Jahresrückblick:Gekündigt und gedeckelt

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Der skandalöse Umgang mit Frauenhaus und Interventionsstelle

Von Florian Tempel, Erding

Im Februar kündigt Landrat Martin Bayerstorfer in einem Alleingang dem langjährigen Betreiber des Frauenhauses Erding. Der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) München ist seiner Ansicht nach unverhältnismäßig teuer. Bayerstorfer will die Kosten von 160 000 Euro auf 100 000 Euro drücken. Er verweist auf das Freisinger Frauenhaus, das tatsächlich mit weniger Geld auskommt. Deshalb hat sich auch der Landkreis Freising aus einer Finanzierungsvereinbarung mit Erding und Ebersberg - zu dritt finanzierte man zwei Häuser - zurückgezogen. Dass in Erding vor allem die Personalkosten viel höher sind als in Freising, weil hier langjährige Mitarbeiterinnen laut Tarifvertrag entsprechend höher entlohnt werden, interessiert Bayerstorfer nicht. Auch nicht, dass das Erdinger Frauenhaus im Vergleich mit anderen Frauenhäusern - außer Freising - überhaupt nicht besonders teuer ist. Die Kündigung wird jedoch fortan mit angeblichen rechtlichen Zwängen rechtfertigt. Die kruden Behauptungen laufen darauf hinaus, dass der Erdinger Landrat gewissermaßen durch den Freisinger Kreistag zur Kündigung gezwungen worden wäre.

Der Protest gegen die Kündigung des SkF ist massiv. Bayerstorfer reagiert in der Kreistagssitzung im Juli mit herben Gegenangriffen, die niemand für möglich gehalten hätte. Er beleidigt das Team der Ehrenamtlichen des Frauenhauses, rückt den SkF in ein ungutes Licht, in dem er ihm einen angeblich intransparenten Umgang mit Spenden vorwirft, und greift sogar das Erzbistum München-Freising an. Das tut er, als er in seiner Rage selbst den Zusammenhang zwischen der Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt und dem Frauenhaus herstellt. Die Interventionsstelle hält er noch mehr als das Frauenhaus für zu teuer. Dabei hat das Erzbistum die Interventionsstelle in der ersten zwei Jahren voll bezahlt, bevor der Landkreis seit 2010 die Kosten zum größten Teil übernahm. Nun aber sagt Bayerstorfer: "Die Erzdiözese hat sich schlichtweg verabschiedet. Das ist nichtbesonders partnerschaftlich von einer Institution, der wir schon erhebliche Beträge überwiesen haben."

Ein neuer Träger für Frauenhaus und Interventionsstelle wird per Ausschreibung gesucht. Um den SkF von vornherein auszuschließen, wird die Kostenerstattung vorab auf 120 000 Euro gedeckelt. Für den SkF ist das unmöglich, andere Wohlfahrtsverbände, die Frauenhäuser andernorts betreiben, legen keine Angeboten vor. Der Kreisverband des Roten Kreuzes, dessen Vorsitzender bis April Erdings OB Max Gotz war und seitdem der Taufkirchener Bürgermeister Franz Hofstetter ist (beide CSU), ist schließlich der einzige Bieter und erhält den Zuschlag.

© SZ vom 29.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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