Landtagswahl:"Irritation kann manchmal gut sein"

Von altmodisch bis zeitgemäß: Diplom-Designerin Cäcilie Halbleit analysiert mit professionellem Blick die Wahlplakate der Erdinger Landtagsabgeordneten - und kommt zu einem zwiespältigen Ergebnis

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(Foto: Renate Schmidt)

Es gibt kein Entkommen. Zum Beispiel auf den Erdinger Ausfallstraßen: Kein Baum, an dem nicht ein Wahlplakat hängt, alle paar Meter eine andere Partei, eine andere Farbe, ein anderer Kopf. Ein paar Sekunden bleiben vielleicht, um sie wahrzunehmen - aber was bleibt? Die SZ hat die Plakate der Landtagskandidaten der Münchner Kommunikationsdesignerin Cäcilie Halbleib vorgelegt. Spontan und mit professionellem Auge analysiert sie die Plakate - heute die der etablierten Parteien. Frau Halbleib, wir beginnen mit dem Plakat von Elif Cindik-Herbrüggen, der Kandidatin der Sozialdemokraten. Das Logo der SPD muss man allerdings suchen, ist das schlau? Cäcilie Halbleib: Größer ist meist immer besser. Aber in diesem Fall legt man eben Wert auf Christian Ude, man hofft, dass man die Partei an der Person erkennt. Für mich wirkt die Inszenierung gestellt. Frau Cindik-Herbrüggen ist erkennbar hinein geschnitten. Das finde ich schade. Es ist recht offensichtlich, dass Ude nicht wirklich neben der Dame stand. Wie wirkt Frau Cindik-Herbrüggen auf Sie? Offen, positiv, sie geht auf den Betrachter zu. Eigentlich sehr sympathisch. Der Wahlspruch lautet: Wer Ude will, wählt mich. Ob das reicht, weiß ich auch nicht. Das funktioniert nur, wenn man weiß, wer Ude ist. Zudem gibt es auch fast keine politische Aussage. Wie wirkt das Plakat insgesamt? Nüchtern. Frau Cindik-Herbrüggen kommt sympathisch rüber. Die Schrift finde ich wenig gelungen, sie wirkt zwar modern, ist aber nicht sehr gut lesbar.

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(Foto: Renate Schmidt)

Zur CSU: Die Kandidatin heißt Ulrike Scharf. Mhm. Dieses Plakat sorgt in Erding für Kontroversen. Wie alt würden Sie Frau Scharf schätzen? So um die 30. Sie ist 45. Das Foto ist geschönt. Auf viele Erdinger wirkt das Foto recht unnatürlich. Alle Fotos werden geschönt, aber es ist natürlich peinlich, wenn man sie kennt und tatsächlich ist sie zehn oder 15 Jahre älter. Sie ist sehr glatt, man sieht den Ansatz der Nase schon nicht mehr richtig. Muss man als Profi nicht sagen: Frau Scharf, das wirkt unnatürlich, das geht so nicht. Ich verstehe die Politiker nicht, ich würde das nicht wollen. Als Designer äußert man seine Bedenken, aber wenn der Kunde darauf besteht, macht man es. Er zahlt schließlich. Ansonsten ist das Plakat blau-weiß gehalten. Das ist gut und passt. Alles ist klar. Sie wirkt sympathisch, aber da die Abbildung nicht dem tatsächlichen Alter entspricht: Schlecht. Es gibt auch eine Internetseite, eine lange Adresse. Merkt man sich das? Nein, das merkt sich keiner. Die kurze Adresse war vielleicht schon vergeben. Aber eine Internetadresse muss heutzutage einfach dabei sein.

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(Foto: Renate Schmidt)

Wir schauen uns die Grünen an. Ich mag die Plakate, die haben sich etwas einfallen lassen, es ist ein bisschen anders. Was ist da anders? Ein anderer Hintergrund, ungewöhnliche Perspektiven. Ich finde das sehr gelungen. Ob es denn die gewünschte Wirkung zeigt, das kann ich nicht sagen. Aber als Plakat ist es gelungen. Wie wirkt Frau Stieglmeier auf Sie? Auch sehr sympathisch. Vielleicht wäre es besser, wenn sie den Mund leicht geöffnet hätte und Zähne zeigt. Wirkt das freundlicher? Manchmal, ja. Bei Frau Scharf sieht man das. Frau Stieglmeier wirkt aber trotzdem sympathisch, halt ein bisschen verschmitzt. Das passt gut zu den Grünen. Der Slogan lautet: "Bayern ist reif." Das verstehe ich, aber: "Und du?" Wofür bin ich denn reif? Für die Grünen im Landtag? Es gibt eine kurze Irritation, das gibt es bei den anderen Plakaten gar nicht. Irritation kann manchmal gut sein.

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(Foto: Renate Schmidt)

Bei der FDP tut sich auf den Plakaten einiges. Im Vergleich zu den anderen drei wirkt das eher altmodisch. Die Stilmittel empfinde ich als gestrig. Was stößt Ihnen da auf? Diese vielen gelben Balken, die das Plakat auch optisch zerteilen. "Für den Mittelstand, den Motor der Region": Wenn denn mal Aussagen da stehen, sind sie nichtssagend, wie bei den anderen auch. Sie geben keine konkrete Forderung wider. Vertane Chance? Jede Partei muss sich absetzen. Sie wollen ja auch nicht ein viertes Plakat machen, das aussieht wie alle anderen. Zu dem FDP-Gelb kommt ein bisschen rosa. Das beißt sich. Heutzutage kann man alle Farben kombinieren. Man hätte auch eine harmonischer e Farbe wählen können, dann würde es aber nicht so auffallen. Insofern bewusst so eingesetzt Herr Lanzinger zeigt Zähne. Wie kommt er an? Schon auch sympathisch. Er wirkt aber ein wenig reserviert. Frau Cindik-Herbrüggen öffnet sich dem Betrachter mehr. Aber weil Herr Lanzinger so aussieht, als würde er hinter einem Zaun stehen, oder einer Wand, wirkt er distanzierter.

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