Menschen mit Behinderung:Beim Thema Inklusion gibt es noch viel zu tun

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Der Hindernisparcours mit Cornelia Ermeier, Lidia Raspa (mitte) und Helga Stieglmeier (rechts). (Foto: Renate Schmidt)

Bei einem Hindernisparcours auf dem Erdinger Schrannenplatz können sich Interessierte in die Rolle von Rollstuhlfahrenden hineinversetzen. Ihnen wird schnell klar: Das ist nicht so einfach wie es aussieht.

Von Johannes Elle, Erding

Rampe, Slalom, Kante, Schräge. So war der Hindernisparcours am Freitag beim Aktionstag für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung auf dem Schrannenplatz in Erding aufgebaut. Die Aktion war aus Anlass des "Europäischen Protesttags zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung" organisiert worden, der 1992 von der "Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland" ins Leben gerufen worden war. Bei dem Parcours in Erding, der von der Ortsgruppe der Grünen organisiert worden war, konnten sich Passanten in die Rolle von Rollstuhlfahrenden hineinversetzen.

Damit sollte auch auf die vielen Barrieren im gesamten Stadtgebiet aufmerksam gemacht werden, die Menschen mit Behinderungen Probleme bereiten. Ein wichtiges Thema, denn in Erding haben viele Rollstuhlfahrende jeden Tag mit angewinkelten Gehwegen, hohen Bordsteinkanten oder ungeeigneten Fahrbahnoberflächen zu kämpfen.

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Der Selbstversuch im Parcours hat gezeigt, dass das Rollstuhlfahren anstrengender ist, als man meint. Man braucht dafür viel Kraft in den Armen, eine gute Koordination der Hände und die Fähigkeit, mit dem Oberkörper das Gleichgewicht zu halten. Mit dabei war bei dieser Aktion auch Cornelia Ermeier, Stadträtin der Grünen in Erding. Cornelia Ermeier ist seit ihrem 13. Lebensjahr querschnittsgelähmt und auf künstliche Beatmung angewiesen

Um für eine bessere Gleichstellung zu sorgen, sei es wichtig, in körperlichen oder geistigen Einschränkungen das Positive hervorzuheben, statt diese nur negativ zu bewerten, findet Ermeier, die auch Mitorganisatorin des Parcours war. Seit 1992 engagiert sie sich für mehr Inklusion im Landkreis und hat es unter anderem auch mit diesem Thema in den Stadtrat geschafft. Doch wo beginnt Inklusion? Nach Meinung von Laetitia Wegmann, Parteikollegin von Ermeier und nominiert für die Landtagswahl im Oktober, sollte Inklusion schon früh beginnen.

Fehlende Barrierefreiheit in vielen Schulen

Im Kindesalter ließen sich durch ein besseres Inklusionsgeschehen viele Vorurteile vermeiden. Außerdem kritisierte Laetitia Wegmann nicht nur die oft fehlende Barrierefreiheit in vielen Schulen, die es körperlich eingeschränkten Personen erschwere, diese Bildungseinrichtungen zu besuchen sowie die systematische Benachteiligung im Prüfungswesen des Schulsystems. Diese lege Personen mit Lerndefiziten oder anderen Einschränkungen in der akademischen sowie beruflichen Laufbahn durch eine unzureichende individuelle Förderung große Steine in den Weg.

Als mögliche Lösungen kämen unter anderem eine Reduzierung der Klassengröße und die Ausbildung sowie Anstellung von pädagogischen Hilfskräften, die Schülerinnen und Schülern bei der Bewältigung des Schulalltags unterstützen, in Frage. Doch auch im späteren Leben, wenn es um den Arbeitsplatz geht, ist es wichtig, für Inklusion zu sorgen. So könnten laut Cornelia Ermeier Arbeitgeber für mehr Gleichberechtigung sorgen, indem sie mehr eingeschränkte, aber dennoch arbeitsfähige Personen einstellen, statt Menschen mit Behinderungen ohne Not in Behindertenwerkstätten zu schicken. Einer der Kritikpunkte an dieser Einrichtung: Die Arbeitsmärkte für Menschen mit und ohne Behinderung würden so gezielt voneinander getrennt und das sei Scheininklusion.

Eine Handvoll Menschen haben an diesem Freitag an dem Selbstversuch auf dem Hindernisparcours teilgenommen. Nach Meinung von Cornelia Ermeier wäre es für alle Menschen von Vorteil, wenn Menschen mit Behinderung besser in die Gesellschaft integriert wären. In Zukunft könne sie sich auch eine jährliche Aktion zum 5. Mai vorstellen, dem "Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung".

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