Landkreis:Begehrte Plätze

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Nicht nur wegen der beginnenden Urlaubszeit steigt im Landkreis der Bedarf an Kurzzeitpflege. Auch wenn das Angebot an der Klinik Dorfen als unwirtschaftlich gilt, wird es vorerst erhalten bleiben

Von Sebastian Fischer, Landkreis

Urlaub in Dorfen, das klingt zunächst nicht sehr exklusiv. Doch die Altenpflegerin Freyja Brönnle kann von ganz besonderen Ferien erzählen, mitten in der Stadt. Und zwar von denen einer 80 Jahre alten Frau. Die spielte Bingo, tanzte und sagte nach ein paar Tagen: "Jetzt habe ich keine Angst mehr vor dem Altersheim." Dann verließ sie das Marienstift in Dorfen erst einmal wieder, um daheim zu wohnen.

Für viele Familien ist der Sommerurlaub schwierig, weil sie ihre Angehörigen selbst pflegen. In Bayern werden laut dem Gesundheitsministerium sieben von zehn Pflegebedürftigen zu Hause von den Angehörigen versorgt. Eine Möglichkeit, trotzdem in den Urlaub zu fahren, ist die vorübergehende Unterbringung in einem Pflegeheim. Kurzzeitpflege wird immer bedeutender, um die pflegenden Angehörigen zu entlasten, sagen die Pfleger im Landkreis, etwa Brönnle: "Das ist total wichtig, 24-Stunden-Betreuung durch Angehörige ist unglaublich belastend." Das Problem: Die Plätze sind begehrt und begrenzt.

Die meisten - insgesamt 20 Plätze - gibt es im Landkreis in der Klinik Dorfen. Das Angebot ist dort jedoch umstritten, weil die Betten außerhalb der Ferienmonate oft leer bleiben und die Abteilung zuletzt ein Defizit von 300 000 Euro verursachte. Im März wurde eine Schließung erwogen. Nach SZ-Informationen ist diese Option jedoch vorerst vom Tisch. Auf Nachfrage wollten dies am Montag weder Klinikum noch Landratsamt kommentieren.

Ein entsprechender Entschluss würde den Pflegediensten im Landkreis natürlich entgegenkommen. Im Marienstift Dorfen etwa sind die zwei Kurzzeitpflegebetten den Sommer über belegt. Pichlmayrs Senioren-Zentrum in Erding ist bis Mitte August ausgebucht, aktuell sind dort sechs Menschen in Kurzzeitpflege, sagt Leiterin Gabriele Mundigl. In letzter Zeit würde die Nachfrage steigen, doch zur Aufnahme ist ein gewisser Vorlauf notwendig: "Das tut mir dann sehr leid, aber kurzfristig geht das nicht." Michael Irl vom Christianum Hohenpolding hat auch einen Reservierungsplan: Über Pfingsten waren sieben Gäste in vorübergehender Betreuung, gerade sind es drei und für August schon vier angemeldet. Allerdings wäre es durchaus möglich, spontan zu reagieren, sagt er.

Die Pflegekassen bezuschussen die Kurzzeitpflege für bis zu vier Wochen pro Kalenderjahr mit bis zu 1550 Euro. Doch die kurzen Aufenthalte in Pflegeeinrichtungen häufen sich nicht nur, weil Angehörige sich ihre wohlverdiente Auszeit nehmen wollen. Viele Familien - von den Pflegekassen entsprechend beraten -, würden zunächst eine Kurzzeitpflege in Anspruch nehmen, um das Wohnen im Altersheim auszuprobieren, sagt Mundigl. Zudem würden Krankenhausaufenthalte immer kürzer. Allerdings wären die Patienten nach ihrer Entlassung meist in einem Zustand, der ihnen die Rückkehr in ihr eigenes Heim noch nicht erlaubt - also werden sie zunächst vorübergehend betreut, erklärt Brigitte Schmid, die Leiterin des Senioren-Service-Zentrums Taufkirchen, wo zurzeit fünf Bewohner entsprechend betreut werden - nur einer , weil die Familie im Urlaub ist. "Wir nehmen jeden auf, wenn wir ein Bett frei haben", sagt Schmid. Gerade ist allerdings keines mehr frei.

Insbesondere für die Ferienzeit hätten die meisten Heime gerne Vorlauf. Im Marienstift in Dorfen sind laut Pflegerin Brönnle etwa 70 Prozent der vorübergehend Betreuten "Stammkunden", die in jedem Sommer wiederkommen. Dann wird es schwer, spontane Anfragen zu beantworten: Im Marienstift wird meist auf den ambulanten Dienst oder Heime in der Nachbarschaft verwiesen. Kleinere Heime wie die Senioren-Zentren in Wartenberg und Isen, die gar keine ausgewiesenen Kurzzeitpflegebetten haben, können dabei manchmal kurzfristiger reagieren.

Überall bedeutet die Kurzzeitpflege erhöhte Belastungen für das Personal. Es bräuchte eigentlich vier Wochen, sagt Mundigl, bis sich Pfleger und Gäste aneinander gewöhnen, gerade bei Demenzkranken sei das schwer. Deshalb beträgt in Erding die Mindestverweildauer zehn Tage. In anderen Heimen ist auch die Betreuung für ein Wochenende möglich. Um das Kennenlernen zu beschleunigen, füllen die Senioren vor dem Einzug Fragebögen aus, auf denen sie ihre Interessen angeben können - etwa Bingo und Tanzen, wie bei der Frau, die das Marienstift in Dorfen nach einer Woche wieder verließ: gut erholt.

© SZ vom 21.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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