Mitten in Erding:Es weihnachtet sehr

Lesezeit: 1 min

Die Stadt Erding sucht ein Christkind, die möglichen Darsteller aber liegen aktuell wohl eher am Badesee.

Kolumne von Gerhard Wilhelm

Fußball-Kaiser Franz Beckenbauer hat viele weise Sätze von sich gegeben. Oder Fragen gestellt, wie: "Ja, ist denn heut' scho Weihnachten?" Normalerweise stellt man sich diese Frage auch, wenn im September in den Supermärkten die ersten Lebkuchen und Spekulatius auftauchen - falls sie jemals wirklich aus den Regalen verschwunden waren. Weihnachtsgebäck in gehäufter Form ist bis jetzt aber noch nicht gesichtet worden im Landkreis, höchstens der eine oder andere Stollen.

Dafür ist jetzt die Stadt Erding voran geprescht. Freitag, 8. September, 10 Uhr, nur ein paar Tage nach dem meteorologischen Herbstanfang, zwei Wochen vor dem kalendarischen. Herrliches Wetter, 22 Grad. Sommer eben. Und die Stadt gibt bekannt, dass sie ein Christkind sucht. Also so eines mit goldenem, welligem Haar, einer Robe und vielleicht sogar einer Krone auf dem Kopf - letzteres ist noch offen. Während im Freien die Leute im T-Shirt und Sandalen herumlaufen. Der geistige Schwenk auf weiße Weihnachten will nicht so recht gelingen, zumal, wenn zu hören ist, dass das Christkind für seinen Job warme Winterstiefel bekommt.

Bleibt zu hoffen, dass sich genügend potenzielle Christkinder finden, die nun schwitzend am See den Text formulieren, warum ausgerechnet sie zusammen mit dem OB den Christkindlmarkt eröffnen sollen. Und nicht in ihren Gedanken abschweifen, warum keine Bierkönigin oder Kürbis-Queen gesucht wird. Irgendetwas mit coolem Outfit und Party. Das Christkind ist ja eher eine Märchenfigur, der Coolness-Faktor gering. Laut Studien halten Kinder bis maximal zum neunten Lebensjahr magische Geschichten für glaubhaft. Wie lange ein Kind die Geschichte über das Christkind für wahr hält, ist unterschiedlich. Manche wollen schon in der ersten Klasse nicht mehr daran glauben.

Der Hintergrund der Aktion ist aus Marketingsicht nachvollziehbar. So ein Christkind zieht Kinder an. Und wo Kinder sind, sind in der Regel Eltern, zumindest ein Elternteil, denn die Kids müssen ja irgendwie zum Christkindlmarkt kommen. Und wenn sie dann schon mal da sind, wird bestimmt auch ein Glühwein getrunken und etwas gegessen. Wenn es mit dem Klimawandel so weiter geht, wird das Christkind allerdings bald eher Sandalen und ein Sommerkleid tragen. Würde auch zum historischen Hintergrund passen. Im Dezember werden in Israel Temperaturen von 20 bis 23 Grad Celsius erreicht. Im Süden sogar bis 30 Grad.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Newsletter abonnieren
:Alles Liebe-Newsletter

Geschichten über das schönste Gefühl der Welt: Jeden Sonntagmorgen wünscht das SZ-Magazin seinen Leserinnen und Lesern ,Alles Liebe'. Kostenlos anmelden.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: