Freising:Ausgehen

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Junge Leute, die zum Studium nach Freising kommen, fühlen sich nicht wirklich willkommen

Von Katharina Aurich, Freising

Im Stadtteil Vötting studieren an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf und am Wissenschaftszentrum der TU München etwa 10 000 junge Menschen. Im Stadtbild von Freising dagegen ist von den künftigen Akademikern, die überwiegend "grüne" Fächer wie Land- und Forstwirtschaft, Bio- und Lebensmitteltechnologie oder Landschaftsarchitektur studieren, wenig zu spüren. "Wir fühlen uns in Freising nicht willkommen. Die Stadt nimmt die Studenten nicht wahr, will sie nicht haben, sonst würde man dafür sorgen, dass es zum Beispiel bezahlbaren Wohnraum gibt", sagen Simon, Kai, Judith, Aylin und Vivien - fünf Studierende, die sich zu einer Gesprächsrunde zum Thema "Studentenstadt Freising?" mit der SZ getroffen haben.

Infrastruktur

Freising sei keine typische Studentenstadt, dafür fehle die Infrastruktur, beklagen die jungen Leute. Ganz wichtig wäre ihnen beispielsweise ein Kiosk, der 24 Stunden lang geöffnet hat, sagt Simon. In Köln oder Trier sei es selbstverständlich, dass es überall ein "Büdchen" gibt, an dem man sich jederzeit versorgen kann. Grundsätzlich sei Freising schön, sagt Judith, in München sei ihr zu viel los. Aber die Öffnungszeiten der Freisinger Geschäfte findet sie "gruselig". Obwohl sie sich selbst als "Landei" bezeichnet, würde sie abends gern irgendwo Lebensmittel einkaufen können.

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(Foto: Marco Einfeldt)

Freising sollte häufiger "vibrieren", wie beispielsweise bei der "Langen Nacht der Musik". So zumindest wünsche es sich die Studenten.

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(Foto: Marco Einfeldt)

Sie studieren gern in Weihenstephan, aber in der Stadt fehlt es ihnen an Lebensqualität, darin sind sich Simon Horvath (von links), Kai Behrendt, Judith Sekler, Vivien Scharmach und Aylin Mayer einig.

Natürlich gebe es die Wohnheimbars oder WG-Partys, doch die Möglichkeiten, sich an öffentlichen Orten zu treffen, würden immer weniger, beklagen Simon und Kai, die seit fünf Jahren in der Stadt leben. Vivien ergänzt: "Wenn ich Besuch von auswärts habe, weiß ich nicht, wo wir abends in Freising hingehen könnten." Die Studenten vermissen eine große Lokalität, einen Veranstaltungsraum, wo man gerne hingeht. Der Lindenkeller sei keine "coole Location", fügt Kai an. Es fehle das gemütliche Studentenflair, wie es zum Beispiel das Abseits geboten habe. Alle fünf sind sich einig, dass das "Abseits" als einer der letzten richtig guten Treffpunkte für Studis in der Stadt unbedingt erhalten bleiben müsse. Kneipen wie Furtner oder Schneiders verkörperten eher die Brauhauskultur, die sei auch schön, aber kein Ersatz für Studentenkneipen. Im Klimperkasten fühlen sich Simon und Kai wohl, aber der liege zu weit außerhalb, so etwas müsste es direkt am Marienplatz geben, finden sie. Veranstaltungen wie die lange "Nacht der Musik", wo die Stadt bis um drei Uhr morgens vibriert, sollte es öfters geben, wünschen sich die fünf. Natürlich gehen sie auch zum Uferlos oder zum Kino am Rang: Das seien wichtige Events, aber eben nicht der Alltag.

Die Wochenenden

Am Wochenende pendele sie grundsätzlich nach Hause, berichtet Judith. Dort sei sie sozial eingebunden, in Freising eher nicht. Aylin und Vivien fahren ebenfalls meist nach Hause oder aber nach München. Genau das sei der Teufelskreis, sagt Kai: "Wenn die meisten weg sind, kann auch nichts los sein." Immerhin sind die Studenten gut vernetzt und es gibt sieben Facebook-Gruppen, etwa zum Wohnungsmarkt oder den "Treffpunkt FS", jede hat mehrere Tausend Mitglieder. Kai und Simon verbringen ihre Wochenenden gern in Freising, sie gehen vier bis fünf Mal wöchentlich abends weg, um sich mit anderen zu treffen. "Wir finden immer etwas in den Wohnheimbars oder den WGs, es fehlt nicht an studentischem Leben, sondern an Kulturangeboten."

"Abartig hohe Mieten"

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(Foto: Marco Einfeldt)

Michi Kasper, 42, ist Kulturschaffender, Marketingmann und Event-Organisator. Ob Freising eine Studentenstadt ist? "Ja, weil hier Studenten leben, aber nein, weil es kein studentisches Leben in der Innenstadt gibt. Sie studieren, aber leben nicht hier", sagt Kasper (Foto: Einfeldt). Doch auch unabhängig von den Studenten müsste für ihn mehr los sein in der Stadt. Er wünscht sich zum Beispiel einen richtig schönen, stilvollen Weihnachtsmarkt auf dem Marienplatz und das ganze Jahr über einen Bratwürstlstand, an dem man sich trifft. Außerdem hofft er, dass der Lindenkeller, der ein bisschen wie "ein fauler Zahn" über der Stadt throne, bald wieder zu einem attraktiven Ort werde. In Freising langfristig eine Kneipe zu führen, sei schwer. Die "abartig hohen Mieten" zu erwirtschaften sowie gutes Personal zu finden und angemessen zu bezahlen, sei "harte, harte Arbeit". Von Studenten könne man keine hohen Preise verlangen. Dazu komme ständiger Ärger wegen Ruhestörungen, so Kasper aus eigener Erfahrung. Viele Jahre hatte der 42-Jährige am 23. Dezember im Lindenkeller die X-Mas Pornstar Party organisiert. "Ich hatte dann aber keine Lust mehr, mich um 23 Uhr mit der Polizei zu streiten, weil sich wieder ein Nachbar beschwert hat." Einzelne Anwohner genügten, um Wirten und Veranstaltern das Leben zur Hölle zu machen. Auch deshalb sei in Freising die Innenstadt von 20 Uhr an wie ausgestorben. Doch Kasper hat auch Forderungen an die Studenten. Sie müssten sich auf die Stadt einlassen, selbst etwas tun, zum Beispiel mit anderen musizieren. Von der Stadtverwaltung zu erwarten, dass sich am Kneipenangebot etwas ändere, nutze nichts, stattdessen müsse das bestehende Angebot, das sich von Neustift in die Obere Hauptstraße verlagert habe, einfach mehr genutzt werden, so Kasper. Wegen guter Rentabilität habe schließlich noch niemand wieder zugemacht.

"Wir arbeiten daran"

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(Foto: Marco Einfeldt)

Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher sind die vielen "Baustellen", die ein lebendiges, studentisches Leben in Freising erschweren, natürlich bekannt. "Wir arbeiten daran, die Bedingungen zu schaffen, um die Innenstadt zu beleben." Zwar könne die Kommune keine Kneipe betreiben, sagt Eschenbacher (Foto: Einfeldt), der weiß, wovon er spricht - er war früher selbst einmal Wirt in Freising. Dennoch gibt er sich optimistisch, dass nach der Aufwertung des öffentlichen Raums neue Kneipen und allgemein mehr Gastronomie entstehen würden. "Unmöglich ist es nicht". Zur schwierigen Verkehrssituation in der Innenstadt meint er, das Straßensystem der Stadt sei sternförmig auf den Marienplatz ausgerichtet. Geplant für hundert Ochsenkarren, müssten die Straßen heutzutage täglich 36 000 Fahrzeuge bewältigen, gibt der OB zu bedenken. Natürlich wäre es wünschenswert, zum Beispiel entlang der Wippenhauser Straße als Verbindung der Innenstadt mit dem Campus einen breiten Fahrradweg zu bauen. Aber "wir haben keinen Platz, die Straße ist zu schmal". Immerhin würden jetzt die beiden Umgehungsstraßen gebaut. Um den Wohnungsmarkt zu entlasten, errichte das Studentenwerk zurzeit an der Giggenhauser Straße ein Wohnheim mit 160 Plätzen und die Stadt habe ein Grundstück am Seilerbrückl an einen Investor vergeben, der dort ebenfalls für Studierende bauen wolle, zählt Eschenbacher auf. Er hofft, dass alle diese Maßnahmen greifen und sich die Studierenden in Zukunft mehr in der Stadt aufhalten, sichtbarer werden und sich mit Freising identifizieren. Die Nähe zu München sei bei alledem Segen und Fluch zugleich, findet Eschenbacher. Als Oberzentrum habe es Freising gerade bei jungen Leuten einfach schwer, sich in der Nähe der Großstadt zu behaupten. Dennoch sei schon jetzt einiges in Freising geboten, man müsse halt auch hingehen.

Vom Land in die Stadt Freising

Die meisten Studierenden in Weihenstephan kommen aus ländlichen Regionen und haben sich ganz bewusst für das überschaubare Freising entschieden. Vivien und Judith empfinden Freising sogar schon als große Stadt. Kai, der aus der Großstadt kommt, hat sich bewusst für das kleine Freising entschieden. Alle fünf finden, dass man in Weihenstephan gut studieren kann - es werde hier mangels Ablenkung eben nur gelernt, bringt es Judith auf den Punkt. Und man sei schnell in der Natur, das sei für Förster, aber auch für die allermeisten ihrer Kommilitonen sehr wichtig.

Bezahlbare Wohnungen

Freising ist bundesweit die Stadt mit den meisten studentischen Verbindungen, schlagende und nicht-schlagende, aber damit wollen die fünf nichts zu tun haben, das ist nicht ihre Welt. Aylin berichtet, dass sie anfangs irritiert gewesen sei, denn einige Verbindungen böten im umkämpften Freisinger Wohnungsmarkt günstige Zimmer an, Voraussetzung: Man müsse männlich und katholisch sein. Der Wohnungsmarkt in Freising, auf dem Studenten kaum eine Chance haben, ist der zweite große Nachteil der Stadt, beschreiben die fünf. Man fühle sich nicht heimisch, wenn man keine bezahlbare Wohnung, sondern nur einen Platz auf dem Dorf oder im Wohnheim findet. Die Stadt sollte die vielen leer stehenden alten Häuser in der Innenstadt für Studenten bewohnbar machen, schlagen sie vor. Dafür eine Demonstration zu organisieren, können sie sich allerdings nicht vorstellen.

Öffentlicher Nahverkehr

Aylin und Vivien suchten lange vergeblich in Freising nach einer Bleibe, sie wohnen nun zur Untermiete in Zolling. Anfangs standen die beiden Frauen öfters am Freisinger Bahnhof, "wir konnten es nicht fassen, wie wenig Busse am Wochenende nach Zolling fahren". Jetzt haben sie zum Glück ein altes Auto bekommen. Der öffentliche Nahverkehr ist für alle fünf ein Ärgernis, egal, ob sie in oder außerhalb Freisings wohnen. Die Busse fahren alle über den Bahnhof, von der Asamstraße nach Weihenstephan benötige er 45 Minuten, kritisiert Simon. Es bleibe nichts anderes übrig, als mit dem Rad auf den meist viel zu schmalen Fahrradspuren zu fahren. Jeder, der die Studentenstädte Freiburg oder Münster kenne, wundere sich erst einmal über die Verkehrssituation in Freising, wo sich Autoschlangen durch die Stadt quälen und die Radfahrer dazwischen kurven, schildern Simon und Kai.

Trotz ihrer Kritik studieren die fünf Jungen und Mädchen gerne an der Universität in Weihenstephan und wollen dort auch ihren jeweiligen Abschluss machen. Manchmal beneiden sie aber ihre Kommilitonen, die in der Großstadt München wohnen und dort das pulsierende Nachtleben genießen können. Die Preise für Wohnungen oder ein Bier unterschieden sich eh kaum noch, haben die fünf schnell festgestellt.

Die Studenten vermissen coole Locations in der Innenstadt

© SZ vom 17.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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