Am 10. Dezember 1948 sind die Menschenrechte als weltweites Regelwerk etabliert worden, das mittlerweile von mehr als 147 Staaten anerkannt wird. Jedes Jahr wird an diesem Datum der Internationale Tag der Menschenrechte gefeiert, nicht nur als Anlass, ihre Existenz zu würdigen, sondern auch als Mahnung gegen ihre Verletzungen. Maria Brand, seit 2005 Mitglied bei Amnesty International, setzt sich seit Jahren dafür ein, dass die Welt sich an diese "Spielregeln" hält. Als Amnesty-Mitarbeiterin leistet sie sowohl Beratungsarbeit für Flüchtlinge als auch für Ehrenamtliche und Helfer-Gruppen, unter anderem seit 2011 im Landkreis Erding. Im Gespräch mit der SZ berichtet Brand von ihren persönlichen Erfahrungen und reflektiert über drängende Fragen im Bereich Menschenrechte und Asylberatung.
SZ: Frau Brand, wie haben Sie Ihre Arbeit bei Amnesty begonnen?
Maria Brand: Zu Beginn meiner Rente ergab sich die Möglichkeit, beim Amnesty-Info-Bus für Flüchtlinge mitzuarbeiten. Eine Mitarbeiterin ist damals ausgefallen und ich bin eingesprungen. Der Infobus ist ein gemeinsames Projekt vom Münchner Flüchtlingsrat und Amnesty: Vor der Erstaufnahme in München steht ein kleiner Bus, in dem sich Flüchtlinge beraten lassen können. Wir erklären ihnen, was los ist, worauf sie sich einstellen müssen, was das Asylverfahren bedeutet und so weiter. Und als die Stelle dann neu besetzt wurde, habe ich angefangen, mit Amnesty in der Abschiebehaft für Frauen in München Beratung zu machen.
Wie begannen Sie Ihre Ehrenamtsarbeit für Amnesty im Landkreis Erding?
Als im Dezember 2011 die ersten Flüchtlinge in Erding ankamen, setzte ich meine Arbeit für Amnesty als Asylberaterin im Landkreis fort. Als ich anfangs meine Hilfe anbot, wurde ich zunächst abgewiesen, nach dem Motto: "Nein danke, das machen wir schon alleine." Man wollte keine Einmischung von außen, um die Flüchtlinge zu schützen. Dabei war es gerade im Landkreis Erding wichtig, dass jemand diese Arbeit der Asylberatung machte. In München zum Beispiel war es selbstverständlich, dass die Wohlfahrtsverbände Sozialarbeiter in den Unterkünften hatten, die die Flüchtlinge beraten konnten - so kannte ich das. Ich war dann wirklich entsetzt, dass es im Landkreis Erding niemanden gab, der für die Asylrechtsberatung zuständig war, obwohl das eigentlich das A und O ist. Und dann nach einigen Monaten des Kämpfens und letztendlich, weil ich hinter Amnesty stand, haben sie es mir dann doch erlaubt, mich einzubringen.
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Was ist ein Fall oder eine Situation bei Ihrer Arbeit als Beraterin in der Abschiebehaft, der Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Ich denke zum Beispiel oft an eine irakische Mutter mit zwei Töchtern, 18 und 20 Jahre alt. Sie waren in der Abschiebehaft, weil sie illegal eingereist waren und zunächst nicht geäußert hatten, dass sie Asyl beantragen wollten. Das wurde mangels Dolmetscher nie richtig herübergebracht. Sie kamen dann letztendlich doch raus, aber es war sehr mühsam.
Was sehen Sie momentan als größte Herausforderung im Bereich der Menschenrechtsarbeit?
Was schwieriger wird, ist der öffentliche politische Diskurs, der allmählich auch gefährlich wird. Es wird nicht sensibel vorgegangen und es wird besonders negative Stimmung gemacht. Flüchtlinge zum Beispiel werden nicht mehr als Menschen mit entsprechender traumatischer persönlicher Erfahrung dargestellt, sondern als Gefahr. Die politische öffentliche Sprache ist inzwischen diskriminierend und Hetze. Es fehlt an jeglicher Empathie und an Versuchen, den Menschen hinter dem Flüchtling bewusst zu machen. "Ja, aber" lautet es immer.
Sehen Sie eine Möglichkeit, diese Empathie wieder zu wecken?
Es wäre notwendig, dass wir in den Landkreisen wieder Informationen über Flüchtlinge und vor allem Begegnungen zwischen Flüchtlingen und Einheimischen haben. Das ist unendlich wichtig! Denn vor allem Ängste und Vorurteile müssen abgebaut werden. Was die Politik angeht, bin ich, offen gesagt, ratlos ...
Wie bewerten Sie die aktuelle Lage der Menschenrechte in Deutschland?
Ich denke, im Moment ist man gerade dabei, einiges infrage zu stellen - gleiche Würde, gleiche Rechte und so weiter. Aber bei den Flüchtlingen zum Beispiel gibt es gerade Diskussionen, dass man jetzt ermöglichen möchte, die Sozialleistungen für Flüchtlinge noch mal zu reduzieren. "Sie können ja etwas weniger bekommen", heißt es bei den Diskussionen mit der Bezahlkarte. Es wird jetzt darüber gesprochen, Gesetze zu verabschieden, die vorsagen, dass bei Flüchtlingen ärztlich nur Schmerzbehandlung und Akutbehandlung zuzulassen sind.
Inwiefern werden hier die allgemeinen Menschenrechte nicht eingehalten?
Man darf nicht vergessen: Es gibt ein Recht auf ein Existenzminimum. Und das aus migrationstaktischen Gründen nicht zu gewährleisten, mit dem Gedanken "vielleicht kommen dann weniger Menschen" - das ist inakzeptabel. Ein anderes Beispiel ist das Recht auf Unversehrtheit der Wohnung, das künftig nicht mehr eingehalten wird. Es wurde jetzt festgelegt, dass, wenn die Polizei jemanden in einer Asylunterkunft zur Abschiebung sucht und nicht finden sollte, auch in die anderen Räume eingedrungen werden darf. Traumatisierte Menschen - auch Familien mit Kindern - werden aus dem Schlaf gerissen und nicht selten durch das Auftauchen der Polizei erneut in die belastenden Erfahrungen vor ihrer Flucht zurückversetzt. Das sind Dinge, die aus praktischen Gründen vielleicht erklärbar sind, aber aus meinen Augen menschlich und rechtlich überhaupt nicht in Ordnung sind.
Warum ist Ihrer Meinung nach ein offizieller Menschenrechtstag in diesem Sinne so wichtig?
Die Lage der Flüchtlinge ist momentan sehr schwierig. Es ist wichtig, dass man dem mindestens einmal im Jahr mit einer großen Aktion gerecht wird, um überhaupt darauf aufmerksam zu machen, wie es diesen Menschen geht und wie ihre Rechte auch behindert und eingeschränkt werden. Momentan wird es immer wichtiger, dass klargestellt wird, wie die allgemeine Menschenrechtslage ins Rutschen gerät.
Wie schaffen Sie es, trotz dieser Lage die Hoffnung nicht zu verlieren?
Die Hoffnung an sich ist im Moment sehr gering. Es gibt so viel Wut. Aber ich erinnere mich immer wieder an die Worte einer Kollegin, die auch einmal eine NGO geleitet hat: "Ich höre nicht auf, die Wut macht mich stark." Ich bin sehr beunruhigt und könnte wahrscheinlich nicht zur Ruhe kommen, wenn ich nichts tun würde. Es geht einfach auch nicht, dass wir gerade hier im Landkreis die Menschen so alleine lassen.
Wie wirkt sich die Frustration auf Ihre ehrenamtlichen Kollegen aus?
Viele Menschen hören auf. Zum einen aufgrund der psychischen Belastung und auch aufgrund der Erfahrung, dass vieles, was wir tun, auch "kaputt" gemacht wird. Wenn man zum Beispiel für einen Flüchtling eintritt, ihn begleitet, ihn bei der Integration unterstützt und so weiter, nur um festzustellen, dass er trotzdem abgeschoben wird - das ist natürlich frustrierend. Wir haben sehr viele Ehrenamtliche verloren. Ohne die Ehrenamtlichen wird aber Integration erschwert oder auch nicht gelingen und somit eine bedenkliche Situation herbeigeführt in diesem Land.
Welche Botschaft würden Sie den Leserinnen und Lesern zum Schluss noch mit auf den Weg geben wollen?
Ich weiß, dass es noch viele Ehrenamtliche gibt, die weiterhin mit Überzeugung dabei sind. Es ist nicht nur eine harte Arbeit, sondern auch eine sehr überzeugende Arbeit. Für mich persönlich ist es auch diese Arbeit, bei der ich wieder sehr viel für mich zurückbekomme. Ich denke zum Beispiel an Besuche in den Unterkünften: Wenn ich dort bei der Begegnung mit einem Flüchtling diesen mit seinem Namen anspreche und noch dazu frage: "Wie geht es Ihnen heute?", dann weiß ich: Es ist ein Geschenk für den Betroffenen, dass sich jemand in diesem neuen Land dafür interessiert, wie es ihm geht. Ich kann viel geben, und wenn es nur ein bisschen Zuwendung ist. Also an alle, die Angst haben und sich deshalb nicht engagieren wollen - ich kann nur sagen: Sie können mit wenig Einsatz so viel Positives bewirken und bekommen auch unheimlich viel zurück.