Finanzamt:Es kann auch mal länger dauern

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Bürger müssen bei der Steuererklärung keine Belege mehr abgeben, so soll alles schneller gehen. Derzeit gibt es jedoch starke Schwankungen bei der Bearbeitungszeit am Finanzamt Erding

Von Julian Zieglmaier, Erding

Die Digitalisierung macht auch vor Behörden nicht halt. Sie soll Prozesse beschleunigen und den Arbeitsaufwand für alle Beteiligten reduzieren. Seit dem Jahr 2017 erfolgt die Steuererklärung und der Steuerbescheid digital, in diesem Jahr kam die Belegfreiheit dazu. Steuerpflichtige müssen nicht mehr prinzipiell Belege für ihre absetzbaren Ausgaben mitschicken, ihr Aufwand hat sich verringert. Beim Finanzamt Erding hat das allerdings zu stärkeren Schwankungen bei den Bearbeitungszeiten geführt. Auch einen leichten durchschnittlichen Anstieg der Bearbeitungszeit begründet das damit.

"Dieses Jahr braucht es für die Bearbeitung ungefähr zwei Wochen bis drei Monate, üblich sind im Schnitt so sechs bis acht Wochen. In den Hochzeiten von April bis Juli hat es schon auch mal drei Monate gedauert", sagt Marcel Hainke von der Vereinigten Lohnsteuerhilfe in Erding. Auch Michael Reißmann vom Lohnsteuerhilfeverein Aktuell hat dieses Jahr ähnliche Erfahrungen gemacht: "Es hat schon auch mal bis zu sechs Monate gedauert", aber großteils seien die Erklärungen innerhalb von drei Monaten bearbeitet worden. "Zwei bis drei Monate sind dieses Jahr der Standard, aber ich betreue auch Fälle, die schon ein Dreivierteljahr gehen", das bestätigt auch der Erdinger Steuerberater Nico Fuchs.

2017 mussten Steuerpflichtige, egal ob Körperschaften oder lohnsteuerpflichtige Arbeitnehmer, im Landkreis nach Angaben des Finanzamts und von Lohnsteuer Kompakt 53,7 Tage auf ihren Steuerbescheid warten. Dieses Jahr steht laut Lohnsteuer Kompakt bisher eine durchschnittliche Wartezeit von 64,4 Tagen zu Buche. Das Finanzamt Erding liegt damit in beiden Jahren bayernweit leicht über dem Durchschnitt, der 2017 exakt 53,1 Tage betragen hat und 2018 bisher 56 Tage beträgt.

"Die meisten Erklärungen, also 75 bis 80 Prozent, sind nach zwölf Wochen bearbeitet. Klar ist aber, dass je nach Komplexität die Bearbeitungsdauer variiert. Seit der Einführung der Belegfreiheit kommt es zu mehr Nachforderungen von Rechnungen. Der Mehraufwand verlängert natürlich in einigen Fällen die Bearbeitungszeit", so der stellvertretende Amtsleiter im Finanzamt Erding, Guido Riemerschmid.

Die Belegfreiheit ist ein weiterer Schritt in Richtung vollständiger Digitalisierung der Steuererklärung. Konkret bedeutet Belegfreiheit, dass nur noch Angaben über Ausgaben, die von der Steuer abgesetzt werden können, wie Spenden und Fahrtkosten, in die Maske der Software eingegeben werden müssen. Allerdings gilt der Belegvorbehalt: Belege müssen aufbewahrt und auf Anforderung nachgereicht werden.

"Für den Steuerzahler hat die Belegfreiheit den Vorteil, dass alle eingereichten Daten gespeichert werden und im nächsten Jahr wieder verwendet werden können. Man muss dann nur noch Änderungen eintragen", erklärt Riemerschmid. Das sieht auch der Steuerberater Manfred Kroha von der Steuerberatungsgesellschaft Remde und Partner so: "Vor allem für den einfachen Arbeitnehmer ist die belegfreie Erklärung eine wesentliche Erleichterung."

Allerdings seien die Probleme für komplexere Steuererklärungen wesentlich größer. "Die belegfreie Steuererklärung ist eigentlich nur eine belegarme Steuererklärung. Denn falls sich etwas gravierend ändert, bestimmte Ausgaben ungewöhnlich hoch ausfallen oder etwas nicht plausibel erscheint, sind Belege nach wie vor erforderlich", erklärt Kroha. Da das neue Verfahren erst ein Jahr alt sei, gebe es noch Unregelmäßigkeiten. Seit einem Gespräch zwischen den Steuerberatern und dem Finanzamt gibt es Empfehlungen, welche Belege unbedingt vorzuhalten seien. Kroha, sein Erdinger Kollege Hans Egger und Riemerschmid sind sich einig, dass vor allem diejenigen im Vorteil sind, die möglichst ordentliche elektronische Steuererklärungen abgeben und vorausschauend Erklärungen zu einzelnen Ausgaben anfügen.

"Insgesamt ist vor allem die automatische Plausibilitätsprüfung ein Vorteil der digitalisierten Steuererklärung. Dabei wird der Steuerpflichtige direkt vom System auf Probleme aufmerksam gemacht", so Riemerschmid. Auch wenn die belegfreie Steuererklärung in schwierigen Fällen die Bearbeitung verlängert hätte, sei er davon überzeugt, dass die jährlich 60000 Fälle, die die 200 Mitarbeiter des Finanzamts bearbeiten, in Zukunft schneller bearbeitet werden können. Trotzdem sei insgesamt mehr Personal wünschenswert.

© SZ vom 06.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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