Erding/Oberding:Zeit zum Aufholen

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Die Leiterin des Oberdinger Schulkindergartens, Martina Senser, beim Brotzeitmachen mit Eldian (links) und Brady. (Foto: Regina Bluhme)

Wer es mit sechs Jahren noch nicht sofort an die Grundschule schafft, hat die Möglichkeit, in einen Schulkindergarten zu gehen. Ein Besuch in der Einrichtung in Oberding

Von Regina Bluhme, Erding/Oberding

Das Vorschulkind freut sich auf die Schule, doch dann heißt es: Lieber noch ein Jahr warten. Diese Nachricht bedeutet für das Kind und auch die Eltern oft eine große Enttäuschung. Noch mal ein Jahr Kindergarten? Es gibt eine Alternative: In sogenannten Schulkindergärten werden Buben und Mädchen auf die erste Klasse vorbereitet. Sechs solcher Einrichtungen gibt es im Landkreis. Die jüngste wurde vor einem Jahr in Oberding eröffnet.

"Einen Moment bitte. Ich muss noch kurz zu Ende spielen", sagt Martina Senser zur Begrüßung. Mit drei Buben und einer Kollegin sitzt die Leiterin des Oberdinger Schulkindergartens an einem Holztisch und versucht, möglichst viele Glitzersteine zu ergattern. Als das Spiel beendet ist, wird aufgeräumt und dann Brotzeit gemacht. An den Tischen sitzen fröhlich ratschende Kinder im Alter von sechs Jahren. Sie alle wurden vom Schulbesuch zurückgestellt. Die Gründe sind unterschiedlich. "Manche haben einen erhöhten Förderbedarf beim Sprechen, in der Motorik oder in der Wahrnehmung", sagt Martina Senser. Andere können sich schlecht konzentrieren oder müssen in der deutschen Sprache aufholen.

"Sie bekommen hier ein geschenktes Jahr, in dem sie fit gemacht werden für die Schule", sagt Martina Senser. Dazu gehöre die individuelle Förderung der Kinder, die in einer kleinen Gruppe mit 15 Plätzen viel leichter möglich sei. Zeit zum Spielen gebe es weiterhin, "aber jetzt eben mit Gleichaltrigen und mit altersgerechtem Material", so Senser. Zudem lernten die Kinder auch einen strukturieren Tagesablauf und "ein gewisses Arbeitsverhalten" kennen. "Zum Beispiel: Gut zuhören, damit ich weiß, was ich überhaupt machen soll." Oder eine Zeitlang ruhig am Tisch sitzen. Zudem gibt es einmal die Woche Hausaufgaben. "So lernen sie auch ein gewisses Pflichtbewusstsein: Ich muss was tun", fügt Senser hinzu.

In einem zweiten Zimmer steht eine Tafel, auf den Tischen davor liegt Lernmaterial. Zwölf Themen werden über Jahr behandelt. Gerade dreht sich alles um die Zahl Eins. Sie wird geknetet, ausgemalt und geschrieben. Martina Senser ist immer wieder begeistert, wie wissbegierig die Sechsjährigen sind, "die wollen auch geistig gefördert werden", sagt die Gruppenleiterin. "Mein Ziel ist es, die Kinder gut zu motivieren und ihnen einen guten Start zu ermöglichen".

Der Schulkindergarten befindet sich in einem Anbau direkt an der Schule. "Die unmittelbare Nähe zur Grundschule ist natürlich von Vorteil", sagt Senser. Einige der Kinder besuchen in den Räumen der Grundschule zweimal die Woche den Vorkurs Deutsch. "Die ganze Gruppe begleitet sie ins Klassenzimmer. Deshalb kennen die Kinder mittlerweile die Lehrer und sie wissen, wo die Klassenräume sind und wie sie zur Schulturnhalle kommen." Zudem sind die Buben und Mädchen vom Schulkindergarten bei allen Schulfesten dabei und waren erst kürzlich mit auf Theaterfahrt nach München.

Anna Koplenig, die Gesamtleiterin von Hort und Schulkindergarten in Oberding, berichtet, dass einige der Kinder vom Schulkindergarten auch den Hort der Grundschule Oberding besuchen. Das klappe sehr gut, erklärt sie. "Mittags und nachmittags sind sie mit den Schulkindern zusammen und sie lernen viel von den Großen".

Schulkindergärten gibt es schon eine ganze Weile. 1973 wurden die ersten in Bayern eröffnet. Im Landkreis Erding gibt es sechs. In der Großen Kreisstadt betreibt die Caritas einen Schulkindergarten in der Kinderburg. Die anderen beiden werden vom BRK betrieben. In Dorfen gibt es einen weiteren Schulkindergarten, ebenfalls in Trägerschaft des BRK. In Hörlkofen und Oberding sind jeweils die Gemeinden die Träger.

Johann Deschu, Rektor der Grund- und Mittelschule Oberding, sieht die Einrichtung sehr positiv. Gerade für Schüler, die noch nicht "schulreif" seien, biete der Besuch "die zusätzlich benötigte Zeit und intensive Förderung, um die noch bestehenden Entwicklungsdefizite aufzuholen und dann sehr gut vorbereitet in die erste Klasse zu starten". Deschu hofft, dass sich der Schulkindergarten in der Gemeinde durchsetzt. "Wir möchten gerne in Oberding noch ein bisschen bekannter werden", sagt Anna Koplenig. Derzeit besuchen auch ein paar Kinder aus anderen Gemeinden die Einrichtung. Zum kommenden Schuljahr werden die 15 Plätze wieder frei. "Anmeldungen sind ab sofort möglich", sagt sie.

© SZ vom 07.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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