Flüchtlinge:Seehofer-Show in Erding

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Der Ministerpräsident wird auf dem CSU-Kongress zur Flüchtlingsdebatte in der Stadthalle euphorisch bejubelt. OB Gotz stimmt ihm in vielen Punkten zu - und macht sich seine eigenen Gedanken über die richtige Wortwahl

Von Sebastian Fischer, Erding

Burkhard Köppen war sich sicher, dass der Mann, der hinter ihm umringt von Fotografen zum Ausgang der Stadthalle schritt, die Sorgen der Erdinger abgebildet hatte. Der CSU-Stadtrat drehte sich um, und schüttelte dem bayerischen Ministerpräsidenten kräftig die Hand. Es war eine Horst-Seehofer-Show gewesen in der Erdinger Stadthalle am Samstagnachmittag, beim CSU-Fachkongress für Migration und Flüchtlinge. Ob die Show allen Erdinger CSU-Politikern so gut gefallen hatte wie Köppen, das war die interessante Frage. Sie war nicht einfach zu beantworten.

Es war erst einmal zu vermerken, dass nicht etwa alle Bürgermeister aus dem Landkreis geschlossen im Publikum saßen, sondern nur ein paar, als CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer euphorisch "Rekordbesuch" für einen Kongress verkündete, und die gut 600 Gäste im restlos gefüllten großen Saal der Erdinger Stadthalle mit stehenden Ovationen reagierten, als Scheuer Seehofer ankündigte: "Die Stimme der Wahrheit und der Vernunft."

Seehofers Rede war die Fortsetzung seiner Rhetorik der vorangegangenen Woche: Man müsse die Sorgen der hierlebenden Bevölkerung beachten, die Zuwanderung begrenzen und nicht kapitulieren, indem man dies versäume. Er kritisierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) und dessen langen Verfahren, die übrigen Bundesländer - die im Vergleich zu Bayern weniger Flüchtlinge aufnehmen - und erneut die Kanzlerin. Der Unterschied in Erding: Über jeden dieser Sätze wurde laut gejubelt.

Euphorisch: Ein Besucher des CSU-Fachkongress Migration und Flüchtlinge macht ein Selfie mit Horst Seehofer vor der Erdinger Stadthalle. (Foto: Renate Schmidt)

Es war ein Heimspiel: Seehofer ließ schon vor seiner Rede Selfies von sich auf dem Alois-Schießl-Platz machen, und nachdem er in die zahlreich versammelten Fernsehkameras gesprochen hatte, begrüßte er Erdings Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) per Handschlag. Der betonte, dass es am Samstag nicht um Erding ging, sondern um überregionale Fragen.

Doch auf die Wartezone am Fliegerhorst, wo in den kommenden Wochen bis zu 5000Flüchtlinge ein einer Wartezone untergebracht werden, habe er den Ministerpräsidenten dann doch angesprochen. Gotz teilt die Meinung von Landrat Martin Bayerstorfer (CSU), der sich am Samstag von seinem Stellvertreter Jakob Schwimmer vertreten ließ, dass durch die Beanspruchung des Fliegerhorsts die Quote zur Unterbringung weiterer Flüchtlinge in Erding nicht mehr angewandt werden soll: "Ich habe ihm gesagt, dass wir schon gewaltig zu tun haben." Zuständig ist die Bezirksregierung von Oberbayern.

Gotz erklärte, dass er in der Summe Seehofer zustimmen würde - vor allem was seine Kritik am Bamf betreffe - und dass es in ganz Deutschland größere Anstrengungen brauche. Dass der Ministerpräsident von einer "Obergrenze" für die Aufnahme von Asylbewerbern spricht, hält Gotz vor allem für eine Aufforderung an die anderen Bundesländer, mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Der große Zuspruch habe deutlich gemacht, dass eine Diskussion über das Thema überfällig war, findet er. Auch der Erdinger Bundestagsabgeordnete Andreas Lenz (CSU) sagte, die angesprochenen Probleme würden sich mit denen in Erding decken. Auch Landrat Schwimmer glaubt, dass Seehofers Wortwahl in der Bevölkerung Akzeptanz findet. Denn auch hier bräuchten die Menschen "Zeit und Luft", um die Flüchtlinge, die bereits in Erding leben, angemessen zu betreuen.

Nicht immer euphorisch: Oberbürgermeister Gotz - zwischen dem Bundestagsabgeordneten Andreas Lenz und dem stellvertretenden Landrat Schwimmer. (Foto: Renate Schmidt)

Dass die Diskussionsrunden über Migration und Integration im Anschluss an Seehofers Rede recht einseitig geriet, war angesichts der Besetzung keine Überraschung - es diskutierten ja vor allem CSU-Spitzenpolitiker untereinander. Es herrschte Einigkeit auf dem Podium über die Notwendigkeit von Integration der Flüchtlinge vom ersten Tag an - "Leitkultur statt Wischiwaschi und Multikulti", hatte Scheuer ausgerufen. Doch als die Beiträge gegen Ende fast ausschließlich diesem Tenor folgten und vor Kapazitätsgrenzen warnten, sah sich der Soziologe Armin Nassehi von der LMU zu einer Klarstellung genötigt: "Viele sind nicht aus Jux und Tollerei aus ihrer Heimat weggegangen." Nassehi hatte auch gefordert, es sei eine Partei wie die CSU, die sich langfristig für ein Einwanderungsgesetz stark machen m müsse. Da klatschten nicht mehr ganz so viele.

Auch Max Gotz hatte in den fast vier Stunden beileibe nicht jeden Beitrag beklatscht. Von Obergrenzen zu sprechen, sagte er dann noch, halte er eigentlich für unangemessen. Denn es sei wichtig, das Asylrecht unter keinen Umständen infrage zustellen. Und angesprochen auf die Erdinger Flüchtlingshilfe, die zeitgleich zum CSU-Kongress Kleider gesammelt hatte, sagte Gotz auch noch etwas: "Das zu hören, freut mich sehr. Denn genau das sind die Signale, die man setzen muss."

© SZ vom 12.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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