Etwa ein Drittel der Fläche wurde bereits aufgegraben:Auf den Spuren der Geschichte

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Seit Anfang Juni untersuchen Archäologen den Boden unter dem früheren Dorfener Rathaus. Gefunden wurden Überreste eines Handwerkerhauses, das im 14. oder 15. Jahrhundert niedergebrannt ist. In einem verfüllten Brunnen aus dem Mittelalter könnten noch einige "Schätze" stecken

Von Thomas Daller, Dorfen

Vom Dorfener Rathaus ist derzeit nur noch eine Baugrube übrig. Bevor es mit dem Neubau weitergeht, untersuchen Archäologen seit Anfang Juni den Boden. Es ist die erste Grabung in der Stadt, bei der archäologisch geforscht wird. Gefunden hat man bislang die Überreste eines Handwerkerhauses, das im 14. oder 15. Jahrhundert niedergebrannt ist, ein neuzeitliches Kellergewölbe und einen mittelalterlicher Brunnen.

Die Archäologin Ramona Baumgartner, die mit ihrem Team derzeit am Rathausplatz gräbt, geht davon aus, dass der Talraum der Isen erst relativ spät besiedelt worden ist. Erst im Mittelalter habe man auch solche torfigen und schluffigen Böden bebaut, vorher habe man die Niederungen gemieden. Wenn man sich die Überreste des Handwerkerhauses ansieht, die bei den Grabungen gefunden wurden, wird deutlich, warum: Die Gründung ist sehr aufwendig. Die Erbauer haben einen Pfosten nach dem anderen ins Moos getrieben, um den Boden zu stabilisieren. Darauf kam eine 25 bis 30 Zentimeter dicke Lehmschicht. Auf diesem Fundament wurde das eigentliche Haus errichtet. Lang und schmal, mit Wohn- und Wirtschaftsbereich und einer großen Diele. Das Gebäude war einstöckig und hatte Lehmflechtwände, die etwa 60 bis 80 Zentimeter dick waren. Eine Handwerkerfamilie soll in dem Haus gelebt haben. Zusammen mit den Gesellen und Lehrlingen habe das Haus bis zu zehn Leuten Obdach geboten.

Archäologin Ramona Baumgartner und ihr Team sichern derzeit archäologische Spuren. (Foto: Renate Schmidt)

Überreste von zwei Schmelzöfen haben die Archäologen in Dorfen gefunden; sie bezeichnen sie als pyrometallurgische Aggregate. Der eine war länglich, der andere rund. Im näheren Umkreis habe man bläuliche Metallflitter gefunden, Azurit, das durch chemische Verwitterung aus Kupfererzen entsteht. In der Werkstatt sei Buntmetall verarbeitet worden, hauptsächlich Kupfer und Bronze. Beispielsweise für Schmuck, Bekleidungsaccessoires wie Gürtelschnallen, aber auch Kerzenständer, Löffel oder Kessel. "Die Stadt muss schon relativ bedeutend und groß gewesen sein", sagte Baumgartner im Hinblick auf dieses spezialisierte Handwerk. Vor allem an den Markttagen seien die Menschen aus der Umgebung nach Dorfen gekommen, um solche Gegenstände zu erwerben.

Bevor das neue Dorfener Rathaus gebaut wurde, fand ein Archäologie-Team dort, wo das alte stand, massenhaft interessante Dinge. Das Bild zeigt, wie ein Brunnen freigelegt wurde. (Foto: Renate Schmidt)

Darüber hinaus hat man auch Keramikscherben gefunden, einen Nagel sowie eine kleine, gut erhaltene Glasflasche, die als Behälter für Medizin gedient haben mag. "Die Medizin war damals relativ weit", sagte Baumgartner. "Es gab Kontakt zu arabischen Ländern, es gab ausgebildete Ärzte und eine lange Tradition von Heilern."

Entdeckt hat man auch einen verfüllten Brunnenschacht, der noch so manche Schätze bergen könnte. "Man hat in nicht mehr genutzte Brunnen alles reingeworfen, was man nicht mehr brauchen konnte, inklusive Kleidung und Schuhe." Die Entscheidung sei aber noch in der Schwebe, ob man den Schacht ausgrabe oder ihn künftigen Archäologen-Generationen überlasse, die dann technisch noch bessere Möglichkeiten hätten. "Natürlich treibt einen die Neugier. Aber Ausgrabung bedeutet Zerstörung", sagte Baumgartner. Bei einer sinnvollen Konservierung bleibe das Denkmal im Boden erhalten. Ob der Brunnen geöffnet wird, entscheide das Landesamt für Denkmalpflege in Absprache mit dem Bauherren.

Ein Glasfläschchen aus dem Spätmittelalter, gefunden unter dem Dorfener Rathaus. (Foto: Renate Schmidt)

Etwa ein Drittel der Fläche haben die Archäologen bereits mit Spaten und Spachtelkelle aufgegraben und das Erdreich durchgesiebt. Der Boden hat das Potenzial, dass in ihm noch weitere Fundstücke enthalten sind. Denn er ist feucht und unter Sauerstoffabschluss zerfällt organisches Material wie Holz oder Leder nur sehr langsam. Wie lange die Arbeiten noch dauern, hänge davon ab, was man finde, sagte Baumgartner.

Auffallend ist auch die schwarze Schicht, die zum Rathausplatz hin waagrecht durchs Erdreich verläuft. Sie besteht aus Ruß und Asche und datiert aus dem Jahr 1650, als eine große Feuersbrunst ein Drittel des Marktes Dorfen zerstört hat. Der ganze Häuserblock zwischen dem Unteren Markt bis hin zum Rathaus wurde verwüstet. Während die Häuser am Unteren Markt nach wenigen Jahren größtenteils wieder aufgebaut wurden, standen die Häuser der kleinen Tagelöhner und Handwerker an der Rosengasse noch nach Jahrzehnten öd und leer, deshalb wurde die alte Rosengasse von den Dorfenern zur Brandstattgasse umbenannt.

© SZ vom 01.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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