Freising/Erding:Tödliche Gefahr für die Kitze

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Wenn im Frühjahr die Wiesen gemäht werden, sterben viele junge Tiere, die sich im hohen Gras verstecken. Dagegen hilft viel Umsicht, aber Tierschützer und Landwirte hoffen auch auf den Einsatz neuer Technik

Von Alexandra Vettori und Thomas Daller, Freising/Erding

Die erste Mähaktion auf den Wiesen läuft, das geschnittene Gras lagern die Landwirte in Form von Silage als haltbares Viehfutter ein. Gleichzeitig bringen jetzt im Frühjahr Rehe und Hasen ihre Jungen zur Welt, bodenbrütende Vögel haben auch Nachwuchs. Als Kinderstube aber suchen sie sich gerne Wiesen aus, da sie den Jungtieren Schutz und Deckung vor Fressfeinden bieten. Allerdings macht sie das hohe Gras auch für den Landwirt mit seinem Mähgerät nahezu unsichtbar. Jedes Jahr sterben auf diese Weise Kitze, Junghasen, Fasane und andere Wiesenbrüter einen grausamen Tod. Besonders gefährlich für die jungen Wildtiere ist der natürliche "Drückreflex" in den ersten Lebenswochen, denn er lässt sie sich regungslos in Deckung drücken, anstatt vor den nahenden Messern zu fliehen.

Schwerste Verletzungen und Tod von Bambi und Co. können Landwirte nur verhindern, indem sie vor dem Mähen tätig werden. "Die meisten gehen, vielleicht sogar mit ein paar Leuten, am Morgen davor durch die Wiesen, damit die Jungen fliehen", sagt Gerhard Stock, Geschäftsführer des Bayerischen Bauernverbands. Der Verband hat gerade einen Appell an die Landwirte gestartet, bei der sogenannten Frühjahrsmahd auf junge Wildtiere zu achten. Besonders geraten wird zur Kooperationen mit den Jägern, die oft wissen, wo die weiblichen Rehe, die Ricken, ihre Kitze versteckt haben. Sie sind meist gerne bereit, mit ihren Hunden beim Vertreiben zu helfen.

Wo eine solche Zusammenarbeit nicht möglich ist, rät der Bauernverband zu anderen Maßnahmen, etwa dem Aufstellen von Wildscheuchen einige Tage vor der Mahd. Hier gibt es so genannte akustische Vergrämungs-Geräte, die schrille Warntöne von sich geben, es tun aber auch raschelnde Plastiksäcke auf Pfählen, grelle Blinklichter oder bunte Windräder. Auch die Landwirte hätten ein großes Interesse daran, dass keine Wildtiere zu Schaden kommen, versichert Gerhard Stock, "das mag niemand". Außerdem gefährde durch Wildkörper verunreinigte Silage die Gesundheit der Nutztiere.

Wem all das zu mühsam ist, der kann auch zum einfachsten Mittel greifen: Die Wiesen von innen nach außen zu mähen, statt von außen nach innen. Fängt der Bauer innen an, haben die Tiere die größte Fluchtmöglichkeit. Besonders große Wiesen sollten am Vortag rundherum angemäht werden. Zum Schutz von bodenbrütenden Vögeln und deren Gelegen hilft es auch schon, die Schnitthöhe auf zehn bis 15 Zentimeter zu erhöhen. Für die Zukunft hoffen Tierschützer und tierliebe Bauern auf die Technik. Landmaschinenhersteller prüfen derzeit mit finanzieller Unterstützung von Bundesforschungs- und Bundeslandwirtschaftsministerium den Einsatz von Wildrettern und Infrarot-Detektoren an Traktoren. Infrarot-gestützte Sensorik soll die Körperwärme von Wildtieren anzeigen, beispielsweise in tragbaren Wildrettern, mit denen Wiesen vor der Mahd abgegangen werden. Auch am Einsatz von Flugdrohnen wird geforscht, sie überfliegen, ausgerüstet mit einer Wärmebildkamera, Felder und Wiesen und spüren schnell und zuverlässig junge Wildtiere auf.

Eine solche Wärmebildkamera hat der Kreisjagdverband Erding bereits 2012 im Rahmen eines Pilotprojektes vorgestellt. Leider stand den Jägern die Drohne nur für einen Testlauf zur Verfügung, der mittlerweile beendet ist. "Den beteiligten Wissenschaftler ist das Geld ausgegangen", sagte der Vorsitzende der Erdinger Jäger, Thomas Schreder. Die Kombination aus Wärmebild und Video, Laptop und Fernsteuerung per GPS habe 10 000 Euro pro Drohne gekostet. Schreder empfiehlt daher ebenfalls den Einsatz von optischen und akustischen Vergrämungsgeräten und bietet als "Anwälte der Wildtiere" die Hilfe der Jäger an: "Wir kommen gerne und suchen." Allerdings sollten die Landwirte ein bis zwei Tage vor der Mahd die Jäger informieren; nicht erst wenige Stunden vorher. Darüber hinaus lobte Schreder auch das "sehr verantwortungsvolle Verhalten" der Landwirte: "Keiner sieht es gern, wenn ein Kitz zerhäckselt hinterm Kreiselmähwerk liegt. Nur wenn die Mahd durch Unternehmen gemacht wird und es schnell gehen soll, dann wird es schwierig."

© SZ vom 17.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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