Freising:Handlungsfähig bleiben

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Freising will sich vom Boom nicht überrollen lassen und das Wachstum mitgestalten, um sein Gesicht nicht zu verlieren. Die Ziele dieses Konzepts sind im Stadtentwicklungsprogramm zusammengefasst. Ob sie alle in die Praxis umgesetzt werden können, wird sich zeigen

Von Kerstin Vogel, Freising

"Heimat erhalten - Wachstum gestalten": Unter diese Überschrift hat die Stadt Freising ihren Stadtentwicklungsplan (Step) 2030 gestellt - und das ursprünglich mehrere hundert Seiten starke Werk jetzt auch in einer übersichtlichen Broschüre zusammengefasst. Zur gut fünf Jahre währenden Erarbeitung der Ziele und umzusetzenden Projekte haben sich mehr als 800 Freisinger an einer Fragebogenaktion beteiligt. Eine Lenkungsgruppe mit Stadträten, Mitarbeitern der Verwaltung sowie Vertretern von Vereinen und Verbänden hat die Erstellung des Leitfadens begleitet. Einstimmig beschlossen wurde er vom Stadtrat im Sommer 2014.

Demografischer Wandel, Klimawandel, der nahe Flughafen, teurer Wohnraum und überlastete Verkehrswege: Die Herausforderungen, vor denen die Stadt Freising aktuell steht, sind vielfältig und bergen Gefahren. "Wir müssen beispielsweise aufpassen, dass wir die historische Bausubstanz nicht verlieren", sagte Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher am Dienstag bei der Präsentation der Broschüre. Es gehe darum, "Freising, unsere Heimat, heute und in Zukunft lebenswert zu gestalten".

Für Stadtbaumeisterin Barbara Schelle ist der Stadtentwicklungsplan dabei quasi der rote Faden, der analog zur griechischen Mythologie den Weg aus dem Labyrinth im Alltagsgeschäft von Politik und Stadtverwaltung weisen kann. "Eine handlungsfähige Stadt muss Konzepte haben, bevor sie überrollt wird", so Schelle. Es gehe darum, die Lebensqualität und das Gefühl von Heimat in Freising zu erhalten und trotzdem Wachstum zu ermöglichen. Der Step helfe, Bewusstsein dafür zu schaffen und Konflikte rechtzeitig zu lokalisieren. Zu den großen Herausforderungen gehöre die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, nachhaltige Mobilität, aber auch, "das Erbe der europäischen Stadt zu erhalten". Freising sei eine tolle, am Fluss gewachsene Stadt, schwärmte Schelle: "Der Stadtbaumeister von Germering beispielsweise ist immer ganz neidisch."

Das große Dilemma, in dem Freising gleichwohl steckt, brachte einmal mehr Stadtbaudirektor Gerhard Koch auf den Punkt. Denn es sei schwer, die Entwicklung der Stadt zu steuern, wenn man immer noch nicht wisse, ob die dritte Startbahn nun gebaut werde oder nicht. "Attaching wäre mit der Startbahn beispielsweise nur noch ein Fragment und kein Ortsteil mehr", so Koch, doch auch für die Lärmsituation in der übrigen Stadt habe man zwei Varianten - mit und ohne Flughafenausbau - betrachten müssen. "Das ist dieser Schwebezustand, den wir seit Jahren beklagen, der nun aber hoffentlich bald beendet wird", so Koch in Anspielung auf die für März avisierte Entscheidung der Landesregierung zum Thema Startbahnbau.

Wie diese auch ausgehen mag: Die Befragung der Bürger für das Step hat laut Heiko Huppenberger vom Stadtplanungsamt ergeben, dass den Freisingern die Lebensqualität in ihrer Stadt wichtig ist, dass sie aber Angst haben, von der Entwicklung in der Boomregion überrollt zu werden. Entgegentreten will die Stadt dieser Sorge nun mit den in der Broschüre formulierten Zielen, die für die Bereiche Bevölkerung, Wohnen, Stadt- und Landschaftsbild, Siedlungsstruktur, Bildung und Wissenschaft, Kultur und Tourismus, Freiraum und Sport, Natur und Landschaft, Einzelhandel und Dienstleistung, Mobilität, Flughafen und Lärm oder Klimaanpassung und -schutz beschrieben wurden. Ein Aktionsplan hält im zweiten Teil der Broschüre 28 Projekte fest, die mit unterschiedlichen Prioritäten in den kommenden Jahren umgesetzt werden sollen ().

Wie schwierig es in der Praxis werden dürfte, die im Step formulierten Grundsätze tatsächlich einzuhalten, zeigte bei der Präsentation der Broschüre eine kurze Debatte um die Clemensänger. Die Mehrheit des Stadtrats möchte hier bekanntlich den Lebensmittellogistiker Transgourmet ansiedeln, in einem Gebäude, das von der Größe her an die Hallen des Flughafens heranreichen würde. Mit den für das künftige Gewerbe in der Stadt formulierten Zielen aus dem Stadtentwicklungsplan aber wäre dieses Vorhaben eigentlich eher abzulehnen: Logistikunternehmen sind hier gar nicht aufgeführt, außerdem sollen Nutzungskonflikte zwischen Gewerbe und Wohnen minimiert werden. Gleichwohl schließen die Step-Vorgaben ein Projekt wie die Ansiedlung von Transgourmet auch nicht aus, wie der Oberbürgermeister erklärte. "Wir haben schon den Spielraum gelassen, so etwas politisch zu entscheiden."

Informationen zum Step und die Broschüre als Download stehen auf der Homepage der Stadt: www.freising.de/rathaus/stadtentwicklungsplan.

© SZ vom 18.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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