Handwerk:Azubi für einen Tag

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Schüler Stefan König ist für einen Tag Azubi als Konstruktionsmechaniker bei der Firma Huber Technik. In der Blechabteilung betreut ihn Metallarbeiterin Daniela Bita. (Foto: Renate Schmidt)

32 Erdinger Betriebe beteiligen sich an der Aktion "Ein Tag Azubi". Auch das Unternehmen Huber Technik öffnet seine Türen für Jugendliche, die die Schulbank drücken, aber vielleicht bald ein Handwerk erlernen.

Von Simon Kienzl, Erding

"Es ist schön, Jugendliche hier zu haben, die schon was vom Handwerk verstehen." Das sagt Michael Langer, der Azubi-Ausbildungsleiter beim Erdinger Unternehmen Huber-Technik. Die drei Jugendlichen, die gerade an einer Werkbank stehen, sind keine regulären Auszubildenden des Unternehmens, sondern erhalten am Aktionstag "Ein Tag Azubi" Einblick in den Betrieb. Schnupper-Azubis sozusagen. Ihr Tag begann um sieben Uhr. Bis 15.30 Uhr lernen sie die verschiedenen Fertigungsbereiche des Betriebs kennen, der neben Gummierzeugnissen vor allem Fördersysteme wie Fließbänder plant und baut. Beim Pressetermin um 11 Uhr scheinen sich die Probe-Azubis schon sehr wohlzufühlen hier inmitten der Fertigungshalle, feilen an einem Werkstück, eine Mitarbeiterin verteilt Bonbons und einer der Azubis ruft: "Ja gern! Krieg ich auch noch eins!"

Mit dabei bei einer kurzen Führung und Vorstellung des Projekts ist auch Veronika Kamm, die das Unternehmen seit einigen Jahren gemeinsam mit ihren Eltern und ihrer Schwester leitet, sowie Anja Sperr von der Industrie- und Handelskammer München (IHK). Organisiert wird die Aktion "Ein Tag Azubi" nämlich von der IHK zusammen mit den Wirtschaftsjunioren. Sie findet nach einem ersten Probelauf 2022 in diesem Jahr zum zweiten Mal statt. Die Schülerinnen und Schüler konnten sich über ein Portal mit Angaben zu ihren fachlichen Interessen anmelden. Dann wurde ihnen durch ein algorithmusbasiertes Matching-System ein zu ihrem Profil passender Ausbildungsberuf vorgeschlagen. Diesen können sie dann zusammen mit den derzeitigen Azubis des Unternehmens einen Tag lang kennenlernen.

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Die drei Schnupper-Azubis bei Huber Technik scheinen jedenfalls schon relativ entschlossen, was ihre Berufswahl betrifft: "Für mich steht bereits fest, dass ich den handwerklichen Weg einschlagen will." Und ein anderer der Teilnehmer führt aus: "Ich bin in einer Handwerkerfamilie aufgewachsen, mein Opa, mein Papa, und ich möchte auch im handwerklichen Bereich arbeiten." Die Schüler beteiligen sich freiwillig am schulfreien Buß- und Bettag an dieser Aktion.

Veronika Kamm hebt hervor: "Die Aktion ist eine schöne Gelegenheit, um fürs Handwerk zu begeistern. Der Trend geht ja schon seit Langem in eine andere Richtung." Weg vom Handwerk und Ausbildungsberufen. Tatsächlich blieben in diesem Ausbildungsjahr in Erding zahlreiche Azubi-Stellen unbesetzt. Aber durch Aktionen wie heute, könne man aufzeigen, wie viele Ausbildungsberufe und Betriebe es gibt und welche Möglichkeiten etwa das Handwerk bietet, so Veronika Kamm. Allein in Erding nehmen 32 Unternehmen teil, in denen 64 Schülerinnen und Schüler mitarbeiten. Man habe noch einmal kräftig die Werbetrommel gerührt, so Anja Sperr vom IHK und dadurch viele Betriebe für das Projekt gewinnen können. In ganz Oberbayern sind es sogar 723 Schülerinnen und Schüler, die in 400 Unternehmen Einblicke in verschiedenste Ausbildungsberufe erhalten.

Ausbildungsleiter Michael Langer blickt in der Blechabteilung Samuel Hofstätter über die Schulter. (Foto: Renate Schmidt)
Ein Blick in die Produktionshalle der Fördersysteme von Huber Technik. (Foto: Renate Schmidt)

Regulär sind neben den hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei Huber Technik gerade auch sieben Azubis beschäftigt. "Es waren schon einmal deutlich mehr Azubis bei uns. Auch wenn es momentan vor allem daran liegt, dass im zweiten Lehrjahr bis auf einen alle aufgehört haben", sagt Veronika Kamm. Immer häufiger würden Azubis auch nach einem Jahr Ausbildung noch abbrechen. Sie betont, dass es sicher Unterschiede gebe zwischen den Generationen. Auch wenn es zum Beispiel bei jungen Mitarbeitern heute dann vielleicht mal heißen kann: "Überstunden? Ich brauch' genug Me-Time beziehungsweise Zeit für mich!", dann kann Kamm das verstehen. Es sei vor allem wichtig ist, nicht zu generalisieren und eben nicht zu sagen, in der jungen Generation seien "alle fauler und so weiter". Denn wenn nicht alles so sei wie früher und ein Umdenken stattfinde, so müsse man sich darauf einstellen: "Es hilft nicht, einfach darüber zu schimpfen."

Über einen Wandel in einem gewissen Bereich würde sich die junge Unternehmerin auf jeden Fall sehr freuen. Denn eine noch größere Herausforderung als Azubis zu finden, ist es Frauen für das Handwerk zu begeistern. So stehen auch am Aktionstag in der Firma Kamm drei männliche Jugendliche an der Werkbank. Diese werden unter anderem von einer Mitarbeiterin, Daniela Bita, betreut. Tatsächlich ist sie aber die einzige Mitarbeiterin in der Fertigungsabteilung. Während das Unternehmen also seit Jahrzehnten von Frauen mitgeführt und geleitet wird, sieht dies in der Produktion noch ganz anders aus. Hier müsse sich gesellschaftlich noch viel verändern: "Es ist sicher nicht so, dass die Mädels keine Lust auf Berufe wie bei uns in der Metallverarbeitung haben." Vielmehr gehe es um die gesellschaftliche Vermittlung, die hier eine Rolle spiele, so Kamm.

Im vergangenen Jahr kam wenige Stunden nach der Aktion ein Ausbildungsvertrag zustande

Um gesellschaftliche Vermittlung geht es auch bei der Aktion "Ein Tag Azubi". Anja Sperr von der IHK fasst es wie folgt zusammen: "Unser Ziel ist es, die Ausbildung präsenter zu machen." Hierzu sei die IHK auch auf Arbeitsmessen präsent, durch Ausbildungsscouts, die ihr Handwerk in Schulen vorstellen, auf Social Media durch die Kampagne #könnenlernen. Sperr fügt hinzu: "Perspektivisch ist es natürlich auch ein mögliches Ziel, dass sich konkrete Ausbildungsverträge aus diesem Aktionstag ergeben." So erreichte die IHK beispielsweise am Aktionstag im vergangenen Jahr nach wenigen Stunden die Rückmeldung eines unterzeichneten Ausbildungsvertrags. Dass es so schnell geht, sei aber die absolute Ausnahme und auch nicht das primäre Ziel, vielmehr gehe es auch darum an einer Trendwende hin zu Ausbildungsberufen, die man sich erhoffe, mitzuarbeiten.

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