Landesbund für Vogelschutz:Volkszählung im Garten

Lesezeit: 3 min

Wer einen Futterspender in seinem Garten installiert hat, hat damit auch gute Voraussetzungen für die Vogelzählung geschaffen. (Foto: Christian Endt)

Die "Stunde der Wintervögel" ist die größte wissenschaftliche Mitmachaktion Deutschlands und liefert Erkenntnisse über die Bestände der verschiedenen Vogelarten

Von Edgars Opulskis, Erding

Das erste Januarwochenende sollten sich Vogelfreunde vormerken. Der Landesbund für Vogelschutz (LBV) und der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) rufen unter dem Titel "Stunde der Wintervögel" wieder zur Vogelzählung auf. Die größte wissenschaftliche Mitmachaktion Deutschlands soll Erkenntnisse über die Bestände liefern. Im Abgleich mit den Daten aus früheren Jahren entsteht so ein Bild über schleichende Veränderungen in der Vogelwelt, die von zahlreichen Faktoren ausgelöst werden.

Zum Beispiel tragen Bäume, Sträucher und Büsche in diesem Jahr besonders viele Früchte. Dafür hat der Hitzesommer gesorgt. Aber auch wegen des bislang warmen Winterwetters finden Zugvögel mehr Nahrung als sonst. Deswegen können zum Beispiel das Rotkehlchen oder der Star auf die riskante Reise in den Süden verzichten. Eventuell kommen dafür Gäste aus Skandinavien an. Denn wenn dort plötzlich ein sehr kalter Winter ausbricht, fliegen Erlen- oder Birkenzeisige gerne zu uns zum Überwintern.

Diese Saison sollte der Erdinger Stadtpark für Vögel sehr anziehend sein. "Im Rahmen der Stadtparksanierung haben wir uns um Nisthilfe besonders bemüht", sagt Wolfgang Behn von der LBV- Kreisgruppe Erding. Auf eine Vogelart werde er besonders achten: "Mir persönlich fehlt der Spatz. Den habe ich heuer noch gar nicht gesichtet." Der Haussperling wird immer seltener heimisch in unseren Städten und Dörfern, weil er dort keine Zuflucht mehr findet. "Die meiste Zeit verbringt er in Tagesverstecken, wie zum Beispiel in dichten Hecken. Er kommt nur raus, wenn er sich Nahrung sucht", erklärt Matthias Luy, Leiter der Geschäftsstelle des LBV in Oberbayern. Doch dichte Hecken passen häufig nicht ins Idealbild des makellosen Gartens. Und in den glatten Fassaden moderner Architektur fehlen Mauerhöhlen als mögliche Brutplätze.

Pestizide aus der Landwirtschaft wie Glyphosat machen den Vögeln zusätzlich das Leben schwer. Sie verhindern, dass sich Ackerwildkräuter verbreiten. Ohne die gibt es aber keine Pflanzensamen und auch keine Insekten, von denen sich Vögel ernähren. Durch die Dürre des heißen Sommers 2018 sind zudem die Böden härter und trockener geworden. Schnecken und Würmer - eine weitere Futterquelle - haben sich zurückgezogen.

Der gefährlichste Schädling für Vögel ist also der Mensch. Erst dann kommt der Usutu-Virus, der in diesem Jahr in Bayern ausgebrochen ist. "Speziell die Amsel reagiert sehr empfindlich auf diesen Erreger", sagt der Diplombiologe Luy. Im Frühjahr 2017 war die Amsel hinter dem Feldsperling noch der meistgesehene Vogel. Dann sank die Anzahl im Landkreis Erding von fünf Sichtungen pro Garten auf 3,3. Bei der letzten Zählung landete die Amsel nur noch auf Platz fünf hinter der Blaumeise.

Der bislang am häufigsten beobachtete Vogel ist der Feldsperling. Aber auch ihm begegnet man immer seltener. Im Jahr 2015 wurde er bei einer Zählung durchschnittlich zehn Mal gesichtet. Ein Jahr später waren es 9,4, wieder ein Jahr später 8,6 Sichtungen pro Garten. Bei der letzten Zählung Anfang 2018 waren es nur noch acht. Das reichte aber immer noch zum Spitzenplatz unter allen Gartenvögeln.

Doch auch bei den Vogelzählern war zuletzt einen Rückgang zu beklagen: Bei der letzten Zählung haben insgesamt 434 Erdinger mitgemacht, im Jahr zuvor waren es mit 497 Teilnehmern deutlich mehr. Der LBV hofft nun auf einen Aufschwung mit mehr als 500 Anmeldungen für die "Stunde der Wintervögel". Teilnehmen kann jeder und die Regeln sind einfach: An einem der Tage des ersten Januarwochenendes, von Freitag bis Sonntag, 4. bis 6. Januar, setzt man sich gemütlich auf eine Bank im Park oder im eigenen Garten und notiert genau eine Stunde lang alle Vögel, die man sieht. Die Daten gibt man online in einem Formular ein oder schickt sie per Post an den LBV. Auf www.stunde-der-wintervoegel.de können Vogelfreunde sich anmelden und vorbereiten.

Auch wer nicht an der Zählung teilnimmt, kann mit einfachen Mitteln etwas für die Vögel zu tun. Statt Vogelhäusern, wo die Tiere Kot hinterlassen und sich mit Keimen infizieren können, empfiehlt der LBV Futtersäulen. Was den Garten angeht, ist es am besten, ihn möglichst natürlich belassen. "Vögel brauchen Wärme und Nahrung, die sich unter dem Laub befindet", sagt Luy. Vielleicht sollte man im nächsten Herbst also einfach mal den Rechen stehen lassen. Wärme und Nahrung brauchen im Winter schließlich alle.

© SZ vom 03.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: