Jahresbilanz am Amtsgericht:Es wird gestritten wie nie zuvor

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Als neue Richterin stellte Amtsgerichtsdirektorin Ingrid Kaps (rechts) Antonia Heitmann-Gordon vor. Sie ist seit 1. Februar für Zivilverfahren zuständig. (Foto: Gerhard Wilhelm/oh)

Die Zahl der Zivilverfahren steigt um 34 Prozent, das liegt an Probleme im Flugverkehr. Auch Abschiebungen belasten die Richter - auch emotional

Von Gerhard Wilhelm, Erding

"Und jedes Jahr grüßt das Murmeltier." So zumindest kommt sich die Direktorin des Erdinger Amtsgerichts, Ingrid Kaps, vor, wenn sie zur Jahrespressekonferenz einlädt, denn was sie zu berichten hat, gleicht sich von Jahr zu Jahr. Auch im vergangenen Jahr sind die Fallzahlen vor allem im Zivilrecht stark angestiegen: um 34 Prozent im Vergleich zu 2017. Und heuer sieht es nicht besser aus. Im Gegenteil: Das Wachstum geht laut Kaps "ungebremst weiter". In den ersten beiden Monaten hat es genau so viele Zivilverfahren gegeben wie bis Mitte April 2018. Hauptgrund sind die zunehmenden Klagen wegen Flugausfällen oder -verspätungen, da der Flughafen München in die Gerichtsbarkeit Erdings fällt. Zum Glück, so Kaps, sei die frei gewordene Stelle von Andreas Tietz nahtlos seit 1. Februar mit Richterin Antonia Heitmann-Gordon besetzt worden.

Trotz der ständig steigenden Arbeitsbelastung kann Ingrid Kaps über die Mitarbeiter nur Gutes berichten: "Die Qualität und Schnelligkeit bei der Arbeit ist über dem Landesdurchschnitt." Ein möglicher "Vorteil" sei, ohne das Arbeitspensum der älteren Kollegen zu mindern, dass 60 Prozent der Richter am Amtsgericht zwischen 27 und 35 Jahre alt und alle hoch motiviert seien. Auch in allen Bereichen am Amtsgericht - von der Geschäftsstelle bis hin zum Sicherheitspersonal - überwiegen Frauen mit 76 Prozent. So dringend neues Personal angesichts steigender Fallzahlen ist, so dringend würde das Gericht auch mehr Räume benötigen. Laut Kaps ist das Problem bekannt, aber derzeit sei noch keine Lösung im Sicht. Die Auswirkungen könne man daran sehen, dass sich inzwischen zwei Richter ein Zimmer teilten.

Internetportale erleicherten Klagen.

Ein "Schock" waren für Kaps die Zahlen im Zivilbereich. 5875 mal wurde vor allem mit Fluggesellschaften gestritten - nach 4359 Fällen 2017. Vor allem Internetportale würden es leichter machen, wegen Verspätungen oder Flugausfällen zu klagen. Einige Anwaltskanzleien würden sogar ihr Personal aufstocken. Dass die europäische Flugsicherung Eurocontrol auch für heuer und die kommenden Jahre deutlich mehr Verspätungen im Luftverkehr befürchtet, sieht sie mit Bangen.

Auch im Bereich Abschiebehaft sei die Raumnot ein Problem, sagt Kaps. In den kleineren Räumen seien Richter, Polizei und möglicherweise Abzuschiebende sehr nah aufeinander, was bei diesen "sehr emotionalen, schwierigen Verfahren" - auch für das Personal - bei Ausrastern der Betroffenen schnell zur Gefährdung der Richter führen könne. Eine gewisse Verbesserung habe das Ausweichen auf einen größeren Sitzungssaal gebracht, sagte die Direktorin. Nach einem Vorfall im Gericht mit einem abgelehnten Asylbewerber sei man zudem übergegangen, die Betroffenen nur noch in Handschellen hinter dem Körper vorzuführen, während sie zum Transport ins Gericht vorne gefesselt seien. Die Zahl der Abschiebeverfahren ist zudem massiv angestiegen: von 84 im Jahr 2017 auf 250 im vergangenen Jahr. Auch bedingt durch den nahen Flughafen München.

Leichter Rückgangbei den Straftaten

Neben den zwei großen "Baustellen" Zivil- und Abschiebeverfahren halten sich nach Ingrid Kaps die anderen Bereiche auf einem "hohen Niveau". So stieg die Zahl der Nachlassangelegenheiten von 3559 auf 3623, im Bereich Grundbuch von 10 649 im Jahr 2017 auf 11 087 im vergangenen Jahr, während im Bereich Straftaten ein kleiner Rückgang von 1112 auf 1011 zu verzeichnen ist. Viel Arbeit haben auch die vier Richter im Bereich Familien. 1208 Fälle landeten am Amtsgericht 2018, 141 mehr als im Vorjahr. Und es wird inzwischen immer öfters "teilweise heftig gestritten".

Antonia Heitmann-Gordon ist seit 1. Februar im Team der zehn Zivilrichter. Die 27-Jährige wurde in Kiel geboren und wohnt seit ihrem zweiten Lebensjahr in Bayern - derzeit noch in Pfaffenhofen an der Ilm, aber der Umzug nach Erding oder Umgebung sei beschlossen Sache, sagt sie. Erst im November schloss sie ihr Rechtsreferendariat ab. Während ihres Studiums verbrachte sie auch eine Zeit bei der Staatsanwaltschaft in Kopenhagen, wo sie sich mit internationaler Wirtschaftskriminalität beschäftigte. In der Freizeit spielt sie derzeit noch Handball beim MTV Pfaffenhofen auf einem recht hohen Niveau: Landesliga.

© SZ vom 08.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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