Kommentar:Kritik muss erlaubt sein

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Nicht jeder ist begeistert über die Pläne für das Kunst- und Begegnungshaus am Museum Franz Xaver Stahl. Und dafür gibt es gute Gründe.

Von Antonia Steiger

Wer sich in Erding gegen Pläne für ein Upgrade des Museums Franz Xaver Stahl stellt, der bekommt ganz sicher eins aufs Haupt. Erfahren durfte das am Dienstag der Freie Wähler-Sprecher Hans Fehlberger, der ein Kunst- und Begegnungshaus in Kombination mit einem Depot für Stahls und die Bilder anderer Maler angesichts schwindender Steuereinnahmen nicht als zwingend erforderlich erachtete. Er schlug als Alternative vor, die Bilder an anderer Stelle sachgerecht zu lagern. Erdings OB Max Gotz (CSU) fand das "erschreckend" und witterte eine "Ohrfeige für die, die in dem Museum arbeiten".

Tatsächlich sollte es aber doch möglich sein, dass Stadträte eine von der des Oberbürgermeisters, der Verwaltung und anderer Parteien divergierende Auffassung vertreten, wofür Steuergelder verwendet werden sollen, und zwar ohne dass sie sich gleich als "populistisch" beschimpfen lassen müssen, wie das Burkhard Köppen (CSU) getan hatte. Populistisch ist zu einem wirklich üblen Schimpfwort geworden, seitdem Populisten auf der ganzen Welt demokratische Institutionen aus den Angeln zu heben versuchen. Wenn irgendetwas populistisch ist, dann nicht dass Fehlberger seine eigene Auffassung vertreten hat, sondern dass er sich dafür auf diese Weise attackieren lassen muss.

Er ist auch nicht der einzige, der einen etwas weniger euphorischen Umgang mit diesem Erbe der Stadt Erding für durchaus denkbar oder wünschenswert hält. Stahl war NSDAP-Mitglied und ist, so weit sich das bislang beurteilen lässt, in die Partei eingetreten, weil er nur unter diesen Bedingungen die Tiermal-Klasse an der Kunstakademie München übernehmen durfte. Eines ist sicher: Nicht jeder hat sich dieser Art von politischem Druck gebeugt, Stahl hatte den Aufnahmeantrag 1939 gestellt. Er hat eine Unmenge von Tierbilder gemalt, NS-Größen kauften sie, auch Hitler hat eines erworben, die "Weidenden Kühe". Bei den Entnazifizierungsprozessen wurde Stahl als Mitläufer eingestuft. 1200 seiner Exponate sind nun im Besitz der Stadt Erding, weil Stahls Witwe Haus und Werk der Stadt vermacht hat. Für das künftige Kunst- und Begegnungshaus gibt es bereits ein Konzept mit "sehr viel Pädagogik", wie Helga Stieglmeier (Grüne) sagte, der das alles gut gefiel. Bleibt nur zu hoffen, dass auch das Leben des Künstlers während der Zeit des Nationalsozialismus eine didaktische Einordnung erfährt.

© SZ vom 26.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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