Im Freisinger Rathaus:"Einiges schiefgelaufen"

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Mitarbeiterin der Stadt Freising erhebt massive Vorwürfe gegen Arbeitgeber. Vor Gericht kommt es zu einem Vergleich

Von Alexander Kappen, Freising

Dass in der Freisinger Stadtverwaltung offenbar einiges im Argen liegt, ist seit Längerem bekannt. So übte die Vorsitzende des Personalrats, Monika Zauner, im Frühjahr Kritik an den Arbeitsbedingungen im Rathaus und thematisierte Probleme im Umgang der Mitarbeiter untereinander. Jetzt ist der Fall einer Angestellten vor dem Münchner Arbeitsgericht gelandet. Die Mitarbeiterin der Verkehrsüberwachung hatte die Stadt auf Gewährung einer Vollzeitstelle verklagt, die ihr unrechtmäßig verwehrt worden sei. Zudem äußerte sie Mobbingvorwürfe und forderte als Schadenersatz und Schmerzensgeld insgesamt rund 67 000 Euro. Bei einem Gütetermin in Freising schlossen die beiden Parteien am Mittwoch nun einen Vergleich.

Der Anwalt der Klägerin bezeichnete das Verhalten der Stadt als "Schweinerei" und verlangte "ein deutliches Zeichen, dass hier Scheiße gebaut wurde". Ganz so drastisch wollte es der Vorsitzende Richter nicht formulieren. Aber auch er sagte: "Wenn nur die Hälfte von dem stimmt, was in der Klageschrift steht, dann ist da schon einiges schiefgelaufen." Selten stimme alles in einer Anklage - aber eben auch selten gar nichts davon. Wenn es zu einem weiteren Gerichtstermin kommen sollte, "dann ist diese Geschichte durchaus geeignet, dass beim nächsten Mal der Oberbürgermeister hier sitzen sollte". Zur Güteverhandlung war die Leiterin des städtischen Referats für Rechtsangelegenheiten alleine erschienen. Sie hat nun bis 11. September Zeit, um zu klären, ob die Stadt den Vergleich annimmt oder widerruft.

Der Vergleich sieht vor, dass die Klägerin, die derzeit 25 Stunden pro Woche arbeitet, von 1. November an eine Vollzeitstelle mit 39 Wochenstunden bekommt. Zudem soll der Personalrat einen unabhängigen Mediator bestimmen, der mit den Beteiligten die Probleme aufarbeitet und eine Basis für die Zusammenarbeit in der Zukunft schafft. Dabei soll insbesondere auf die Mobbingvorwürfe eingegangen werden. Außerdem zahlt die Stadt an die Klägerin 20 000 Euro Schadenersatz. Mit diesem Betrag sind alle Ansprüche abgegolten. "Das ist dann ein Paket für alles", formulierte es der Anwalt der Klägerin.

Die Mitarbeiterin der Verkehrsüberwachung hatte Verstöße gegen das Teilzeit- und Befristungsgesetz geltend gemacht. Zudem sah sie eine Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte sowie der Fürsorgepflicht der Stadt ihr gegenüber. Der Katalog war lang. In der Anklageschrift wurde moniert, dass die Leistung und das Verhalten der Klägerin gegen deren Willen von ihren Kollegen beobachtet wurde. Sie sei seit Jahren bei Stellenausschreibungen nicht berücksichtigt worden. Im Sommer und Dezember 2018 verweigerte der Personalrat die Besetzung von ausgeschriebenen Vollzeitstellen durch andere Kandidaten, da die Klägerin sich ebenfalls beworben und nicht zum Zug gekommen war. Bei der Durchführung ihrer Tätigkeiten habe die Klägerin eine "schikanöse Ungleichbehandlung" erfahren, etwa was die Einteilung der Touren, das Gewähren von Arbeitskleidung und die Bewertung ihrer Leistungen anbelangt. Es habe Schikanen und Drohungen gegeben. Die Klägerin sei in der Arbeit ausgegrenzt und beleidigt worden, zudem sei üble Nachrede über sie verbreitet worden. Von ihren Vorgesetzten habe sie sich anschreien lassen müssen.

Vorwürfe gab es auch in Richtung des Oberbürgermeisters. Dem sei ein Schreiben mit der Forderung nach einer Vollzeitstelle und Schadenersatz persönlich per Einschreiben-Rückschein geschickt worden, doch man habe keine Reaktion erhalten. Es sei dokumentiert, dass der OB sich um "Mobbing-Beschwerden überhaupt nicht schert und seiner Fürsorgepflicht als oberster Verantwortlicher der Stadt nicht nachkommt". Die Juristin der Stadt, die den Job erst seit 1. Februar bekleidet und als Referatsleiterin auch "Dienstvorgesetzte der Klägerin" ist, wie sie sagte, schlug versöhnliche Töne an. Sie wolle vermeiden, dass die Klägerin "weiterhin unter so einer Belastung" stehe. "Ich war nicht dabei und weiß nicht, was gelaufen ist, aber ich sehe, dass die Klägerin das sehr mitnimmt - so geht es nicht weiter." Sie schlug selbst eine Mediation vor, um das Geschehene aufzuarbeiten "und in was Neues aufzubrechen".

© SZ vom 22.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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