Klinik Wartenberg:Neuland auf der Station

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An der Klinik Wartenberg gibt es jetzt zwei speziell ausgebildete Demenzbeauftragte. Sie wollen die Patienten besser betreuen - und die Mitarbeiter stärker sensibilisieren

Von Gerhard Wilhelm, Wartenberg

Die gute medizinische Versorgung und eine gesündere Lebensweise lässt immer mehr Menschen immer älter werden. Doch mit steigender Lebenserwartung erhöht sich auch das Risiko, an Alzheimer-Demenz zu erkranken. Das hat auch Auswirkungen auf eine Reha-Klinik wie in Wartenberg, wo das Durchschnittsalter der Patienten bei über 80 Jahren liegt. Die Patienten werden pflegebedürftiger und haben immer häufiger die Nebendiagnose Demenz. Das hat die Gesundheits- und Krankenpflegerin Steffi Hunger und die Ergotherapeutin Christina Sievers bewogen, einen Weg zu suchen, die Versorgung und Therapie der Patienten mit demenziellen Einschränkungen in der Klinik zu verbessern. Sie haben deswegen eine Fortbildung zu Demenzbeauftragten absolviert.

Steffi Hunger und Christina Sievers wussten schon früh, dass sie mal einen Beruf im sozialen Bereich, im Gesundheitswesen ergreifen wollen. "Da war mir schon mit zwölf Jahren klar", sagt die 48-jährige Steffi Hunger, die seit 1991 an der Klinik arbeitet. Bei Christina Sievers, 49, waren es Ausbildungsunterlagen ihrer Mutter, die sie fand und "total interessiert" las und deshalb in der vierten Klasse beschloss, in die Krankenpflege zu gehen. Heute leitet sie die Abteilung Ergotherapie, die sie 1989 selbst an der Klinik aufbaute. "Je mehr Verantwortung man mit der Zeit übernimmt, umso mehr sieht man, wo man etwas ändern muss", sagt Steffi Hunger, die die Station 3 an der Klinik leitet. "Im Krankenhaus muss sich ein Patient an die Gegebenheiten und Abläufe des Krankenhauses anpassen, das ist für einen Menschen mit Demenz nicht möglich. Die Patienten werden in die Klinik gebracht, waren oft schon vorher in einem Akutkrankenhaus, sie wissen nicht, wo sie sind oder warum sie hier sind. Das bedeutet einen Verlust der gewohnten Umgebung und der vertrauten Bezugspersonen." Aber auch für das Personal zusätzliche Belastung, da sie in der Regel wenig über den Patienten wissen und der Umgang mit dementen Menschen eine Herausforderung für Angehörige und Personal ist.

Alle Informationen über ihn, zum Beispiel Kosenamen, was er gerne isst, trink, wichtige Ereignisse aus seinem Leben, sind wichtig, um jemanden, der an Demenz erkrankt ist, individuell helfen zu können, sagt Sievers. Eine ihrer ersten Aufgaben wird sein - mit ihrer neuen "Arbeit" an der Klinik begannen sie erst vor rund einem Monat - Fragebögen zu erarbeiten, die von der überstellenden Klinik oder Angehörigen ausgefüllt werden sollten, um die wichtigsten Punkte abzufragen. Sie betreten dabei gewissermaßen Neuland. Die Ausbildung zum Demenzbeauftragten gibt es erst seit rund fünf Jahren, sagt die Ergotherapeutin. Deshalb gibt es die Stelle erst an wenigen Kliniken.

"Menschen ohne Demenz können sich wehren, wenn ihnen was nicht gefällt, sie was nicht mögen. Demenzerkrankte nicht. Patienten mit Demenz soll mit Respekt und Achtung begegnet werden und nicht wie ein unmündiges Kind behandelt werden", sagt Christina Sievers. Man müsse sich völlig auf sie einstellen - was umgekehrt nicht möglich sei. Eine wichtige Aufgabe des Demenzbeauftragten sei deshalb auch, die Mitarbeiter für das Thema Demenz zu sensibilisieren, sagt Steffi Hunger; zum Beispiel durch Schulung von Kollegen im Umgang mit demenzerkrankten Patienten. Aber die beiden wollen noch mehr erreichen, unter anderem die Ablauforganisation in Bezug auf den Klinikaufenthalt demenzerkrankter Patienten verbessern. Faktoren, die den Patienten eventuell stören und somit eine stressfreie Pflege erschweren, sollen erkannt und beseitigt werden, wenn nötigt durch die Umgestaltung der Umgebung (Zimmer, Station). Christina Sievers denkt auch darüber nach, wie das sehr offene Klinikgelände teilweise so umgestalten werden kann, dass der Bewegungsdrang vieler Demenzerkrankter nicht zu sehr eingeengt wird.

"Wichtig ist vor allem viel Geduld und Empathie für die Patienten, körperliche und seelische Stabilität. Gebraucht wird eine positive Einstellung zur Arbeit mit pflegebedürftigen alten Patienten, Vertrauenswürdigkeit, Initiative und Einsatzbereitschaft, Organisationsfähigkeit, Kreativität und die Fähigkeit Verantwortung wahrzunehmen", darin sind sich beide einig. Ihnen gehe es darum, das Verständnis des gesamten Personals für die an Demenz erkrankten Patienten zu fördern und eine Umgebung zu schaffen, die die Orientierung für die Patienten verbessert, ihnen Sicherheit und Geborgenheit vermittelt und ihre Aktivität fördert. "Das Schönste dabei ist, wenn man merkt, dass das, was man macht, dann auch funktioniert", sagt Steffi Hunger.

© SZ vom 08.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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