Erding:"Gier frisst Verstand"

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Polizei stockt Personal im Kommissariat für Internet-Betrügereien auf, weil die Zahl der Fälle ständig steigt. Fast immer geht es dabei um raffinierte Geldabzocke.

Florian Tempel

Die Zahl der Betrugsfälle, bei der das Internet eine entscheidende Rolle spielt, steigt Jahr für Jahr. Es ist so viel geworden, dass die bislang zwei für "Cybercrime"-Fälle zuständigen Kommissare bei der Kripo Erding, Robert Petri und Harald Schieder, nun bald Verstärkung bekommen. Da es fast immer um raffinierte Geldabzocke geht, wird ein früherer Bankangestellter zum Kriminalbeamten mit dem Spezialgebiet Internetdelikte ausgebildet.

Prävention macht den Großteil der überhandnehmenden Arbeit der Kommissare aus. Jeden Tag bekommen sie Anrufe von potenziellen Betrugsopfern, die sonderbare Emails bekommen haben. Man brauche oft viel Überzeugungsarbeit, um die Leute zu bremsen, sagte Doris Ortanderl, die beim Kommissariat K3 für Wirtschafts- und Vermögensdelikte in leitender Funktion beschäftigt ist. Obwohl die Medien schon häufig über die im Kern immer gleichen Maschen der Internetbetrüger berichtet haben.

Dennoch müssen sie und ihr Kollege den Anrufern klar machen, sich bloß nicht von so verlockenden Aussichten einlullen zu lassen, angeblich Erbe eines Millionenvermögens oder unversehen Jackpot-Gewinner bei einer Megalotterie geworden zu sein. Denn es ist immer dasselbe: Um an das vermeintliche Vermögen zu kommen, soll man vorab einige hundert, vielleicht auch einige tausend Euro überweisen - für nichts.

Die Gier frisst den Verstand", sagte Schieder. Und er meint das nicht böse, "es ist ein Kriminalitätsfeld, da kann jeder Opfer werden". Er erinnert sich an den Fall einer Rentnerin, die mit einem angeblichen Millionengewinn bei der spanischen "Lotteria primitiva" gelockt wurde. "Obwohl sie wusste, sie hat niemals bei dieser Lotterie mitgespielt, hat sie sich das irgendwie schön geredet." Am Ende war ihre ganze Altersvorsorge, 40 000 Euro weg.

Ein anderer Fall: Ein Angestellter bekam plötzlich die Mitteilung, man habe ihn als einzigen lebenden Nachfahren eines in Spanien verstorbenen Millionärs ausfindig gemacht. Es gehe um 9,8 Millionen Euro. Der vermeintliche Erbe flog mit einem Bekannten nach Malaga, traf zwei Männer und eine Frau, die so vertrauenswürdig auftraten, dass er ihnen bei weiteren Treffen insgesamt 60 000 Euro Bargeld übergaben. Das Betrugsopfer hatte dabei alle Warnungen eines Rechtsanwaltes, den er zuvor um Rat fragte und der wiederum Ortanderl informierte, die ebenfalls intervenieren wollte, in den Wind geschlagen.

Ein Geistlicher aus dem Landkreis Erding wurde besonders raffiniert abgezockt. In einem Forum für Kleriker kam er in Kontakt mit einer Frau, die angeblich in Australien lebte, und mit er sich monatelang über philosophische und theologische Fragen austauschte. Schließlich wollte man sich treffen. Die Frau schrieb, sie werde auf eigene Kosten nach Deutschland fliegen. In der nächsten Email berichtete sie, sie sei überfallen worden, ihr ganzes Reisegeld sei weg. Sie wolle aber keinen Euro vom ihm. Er sollte nur behilflich sein, 8000 Euro von ihrer Schwester, die ihm das Geld auf sein Konto überwiesen würden, nach Australien weiterzuleiten. Tatsächlich kam das Geld und der Geistliche schickte es weiter. Dann kam die Rückbuchung und er hatte 8000 Euro weniger. Ortanderl und Schieder kennen noch viele solcher Geschichten. Von angeblichen US-Soldaten, die um Mithilfe bitten, große Summe aus Afghanistan außer Landes zu schaffen - gegen die Zahlung von geringen Schmiergeldern oder vermeintlichen Behördengebühren. Von Betrügern, die nach der Kontaktaufnahme im Internet ihre Opfer zu einem angeblichen Notar nach Amsterdam lockten, in ein schickes Büro mit glänzendem Messingschild unten am Hauseingang - und sich davon blenden ließen.

Es sind die unterschiedlichsten Geschichten", sagte Schieder, und die unglaublichsten sind oft die erfolgreichsten. "In der Regel haben wir keine Chance", sagt Ortanderl, "da müssen schon viele glückliche Umstände zusammen kommen".

© SZ vom 10.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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