Flüchtlinge:Wider das Gesetz

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Mit der Entscheidung, Flüchtlingen Bargeld für Kleidung vorzuenthalten und ihnen stattdessen Wertgutscheine auszugeben, steht das Landratsamt in Oberbayern nicht nur allein da. Das Vorgehen ist auch nicht gesetzeskonform

Von Florian Tempel, Erding

Die Entscheidung, Flüchtlingen im Landkreis Erding das ihnen zustehende Geld für Kleidung und Schuhe vorzuenthalten und stattdessen Wertgutscheine an sie auszugeben, ist offenkundig nicht gesetzeskonform. Das bayerische Sozialministerium teilte auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung mit, dass dies seit 1. März "nur noch ausnahmsweise" möglich sei und eine solche Ausnahme einer "erhöhten Begründungspflicht" unterliege. Mögliche Gründe wären zum Beispiel spezifische "örtliche Gegebenheiten oder Versorgungsengpässe". Das Landratsamt Erding hat keinerlei besondere Gründe für die Einführung eines Gutscheinsystems angeben, sondern nur auf die Möglichkeit verwiesen, es zu tun, und pauschale Gründe angegeben. Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) hat unter anderem angeführt, "Bargeld schafft falsche Anreize" und das Geld könnte von Flüchtlingen auch für etwas anderes als für Kleidung verwendet werden.

Eine Umfrage der SZ bei allen Landkreisen und kreisfreien Städten Oberbayerns hat zudem ergeben, dass einzig und allein der Landkreis Erding das Geld für Kleidung und Schuhe nicht bar auszahlt. Der Landkreis schert somit aus einer Gleichbehandlung von Flüchtlinge innerhalb eines Regierungsbezirks aus. Von Garmisch-Partenkirchen bis zum Berchtesgadener Land, von Eichstätt bis Altötting - nur nicht im Landkreis Erding - wird die jüngste Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes so umgesetzt, wie sie gedacht ist. Flüchtlinge erhalten, sobald sie die Erstaufnahme hinter sich haben, überall sonst in Oberbayern das finanzielle Existenzminimum bar ausgezahlt. Der Gesamtbetrag entspricht den Hartz IV-Sätzen und beinhaltet für einen erwachsenen Flüchtling 33,57 Euro für Bekleidung und Schuhe.

Landrat Bayerstorfer hat die vollständige Bargeldauszahlung des Existenzminimums an Flüchtlinge auch mit den Worten abgelehnt, das Grundgesetz "gibt das nicht her". Die Verfassung garantiere nur politisch Verfolgten Asylrecht, nicht aber Flüchtlingen, die aus wirtschaftlichen Gründen zu uns kämen und einen Teil des an sie ausgezahlten Geldes "nach Hause schicken".

Tatsächlich ist jedoch die Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes eine "Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2012", wie das Bundesinnenministerium bereits Anfang Januar in einer Pressemitteilung betonte. Das Verfassungsgericht stellte vor bald drei Jahren klar, dass alle Menschen in Deutschland Anspruch auf ein "menschenwürdiges Existenzminimum" haben und das dieses Grundrecht "deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zusteht". Weiter heißt es im Urteil, der Gesetzgeber "darf bei der konkreten Ausgestaltung existenzsichernder Leistungen nicht pauschal nach dem Aufenthaltsstatus differenzieren". Das heißt: Flüchtlinge sind genauso zu behandeln wie andere Bedürftige.

Das bayerische Sozialministerium machte nun noch einmal deutlich, dass der im Gesetz eingebaute Zusatz, "soweit es nach den Umständen erforderlich ist", könnten an Flüchtlinge auch Gutscheine oder Sachleistungen statt Bargeld ausgegeben werden, keine einfache Wahlmöglichkeit darstellt. Eine Ausnahme dürfe nur "im Einzellfall" erfolgen und müsse konkret begründet werden. Ein Beispiel: Falls ein Flüchtling sein Geld nachweislich und wiederholt zweckwidrig verwendet, könnte man ihm die Auszahlung von Bargeld kürzen oder verweigern und ihm stattdessen Einkaufsgutscheine geben.

Die Regierung von Oberbayern wird trotz allem nicht auf das Landratsamt Erding einwirken. Eine Sprecherin teilt mit, dass die Bezirksregierung vom Erdinger Vorhaben, statt Bargeld Gutscheine auszugeben, informiert war und dagegen "keine grundsätzlichen Bedenken geäußert" habe. Grundsätzlich müsste die Landratsämter in dieser Frage aber sowieso alleine entscheiden, was sie tun. Die "Rahmenbedingungen und Anforderungen" des geänderten Asylbewerberleistungsgesetzes seien den Landratsämtern bekannt: "Für eine Überprüfung der Landratsämter durch die Regierung von Oberbayern besteht daher kein Anlass."

© SZ vom 22.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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