Freising:Zwischen Drang und Zwang

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Der Anteil der Rentner, die weiter arbeiten, nimmt zu

Von Matthias Weinzierl, Freising

Immer mehr Menschen im Rentenalter sind im Landkreis Freising darauf angewiesen, länger zu arbeiten. Laut der Krankenkasse IKK classic, die Zahlen der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit ausgewertet hat, ist die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten über 65 innerhalb eines Jahres bis Juni 2015 um 27,6 Prozent auf 522 gestiegen. Von diesen 522 über 65-Jährigen haben 428 das offizielle Renteneintrittsalter überschritten. "Diese Zahlen sind kein Widerspruch zu dem Problem der Langzeitarbeitslosen über 50", sagt Kathrin Stemberger von Bundesagentur für Arbeit, "Das sind zwei Paar Schuhe." Die eine Personengruppe tue sich schwer, ins Arbeitsleben zurückzukehren, die anderen würden mit ihrer Arbeit einfach weitermachen. Die meisten sozialversicherungspflichtigen Tätigkeiten, die auch im Alter von über 65 Jahren noch ausgeübt werden, seien das Fahren von Fahrzeugen oder Transportgeräten, Berufe im Bereich der Unternehmensführung und -organisation vom Geschäftsführer über Büro und Sekretariat bis hin zu Personalwesen und Berufe im Bereich Verkehr und Logistik.

Dazu kommt die Anzahl derer über 65, die sich bei einer geringfügig entlohnten Beschäftigung, einem 450-Euro-Job, etwas dazuverdienen. Diese bleibt im Vergleich zum vergangenen Jahr mit 1885 Menschen nahezu konstant. Bei den Minijobbern seien es vor allem "Berufe im Bereich der Unternehmensführung und -organisation, Reinigungsberufe und gebäude- und versorgungstechnische Berufe". Dies verrate aber nicht, aus welchen Gründen Personen nach Renteneintritt einer Beschäftigung nachgehen, so Stemberger.

Eine Antwort liefert die Rentenberatung des Landratsamtes. "Nach den Erfahrungen der Mitarbeiter sind die Beweggründe, einen Minijob anzunehmen, ganz unterschiedlich", gibt Robert Stangl von der Pressestelle Auskunft. Es gebe einige Menschen mit zu wenig Rente, und andere hätten verschiedene Gründe dafür. Sei es jetzt, weil sie während der Berufszeit nicht so viel eingezahlt haben, der Beruf sowieso nicht so ertragreich war oder weil man gemeint habe, der Partner müsse nicht arbeiten. Die Tendenz zu solchen Fällen sei langsam steigend, meinen die Mitarbeiter der Rentenberatung. Allerdings sei die Motivation nicht überwiegend das Geld. So gebe es viele Fälle, bei denen man mehr aus Zufall an Minijobs gekommen sei: "Es kam auch einmal eine Mesnerin zu uns oder jemand, der die Kinder des Nachbarn betreut, und es gibt bestimmt auch den ein oder anderen, der nicht allein daheim sitzen will", sagt Stangl.

Johannes-Jürgen Meister, Gründer des Freisinger Vereins Senioren-helfen-Senioren, unterstützt seit zwölf Jahren ehrenamtlich und freiwillig Senioren bei Behördengängen oder sonstigen Anliegen. Für ihn ist die Erklärung recht einfach, warum immer mehr länger arbeiten: "Bestimmt ist da auch ein geringer Anteil an denen, die sich einfach nur etwas dazu verdienen wollen. Aber ich glaube, der Hauptgrund ist, Existenzsicherung zu betreiben und Wohlstand zu erhalten. Das wird sich in den nächsten zehn bis 15 Jahren dramatisch verschärfen." Wenn die Menschen mit 68 statt mit 65 das Arbeiten aufhören, erklärt Meister, wirke sich das auf die Rentenanwartschaften aus. Wenn man sowieso schon den Mindestsatz bezieht und dann dazukommt, dass die Mietpreise immer weiter anziehen und es keinen angemessenen Wohnraum gibt oder beispielsweise auch die Zuzahlungen für die Krankenkasse erhöht werden, reiche das Geld nicht, weil sich auf allen Gebieten die Ausgaben steigern, nur die Rente zu langsam nachziehe.

© SZ vom 22.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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