Freising:Hilfe zum Leben

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Die Abteilung Psychosomatik und Psychotherapie an der Freisinger Klinik wird zehn Jahre alt. Chefarzt Bruno Schröder sieht unmittelbar die Auswirkungen der zunehmenden sozialen Härte in Deutschland

Von Gerhard Wilhelm, Freising

Zehn Jahre alt wird die Abteilung Psychosomatik und Psychotherapie im Oktober in diesem Jahr. Zehn Jahre, die für Chefarzt Bruno Schröder gleichbedeuten sind mit Hilfe für Menschen, bei denen seelische Einflüsse eine Rolle spielen, damit sie ihr Leben wieder in den Griff bekommen. Es sind aber nach Schröder auch zehn Jahre, in der die soziale Härte in unserer Gesellschaft zugenommen hat und damit auch die negativen Seiten: seelische Krisen und Störungen. "Die Spaltung in der Gesellschaft bekommt man hier unmittelbar mit", sagt der Chefarzt. Sein Wunsch, und auch die Zielrichtung der Therapien, ist es, dass Menschen sich wieder mehr für Werte einsetzen, wieder mehr Wertschätzung haben, Respekt vor dem Menschen, der - jeder auf seine Weise versuche, sein Leben in den Griff zu bekommen. Das gelinge manchem eben mehr, anderen weniger. Zum Glück habe die Stigmatisierung von Betroffenen abgenommen und die Bereitschaft sich in Behandlung zu geben, sei größer geworden.

Die Abteilung verfügt heute über insgesamt 22 Betten in komfortablen Zimmern sowie mehrere modern ausgestattete Räume für Einzel- und Gruppentherapie. Pro Jahr werden etwa 200 Patienten betreut. Behandelt werden Patienten mit all jenen Erkrankungen, die zum Spektrum der psychosomatischen Medizin gehören. Also Beschwerden, bei deren Entstehung seelische Ursachen eine Rolle spielen oder die seelische Folgen einer körperlichen Erkrankung darstellen. Dazu gehören auch Störungen wie Ängste oder Depressionen mit und ohne körperliche Beschwerden, akute seelische Krisen, bestimmte Persönlichkeitsstörungen, körperliche Störungen ohne Organbefund bis hin zu den Diagnosen von chronischen Schmerzen oder einem Burnout-Syndrom.

Im Bedarfsfall steht der Abteilung für Psychosomatik und Psychotherapie für weiterführende diagnostische und therapeutische, internistische oder chirurgische Maßnahmen die gesamte Infrastruktur des Klinikums zur Verfügung. Chefarzt Schröder ist froh, dass seine Abteilung in ein Haus der Akutversorgung integriert ist: "Somit haben wir kurze Wege und eine enge Zusammenarbeit in beide Richtungen, so dass wir auch schnell Patienten von anderen Abteilungen mitbetreuen oder übernehmen können."

Die Entstehung der Abteilung ist einer finanziellen Krise des Klinikums Freising geschuldet, wie Schröder schildert. "Bei der Kooperation mit dem Münchner Klinikum Rechts der Isar suchte man nach Win-Win-Situationen, die beiden nützt." Herausgekommen sind drei neue Abteilungen in Freising: die Wirbelsäulenchirurgie und Neurotraumatologie, die Hämatologie und Onkologie sowie die Abteilung Psychosomatik und Psychotherapie mit dem damaligen Chefarzt Professor Michael von Rad.

"Ich kam damals als leitender Oberarzt nach Freising und habe mit Professor Michael von Rad die Abteilung aufgebaut. Eine Abteilung komplett neu aufbauen zu dürfen, ist ein Geschenk, das wir als Team mit großer Freude und Engagement angenommen haben. Heute blicken wir auf zehn Jahre erfolgreicher Entwicklung und stetigen Wachstums zurück." Und mit Dank an seinen Mentor: "Er war das große Glück in meinem Leben", sagt Schröder über von Rad. In den vier Jahren unter ihm habe er das "Rüstzeug für die Leitung der Abteilung gelernt". Von Rad sei nach dem frühen Tod seines leiblichen Vaters zu einer Vaterfigur für ihn geworden.

Schröder sieht sich aber nur als Teil eines großen Teams. Und nicht nur die Ärzte, sondern auch das Pflegeteam habe eine ganz besondere Rolle. Es arbeite "co-therapeutisch" nach dem Prinzip des "Primary Nursing". Die Bezugspflegekraft sei Ansprechpartner in allen Situationen des Aufenthalts von Patienten, die in der Regel sechs bis acht Wochen stationär in Behandlung seien . Das Pflegeteam sei geschult für verschiedene Krisensituationen und erfahren in der Anwendung von Deeskalationstechniken. Aufgaben, die von Ärzten, Therapeuten und Pflegepersonal sehr viel Fingerspitzengefühl erfordern. Bei Treffen tauschten sie sich über schwierige Situationen aus und lernen so voneinander.

Einen großen Wunsch hat Schröder für die Zukunft: die Einrichtung einer Tagesklinik, um Patienten helfen zu können, die sich nicht stationöär aufnehmen lassen wollen oder können. Sie sei zwar schon genehmigt, aber immer noch nicht realisiert worden.

© SZ vom 15.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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