagd, die ist zwar bayernweit auf Federwild verboten, aber auch dafür gebe es Ausnahmegenehmigungen. Nur dürfte es dabei ebenfalls nur eine Frage der Zeit sein, bis die gefiederten Schlauberger auch den gesamten Bestellkatalog für Vogelfallen auswendig können.

© SZ vom 29.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: