Freising:Stricken ist ihre große Leidenschaft

Lesezeit: 3 min

Gisela Karl hat sich einen Traum erfüllt und in der Innenstadt ein Wollgeschäft eröffnet. Große Umsätze sind nicht ihr Hauptziel

Von Gudrun Regelein, Freising

Der Umbau der Freisinger Innenstadt läuft auf Hochtouren. Für die Geschäftsleute bedeutet das harte Zeiten mit wechselnden Baustellen oft direkt vor der Tür und teilweise ausbleibende Kundschaft. Beim Werbeverein Aktive City baut man darauf, dass vor allem die traditionsreichen, inhabergeführten Geschäfte der Altstadt die bevorstehenden schwierigen Monate gut überstehen und dann vom neuen Ambiente ebenso profitieren werden wie die Bürgerinnen und Bürger. Die Freisinger SZ stellt diese Geschäfte in loser Folge vor.

Die junge Frau schaut sich suchend um und wendet sich dann an Gisela Karl: "Haben Sie auch Faden aus Baumwolle für die Nähmaschine? Den soll ich für meine Schwägerin besorgen." "Sie meinen Nähfaden", sagt die Inhaberin des Wollgeschäfts Gillas. Aus Baumwolle habe sie den nicht, der würde reißen. "Aber aus Polyester in 400 verschiedenen Farben."

In dem Laden an der Oberen Hauptstraße findet sich fast alles, was man für das Handarbeiten braucht: Wolle in verschiedensten Farben, Strick- und Häkelnadeln, Knöpfe, Gummibänder, Scheren und Reißverschlüsse. Daneben gibt es aber auch noch Mützen, Schals, Strickwesten, Handschuhe, Accessoires und Schmuck zu kaufen.

Ein eigenes Wollgeschäft zu haben, sei immer ihr großer Traum gewesen, erzählt Karl. "Stricken war schon meine Leidenschaft, als ich noch ein Kind war." Mit fünf Jahren habe sie damit angefangen, die verschiedenen Techniken brachte ihr die Großmutter bei. "Bald danach habe ich meine Geschwister angezogen", sagt Karl und lacht. Sie strickte alle Pullis, zu Weihnachten gab es für die Verwandten gehäkelte Decken.

Zunächst aber lernte Karl Kauffrau. 1964 kam die Hessin aus beruflichen Gründen nach München. Später zog sie mit ihrem Mann nach Niederbayern. Als dann der Zeitpunkt gekommen war, dass sie es sich finanziell leisten konnte, ihr Hobby zum Beruf zu machen, zögerte Gisela Karl nicht: Sie eröffnete in Vilsbiburg ihr erstes Wollgeschäft, noch immer hat die über 70-Jährige dort eine Filiale. Nach Freising kam sie erst einige Zeit nach dem Tod ihres Mannes - das war im Jahr 2006. Damals habe es hier noch kein Wollgeschäft gegeben. Also eröffnete Karl auch eines in Freising und nannte es "Gillas". Gilla, so erzählt sie, sei nämlich ihr Spitzname.

Das sei damals eine schwierige Zeit gewesen, erinnert sie sich. "Niemand hat Wolle gekauft, das war nicht in." Der Boom sei dann erst 2012 gekommen, als auf einmal alle selbst gestrickte Häkelmützen wollten. 2016 stand Karl, die damals ihr Geschäft im Asamgebäude hatte, dann vor der Entscheidung, ob sie weitermachen will. Aus dem Asamgebäude musste sie wegen der anstehenden Renovierungsarbeiten mit ihrem Geschäft ausziehen. Sie entschied sich fürs Weitermachen und begann, sich nach einem neuen Standort umzusehen. "Wir brauchen eine gute Lage und bezahlbar musste es natürlich auch sein", sagt sie. Nach langer und mühsamer Suche fand sie schließlich freie Räume an der Oberen Hauptstraße, im März 2017 konnte sie den Laden wiedereröffnen.

Das Hauptgeschäft mache sie im Herbst und Winter, gerade in den Wochen vor Weihnachten laufe es gut, berichtet Gisela Karl. Und tatsächlich kommen an diesem frostigen Dezembervormittag viele Kunden zu ihr. Die ältere Dame, die eine farblich passende Mütze zu ihrem lila Mantel sucht, der Herr, der im Auftrag seiner Frau Wolle besorgen soll, eine Dame, die für ihren Vater Stofftaschentücher benötigt. Und die junge Frau, die noch schnell vor Weihnachten ein Dreieckstuch stricken will, um es zu verschenken, und passende Wolle braucht. Die Kundin ist oft bei Gillas, berichtet sie. Im Internet würde sie niemals Wolle bestellen, "ich muss sie doch anfassen können".

Sie habe eine sehr nette Kundschaft, sagt Karl: Viele Frauen natürlich, aber auch "liebe junge Männer, die häkeln und stricken". "Die kommen dann wieder und zeigen mir ihre fertigen Sachen", erzählt sie. Gerade ältere Damen aber kämen auch wegen der Gespräche. "Manchmal fühle ich mich fast wie eine Psychotherapeutin", sagt Karl und lacht. Und dann gebe es noch einige langjährige und sehr treue Kunden, die extra anreisen, um sich bei ihr ihre Wolle zu kaufen. Große Umsätze erziele sie nicht, sagt Karl. "Aber es läuft."

Was ihr aber in den vergangenen Monaten sehr zu schaffen gemacht habe, seien die Umbauarbeiten in der Freisinger Innenstadt gewesen. Ältere Menschen mit Rollator oder Mütter mit Kinderwagen hätten beispielsweise keine Chance mehr gehabt, in ihr Woll-Geschäft zu gelangen. "Von der Stadt hat sich niemand um uns gekümmert, da kam keiner und hat mal nachgefragt", beklagt Gisela Karl. "Jetzt ist Gott sei Dank die Baustelle weg, aber im März geht es ja schon wieder weiter mit einer neuen."

Entmutigen lässt sie sich aber dennoch nicht. "Solange es mir noch Spaß macht, mache ich weiter", sagt sie entschlossen.

© SZ vom 18.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: