Frauenhaus Erding:Ein nicht annehmbarer Vorschlag

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Der Sozialdienst katholischer Frauen hätte die Interventionsstelle für Opfer häuslicher Gewalt aufgeben sollen. Dann hätte er das Frauenhaus weiter betreiben dürfen. "Das ist nicht denkbar", sagt die Geschäftsführung

Von Florian Tempel, Erding

Die von Landrat Bayerstorfer (CSU) getroffene Entscheidung, die seit 25 Jahren bestehende Zusammenarbeit mit dem Träger des Frauenhauses Erding aufzukündigen, steht im direkten Zusammenhang mit der Existenz der Interventionsstelle für Opfer häuslicher Gewalt. Beide Einrichtungen werden bislang vom Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) München betrieben, aber im Wesentlichen vom Landkreis finanziert. Alexandra Krois, die stellvertretende Geschäftsführerin des SkF, berichtet nun, dass Landrat Bayerstorfer einen Vorschlag gemacht habe: "In den Verhandlungen hat er gesagt, dass wir das Frauenhaus weiterführen können, wenn wir darauf verzichten, einen Zuschussantrag für die Interventionsstelle zu stellen."

Der SkF hätte demnach die Interventionsstelle künftig wieder selbst finanzieren sollen - oder sie schließen müssen. Krois sagt, Interventionsstelle und Frauenhaus gehörten für ihren Verband zusammen: "Das eine ohne das andere ist für uns nicht denkbar."

Der Betrieb des Frauenhauses ist vertraglich vereinbart. Nach Angaben des Landratsamts hatte es zuletzt einen Zuschussbedarf von 156 000 Euro gegeben. Die Interventionsstelle wird ebenfalls zu einem großen Teil vom Landkreis bezahlt, doch für sie gibt es keinen Vertrag. Der Zuschuss von jährlich 37 500 Euro wird vom Landkreis als sogenannte freiwillige Leistung bewilligt. Die mit einer Halbtagsstelle ausgestattete Interventionsstelle gibt es seit zehn Jahren. In den ersten zwei Jahren wurde sie vom SfK mit Unterstützung der Erzdiözese München-Freising finanziert. Seit 2010 übernimmt der Landkreis einen großen Teil der Kosten.

In gewisser Weise wurde das damals gegen Bayerstorfers Haltung beschlossen, was mehrere Gesprächspartner der SZ bestätigten. Er hatte starke Zweifel, ob eine Interventionsstelle eine Landkreisaufgabe sei, und sah eine Kostenübernahme dementsprechend sehr skeptisch. Als die Leiterin des Frauenhauses Erding, Angela Rupp, jedoch alle Kreistagsfraktionen zu einem Informationstreffen einlud, gab es eine parteiübergreifende und allgemeine Zustimmung für die Interventionsstelle. Den Antrag, dass der Landkreis fortan einen wesentlichen Beitrag leisten sollte, kam schließlich sogar von der CSU-Fraktion.

Die Sozialpädagogin Stefanie Sturm hat in den vergangenen zehn Jahren mehr als 1000 Gewaltopfer beraten. Im vergangenen Jahr waren es 80 Frauen und zwei Männer. Wesentlich für ihre Arbeit ist ein Kooperationsvertrag mit den Polizei. Immer, wenn eine Streife zu einem Fall häuslicher Gewalt gerufen wird, informieren die Beamten die Frauen über die Interventionsstelle. Wenn die Frau einwilligt, gibt die Polizei binnen drei Tagen ihre Kontaktdaten weiter. Stefanie Sturm meldete sich dann von sich aus bei den Frauen. Bei einem Treffen berät sie diese über ihre Rechte und Möglichkeiten, macht weitere Gespräche aus und begleitet sie gegebenenfalls auf Behördengängen oder zu Gerichtsterminen. Für den Dienststellenleiter der Polizeiinspektion Erding, Anton Altmann, ist die Interventionsstelle nicht mehr wegzudenken: "Aus polizeilicher Sicht hat sie sich bewährt." Polizeibeamte können bei häuslicher Gewalt nur punktuell reagieren, während weiterführende Hilfe von der Interventionsstelle geleistet wird.

Das Konzept des sogenannten proaktiven Zugehens auf Gewaltopfer ist mittlerweile bayernweit anerkannt. Die Einrichtung von Interventionsstellen wird vom Freistaat seit 2015 finanziell gefördert. Sozialministerin Emilia Müller (CSU) sagte Ende 2015: "Unser Ziel ist eine angemessene flächendeckende Versorgung mit Interventionsstellen in Bayern."

© SZ vom 07.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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