Foto-Ausstellung:Elend im sanften Licht

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Der Fotograf Rainer Viertlböck hat mehrere Monate in Südspanien verbracht und die Behausungen illegaler Einwanderer dokumentiert. Diese Fotografien sind jetzt im Freisinger "Alten Gefängnis" zu sehen - und fordern den Betrachter auf, hinzuschauen

Von Clara Lipkowski, Freising

Chabolas heißen sie, auf deutsch Bruchbuden, von illegalen Einwanderern selbst gebaute Hütten, die gerade eben zum Überleben reichen. Ihnen widmet sich die Foto-Ausstellung "Die Schattenseite" des Architekturfotografen Rainer Viertlböck, die am Donnerstag im "Alten Gefängnis" eröffnet wurde. Das "Modern Studio" widmet dem Viertlböck dort eine Ausstellung. Die Fotografien, die seit 2012 entstanden sind, zeichnen sich oft durch warme Farben aus, zartes Rosa im Sonnenuntergang, Beigetöne. Dennoch vermitteln sie Unbehagen. Warum sind auf den Bildern keine Menschen zu sehen? Wie passen die provisorischen Hütten mit den umliegenden Fabriken und Erdbeerfeldern zusammen?

In jedem Raum zeigt die Ausstellung unterschiedliche Motive, die der gebürtige Münchner in und um Huelva in Südspanien in mehreren Serien aufgenommen hat.

Ein Raum enthält Fotos riesiger Erdbeergewächshäuser, ein anderer umliegender Petrochemie-Fabriken. Wieder ein anderer zeigt Aufnahmen nahe gelegener Reihenhäuser, verlassen, unvollendet und im Verfall, seit die Wirtschaftskrise den spanischen Immobilienmarkt erfasst hat. Der Schwerpunkt aber liegt auf den Chabolas.

Bewusst habe er nicht die Bewohner der Hütten ins Bild gerückt, sagt der Fotograf Viertlböck, um den Raum für sich sprechen zu lassen.

Die Hütten bewohnen vorrangig junge Männer aus Afrika, die über das Meer nach Südspanien geflüchtet sind, in der Hoffnung, einen Job als Saisonarbeiter zu ergattern. Sie hätten unerkannt bleiben wollen, sagt Viertlböck. Aus Angst, von den spanischen Behörden zurückgeschickt zu werden und weil sie fürchten, auf den Fotos von Verwandten in der Heimat erkannt zu werden. Zu groß sei die Scham, zu offenbaren, wie sie hier leben, in Europa, dem Kontinent der Verheißung. Mit leeren Händen können sie nicht zurück, nachdem sie sich von Verwandten Geld für die teure Überfahrt geliehen haben. Weiter könnten sie auch nicht. 90 Prozent der Bewohner sind arbeitslos, haben weder Geld noch eine Aufenthaltserlaubnis. Also bleiben sie und errichten ihre eigenen Notunterkünfte in Pinienwäldern mit allem, was bei den Obstfeldern und Fabriken an Müll herumliegt: Holzpaletten, Metallgestänge, Plastikplanen. So entsteht der Slum von Südspanien. Mehr als 6000 Bewohner hat er, geduldet von den spanischen Behörden, solange er nicht an die Straßen reicht, die auch Touristen nutzen. Sonst kommt der Bulldozer. Die Aufnahmen sind in gleicher Schärfe fotografiert, nichts ist in den Vordergrund gerückt. Arrangiert seien die Fotos nicht, sagt Viertlböck, nachbearbeitet, wenn überhaupt, nur minimal. Mit den Fotos wolle er vermitteln, das Elend nicht auszublenden, sondern wahrzunehmen. Auf den "sozialkritischen Aspekt" legt auch Helma Dietz vom Kulturverein Modern Studio wert, die die Ausstellung nach Freising geholt hat. Ohne, dass Menschen auf den Bildern zu sehen seien, werde der Betrachter direkt angesprochen, als "Verursacher und Nutznießer und als Konsument". Dass die Flüchtlinge sich um Sauberkeit bemühen, Müll einsammeln und ihre Hütten geradezu kunstvoll zusammenbauen, habe ihn fasziniert, sagte Viertlböck. Deswegen zeigten seine Bilder auch keinen "Saustall".

Die Ausstellung ist bis 24. April im Alten Gefängnis zu sehen. Freitags von 15 bis 19 Uhr, am Wochenende von 11 bis 19 Uhr und nach Vereinbarung. Der Eintritt ist frei.

© SZ vom 09.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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