Landkreis:Ungehemmte Vermehrung

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Schlimmster Borkenkäferbefall seit zehn Jahren: Waldbesitzer rechnen mit Schäden in Höhe von mehreren Tausend Kubikmetern. Fichtenmonokulturen haben keine Zukunft mehr

Von Thomas Daller, Landkreis

Die Borkenkäfer wüten in den Fichtenbeständen des Landkreises in einem Ausmaß wie seit zehn Jahren nicht mehr. Die Bäume waren durch den Orkan Niklas Ende März durch Feinwurzelabrisse vorgeschädigt, die anhaltende Trockenheit im Juli und August hat einen weiteren Befall durch den kleinen Kupferstecher und den großen Buchdrucker begünstigt. Die Waldbesitzervereinigung rechnet mit Schäden in Höhe von mehreren Tausend Kubikmetern.

Fichten sind mit ihrem flachem Wurzeltellern anfälliger für Sturmschäden als beispielsweise die tiefer wurzelnde Tanne. Beim Orkan Niklas, er war der schwerste Sturm seit acht Jahren in Bayern, hat sich das in zweierlei Hinsicht bemerkbar gemacht. Zum einen hat der Sturm manche Fichten umgeworfen oder abgebrochen, in deren Stämmen die erste Generation von Borkenkäfern heranwachsen konnte. Zum anderen hat der zwei Tage dauernde Orkan viele Fichten so lange hin- und her geschaukelt, bis viele Feinwurzeln gerissen sind. Über diese Feinwurzeln nehmen die Bäume Wasser auf. Als dann im Sommer die große Hitze kam, gerieten die Bäume in Trockenstress. Das führte nicht zuletzt dazu, dass sie die Borkenkäfer, von denen sie angebohrt wurden, nicht mehr in ihrem Harz ertränken konnten. Deswegen konnten sich die Käfer ungehemmt vermehren. Und da kommt bei Borkenkäfern Einiges zusammen: Bei optimalen Bedingungen kann es in einem Jahr vier Generationen geben. Ein Weibchen kann 100 Nachkommen haben, daraus entwickeln sich in der nächsten Generation 10 000 Borkenkäfer und in der vierten Generation ist man schon bei einer Million.

"Wir kriegen derzeit von allen Seiten Meldungen rein über Holz, das aufgearbeitet werden muss", sagte Rainer Mehringer, Vorsitzender der Waldbesitzervereinigung Erding. Und er befürchtet, dass es sich bei diesen Meldungen erst um die "Spitze des Eisbergs" handele. Hinzu komme, dass viele Waldbesitzer auch Landwirte seien und wegen der anstehenden Erntearbeiten nicht genügend Zeit hätten, die befallenen Bäume aus dem Wald zu entfernen. Dann könnte ein hoher Bestand an Borkenkäfern im Wald überwintern und würde im nächsten Jahr eine wesentlich höhere Ausgangspopulation bescheren. "Wir hatten in den vergangenen Jahren sehr viele trockene Frühjahre. Dann kann es im April schon losgehen." Mehringer hofft daher auf einen eher warmen und nassen Winter, denn dann gehen viele Borkenkäfer an Pilzbefall zugrunde. "Im Gegensatz zur landläufigen Meinung sind es nicht die frostharten Winter, die Insekten zusetzen, sondern die warmen."

Bis der Winter kommt, hat er jedoch noch andere Sorgen, denn es wird immer schwieriger, geeignete Lagerplätze für die befallenen Stämme zu finden. Auf den Nasslagerplätzen der Sägewerke stapeln sich bereits die Stämme, die dem Sturm Niklas zum Opfer gefallen sind. Und andere geeignete Flächen sind rar. Denn die Stämme müssen mindestens 500 Meter vom nächsten Waldrand entfernt sein, damit die Borkenkäfer nicht dort erneut ansetzen können. Aber das ist im Landkreis Erding schwierig, obwohl er der waldärmste Landkreis in Bayern ist. Denn es gibt hier nicht die großen zusammenhängenden Waldgebiete, dafür aber viele kleine, die verstreut sind. Das erschwert die Suche nach geeigneten Lagerplätzen mit entsprechenden Abständen nach allen Seiten.

Angesichts solcher Entwicklungen ist für Mehringer klar, dass die Fichte im Reinbestand keine Zukunft habe. Er befürwortet, dass die Waldbauern stattdessen mehr auf Buchen und Tannen setzen, die auch tiefere Wurzeln haben und nicht so sturmanfällig sind. Mehringer: "Wir müssen in Zusammenarbeit mit der Jagd alles tun, um eine klimatolerante Verjüngung der Wälder umzusetzen."

© SZ vom 15.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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