Hochwasserschutz für Erding:Die Skepsis ist groß

Lesezeit: 3 min

Wassermassen, die Straßen überfluten und sich in Keller ergießen: Die Diskussion, wie das am besten zu verhindern wäre, ist nicht abgeschlossen. (Foto: Bauersachs)

Das Wasserwirtschaftsamt referiert in Wörth über geplante Maßnahmen zum Hochwasserschutz entlang der Sempt. Es wird wohl zu einem riesigen Hochwasserrückhaltebecken kommen. Die Anwohner sehen das mit großen Sorgen

Von Mathias Weber, Wörth

Die Regenschirme stapelten sich am Eingang der Turnhalle der Ortererschule am Dienstagabend. Wie passend: Genau an dem Tag, an dem die Wörther und Erdinger Bürger zum ersten Mal in vollem Umfang über die mögliche Hochwasserschutzmaßnahmen entlang der Sempt informiert werden sollten, regnete es in Strömen. Das aber hielt die Bürger nicht davon ab, in großer Zahl in die Turnhalle zu kommen, fast 400 waren gekommen.

Es wurde bisher viel spekuliert

Die Bürgermeister von Erding und Wörth, Max Gotz (CSU) und Thomas Gneißl (ÜPWG), hatten das Münchner Wasserwirtschaftsamt gedrängt, nicht nur sie, sondern auch die Bevölkerung frühzeitig in die Planungen für einen Hochwasserschutz an der Sempt einzubinden und zu informieren. Denn schon in der Vergangenheit, ohne konkrete Informationen aus München und zum Großteil auf Basis von Medienberichten, sei "diskutiert und spekuliert" worden, wie Bürgermeister Gneißl sagte.

Die Experten aus München mit der Amtsleiterin Sylva Orlamünde an der Spitze wurden konkret. Stefan Fach stellte die bisherigen Entwicklungsschritte für einen Hochwasserschutz vor - die zum Großteil schon bekannt waren, aber noch nicht in dieser Klarheit vorgestellt wurden.

Der Damm soll sich in die Landschaft einfügen

Grundsätzlich seien zwei Möglichkeiten zum Hochwasserschutz möglich: Den Ausbau so genannter linearer Maßnahmen im Erdinger Stadtgebiet, also meterhohe Dämme und Schutzwände in Bergham/Aufhausen, Langengeisling und Altenerding; oder eben ein riesiges Hochwasserrückhaltebecken nordwestlich von Wörth, das im Falle eines Hochwassers das Wasser aufstauen würde. Dazu müsste östlich von Niederwörth ein 1,4 Kilometer langer Damm gebaut werden, der, wie Fach sagte, "begrünt werden wird und sich gut in die Landschaft einfügen" sollte. Trotzdem seien auch bei dieser Variante noch lineare Maßnahmen in Altenerding und Langengeisling nötig, also kleinere Dämme.

Wie Fach sagte, waren nach dem Hochwasser 2013 bereits im Februar 2014 erste Basisstudien fertig, die Auskunft darüber geben sollten, welche Variante sinnvoller ist. Mittlerweile wurden beide Varianten auf Dutzende Kriterien hin untersucht: etwa den Artenschutz, die Umweltverträglichkeit oder die Genehmigungsfähigkeit. Bei den Kosten gewinnt das Hochwasserrückhaltebecken, auch weil der Flächenverbrauch geringer ist und teure Maßnahmen in den dicht bewohnten Quartieren in Erding entfallen.

Eine vorläufige Kostenschätzung kommt zu dem Ergebnis, dass das Rückhaltebecken acht Millionen Euro kosten würde, der lineare Hochwasserschutz knapp 9,5 Millionen. Aber auch das spielt bei der Variantenentscheidung eine Rolle: Wo wäre im Falle des Falles mehr Hab und Gut in Gefahr? In Erding, hieß es, und nicht in der Gegend um Wörth. All diese Faktoren sprechen für das Rückhaltebecken, und diese Variante wird derzeit weiter vorangetrieben und -geplant.

Die Wörther in der Turnhalle hat das alles kaum beruhigt. Weil es zu erwarten war, dass die Bürger ihren Unmut über Damm und Becken vortragen würden, hat das Wasserwirtschaftsamt einen neutralen Moderator mitgebracht, den Journalisten Michael Ruhland. Er kanalisierte die Fragen der Zuhörer: Sie waren darüber beunruhigt, wie nah das aufgestaute Wasser (das Rückhaltebecken soll im Mittel alle 20 bis 50 Jahre im Einsatz sein) an die Siedlungen im Wörther Westen und an die Ortsteile Siglfing und Niederwörth heranreichen würde.

Die Angst vor dem Grundwasser

Ein großes Thema ist auch das Grundwasser: Beim Hochwasser 2013 sind manche Keller nicht verschont geblieben. Viele Wörther fürchten, dass der Damm nicht nur das Wasser der Sempt, sondern auch das Grundwasser aufstauen und in die Keller der Umgebung drücken würde.

Bei der Frage nach der Nähe zum Wasser legten sich die Experten fest: Es sei genug Abstand zur Wohnbebauung eingeplant. Beim Grundwasser gäbe es aber tatsächlich noch offene Fragen: In den kommenden Monaten würde ein Grundwassermodell erstellt, das Auskunft darüber geben wird, welchen Einfluss der Damm haben könnte. Orlamünde stellte aber klar: Rein rechtlich sei es so, dass mit dieser ganzen Maßnahme niemand schlechter gestellt werden darf als zuvor. Ansonsten kann kein Baubescheid ergehen, dann sei das Hochwasserbecken tot. Die Skepsis der Wörther blieb allerdings greifbar.

Appell zur Zusammenarbeit

Auch bei Gneißl. Er ging auf Konfrontation und wiederholte seine Aussagen, dass mit dem Damm eine "einseitige Vor- und Nachteilslage" entstehen würde, und zwar genau an der Gemeindegrenze. Gneißl sprach in Richtung Gotz von einer "Krise, die es zu überwinden gäbe". Der wiederum bemühte sich um eine Beruhigung: "Ein Gegeneinander hilft uns nicht", sagte der OB. Er erinnerte an die nördlichen Gemeinden Eitting und Berglern, die auch vom Wasserrückhalt profitieren würden. Und er schloss mit den Worten: "Es macht keinen Sinn, auf stur zu schalten."

© SZ vom 14.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: