Landkreis Erding:Mehr Platz für Kinder zum Spielen

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Viele Eltern wollen gerne eine "verkehrsberuhigte Zone" in Wohngebieten. Das blaue Schild mit den weißen Kindern ist aber nicht überall geeignet mehr Sicherheit zu bieten. Die Polizei rät manchmal eher zu Tempo 30-Zonen

Von Regina Bluhme, Landkreis

Mehr Spielstraßen für Wohngebiete! Laut einer kürzlich veröffentlichten Umfrage im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerks würden 79 Prozent der Bevölkerung diese Forderung sofort unterschreiben. In den Städten Erding und Dorfen sind derzeit keine entsprechenden Anträge bekannt. Alfons Englmeier, Sachbearbeiter Verkehr bei der Polizeiinspektion (PI) Erding, muss erstmal korrigieren: wenn man in der Regel von einer Spielstraße spreche, und das bekannte blaue Schild mit den weißen ballspielenden Figuren meine, dann handle es sich um einen "verkehrsberuhigten Bereich" und der könne sowohl Vor- als auch Nachteile für die Anwohner haben. Deshalb rät Englmeier manchmal eher zu einer 30er-Zone.

Das Thema Spielstraße ist "ein Dauerbrenner", sagt Christian Wanninger, Pressesprecher der Stadt Erding. Für Neubaugebiete werde mitunter bereits in den Bebauungsplänen ein verkehrsberuhigter Bereich festgelegt. "Aktuell haben wir aber keine Anträge für eine Spielstraße und uns ist auch aktuell kein Problem in einer bereits bestehenden Straße bekannt", sagt Wanninger.

Was eine amtliche Spielstraße ist, das regelt in der Straßenverkehrsordnung das Zeichen 250, informiert Alfons Englmeier von der PI Erding. Ausgeschildert wird diese durch einen roten Kreis auf weißem Grund. Und das bedeutet: Hier dürfen gar keine Autos fahren und die Kinder können die gesamte Fahrbahn für ihre Spiele in Beschlag nehmen. "Mir ist aber in unserem Einzugsgebiet keine einzige offizielle Spielstraße bekannt", sagtt Englmeier.

Das blaue Schild ist in der Straßenverkehrsordnung "Zeichen Nummer 325.1" und regelt eine "verkehrsberuhigte Zone. Das blaue Schild ist in vielen Wohngebieten im Landkreis Erding anzutreffen. Nach Ansicht von Polizeihauptkommissar Englmeier ist diese Zone allerdings nur geeignet für kleine Nebenstraßen "mit vielleicht zehn bis 15 Häusern", abseits des Durchgangsverkehrs. Auch die Länge der Straße sei entscheidend, "es sollten nicht mehr als 200 Meter sein." Denn in einem verkehrsberuhigten Bereich gilt Schrittgeschwindigkeit. Das bedeutet laut Englmeier vier bis sieben Stundenkilometer - "und das müssen sie dann auch die ganze Strecke durchhalten."

Problemlose Verkehrsberuhigung: der Setzbergweg von der Herzogstandstraße zur Langen Feldstraße. Hier gibt es nur kleine Wohnbereiche mit fünf bis zehn Häusern. (Foto: Renate Schmidt)

Als Negativbeispiel nennt Alfons Englmeier die verkehrsberuhigte Zone an der Falkenauer Straße in Erding: Sie ist mehrere hundert Meter lang und eine Durchfahrtsstraße. "Da hält sich niemand an Schrittgeschwindigkeit", sagt Englmeier. Es gebe oft Beschwerden der Anwohner. Hier wäre ein Zone-30-Schild letztendlich die bessere Lösung gewesen, ist er überzeugt. Sehr gut läuft es laut Polizei dagegen im neuen Baugebiet in Altenerding Süd, auf Höhe Lange Feldstraße. Hier gebe es kleine Wohnbereiche mit fünf bis zehn Häusern und hier laufe es mit der Verkehrsberuhigung problemlos, betont Englmeier. "Die Leute sind zufrieden."

Verkehrsberuhigter Bereich bedeutet laut Polizei auch, dass Fahr- und Gehwege eine einzige Fläche bilden und die Strecke auch durch Bäume oder Sträucher unterbrochen wird. Autos und Fußgänger, beziehungsweise spielende Kinder, müssen gegenseitig aufeinander Rücksicht nehmen. Kinder dürfen auf der Straße spielen, "aber die Straße ist kein Spielplatz", schränkt Englmeier ein. "Auf der Verkehrsfläche dürfen die Kinder nichts aufbauen." Darüber hinaus müssten die Anwohner auch daran denken, dass in der Zone das Parken "nur in den weiß markierten oder baulich gekennzeichneten Flächen erlaubt ist", fügt Englmeier hinzu. Es gebe immer mal wieder Probleme, wenn alle Parkflächen von den Anwohnern zugeparkt und dann Stellplätze Mangelware sind. Parken außerhalb der markierten Fläche ist immerhin ein Verkehrsverstoß und kostet, wenn man dabei erwischt wird, 15 Euro.

Matthias Schuler vom Ordnungsamt Dorfen sind derzeit keine Forderungen nach einer Spielstraße in der Stadt bekannt. Aber er weiß, dass es ziemlich schwierig ist, eine bestehende Straße in einen verkehrsberuhigten Bereich "umzurüsten". Natürlich würden in einem solchen Fall alle technischen Möglichkeiten geprüft. Dabei stelle sich dann die Frage auf, wer für die Kosten aufkomme. "Sollte es dringend notwendig sein, dann zahlt die Gemeinde". Stehe die absolute Notwendigkeit aber nicht fest, dann könnten unter Umständen die Anwohner zur Kasse gebeten werden.

Kein gutes Beispiel ist für die Polizei die verkehrsberuhigte Zone an der Falkenauer Straße in Erding. Sie sei zu lang und eine Durchfahrtsstraße. Da halte sich niemand an Schrittgeschwindigkeit. (Foto: Renate Schmidt)

Dass Kinder generell mehr Platz zum Spielen haben sollten, da sind sich 79 Prozent in der Umfrage des Deutschen Kinderhilfswerks einig. Gleichzeitig spricht sich in der Umfrage eine Mehrheit für einen autofreien Sonntag einmal im Jahr aus, an dem die Kinder überall in der Stadt und in der Gemeinde auf der Straße spielen können. 57 Prozent finden den Vorschlag gut, 43 Prozent halten nichts davon. "Die Bedingungen für das Spiel von Kindern draußen haben sich in den letzten Jahren drastisch verschlechtert, kritisierte im Rahmen der Umfrage Holger Hofmann, der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerks. "Gerade in Wohngebieten fahren Autos zu schnell und nehmen parkend den Kindern den Platz zum Spielen."

Manchmal nehmen die Anwohner die Dinge selbst in die Hand und hängen oder stellen Schilder "Vorsicht Kinder" und bunte Figuren an den Straßenrand. Diese Maßnahme haben keine rechtliche Bedeutung, sind eigentlich auch nicht gestattet, werden aber geduldet, solange sie nicht den Verkehrsfluss behindern, ist bei Matthias Schuler zu erfahren. Auch Alfons Englmeier sieht die Eigeninitiative im Grunde positiv. Vor allem auswärtige Fahrer könnten durch ein winkendes Kind auf einem Pappschild an mögliche Gefahren hingewiesen und dann den Fuß vom Gas nehmen. Was die Unfallstatistik betrifft, kann Alfons Englmeier beruhigen: So weit er wisse, sei bisher im PI-Bereich in einer verkehrsberuhigten Zone "noch nichts passiert".

© SZ vom 12.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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