Flüchtlinge:Geplatzter Konsens

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Die einstige Gemeinsamkeit beim umstrittenen Gutscheinsystem für Flüchtlinge ist dahin: Die Freien Wähler erwarten Gespräche im Herbst, die Grünen sehen darin keinen Sinn und die ÖDP hofft auf ein gutes Ende

Von Florian Tempel, Erding

Bevor Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) im Frühjahr beschloss, dass Flüchtlinge im Landkreis Erding den ihnen zustehenden Betrag für Kleidung und Schuhe nicht bar ausgezahlt bekommen - so wie es das Gesetz vorsieht -, sondern nur in Form von Gutscheinen, hatte er sich dazu die Zustimmung der Freien Wähler, von SPD, Grünen und ÖDP geholt. Von Konsens kann nun aber keine Rede mehr sein. Bayerstorfer hat sich einseitig festgelegt, so lange mit den umstrittenen Gutscheinen weiter zu machen, so lange er nicht von Bayerns Sozialministerin Emilia Müller (CSU) gestoppt wird. Die SPD ist empört und verlangt, auch noch ein Wort mitreden zu dürfen. Die Freien Wähler reagieren gelassener und gehen fest davon aus, dass man das Thema erneut gemeinsamen besprechen werde. Die Grünen habe hingegen nicht einmal mehr Interesse, sich an einen runden Tisch zu setzen. Und die ÖDP hofft derweil, dass alles irgendwie ein gutes Ende nehmen wird.

Rainer Mehring, der Kreisvorsitzende der Freien Wähler, versteht die aktuelle Aufregung nicht: Im Frühjahr habe die große Runde aller Fraktionsspitzen fest vereinbart, sich im Herbst zu treffen und das Gutscheinsystem dann noch einmal zu bewerten: "Sich sehe überhaupt keinen Anlass, aufgrund der Aussagen eines Parteivorsitzenden ( CSU-Kreischef Bayerstorfer, d. Red.) das nun zu kippen." Die Freien Wähler würden dann, "frei unsere Meinung äußern". Bis dahin werde man sich nicht festlegen. Ihm selbst fehlten noch "Informationen", ob das Gutscheinsystem gut oder nicht gut sei. Dass Bayerstorfer sich im Frühjahr überhaupt mit den anderen Parteien zusammengesetzt und das Thema besprochen habe, sei diesem noch immer "hoch anzurechnen".

Was Mehringer aber gar nicht gefällt, ist die Empörung der Sozialdemokraten: "Es ist mir völlig unverständlich, wie die sich aufführen. Warum gehen die zur Presse? Die sollen sich direkt an ihren Koalitionspartner CSU wenden." Die SPD habe doch, seit sie in Person von Gertrud Eichinger die dritte Landrätin stelle und mit einigen schönen Aufsichtsratssitze bedacht worden sei, das beste Verhältnis zur CSU.

Helga Stieglmeier, die Kreisvorsitzenden der Grünen, sieht keinen Sinn darin, erneut mit Bayerstorfer über die Gutscheine für Flüchtlinge zu sprechen. Sie glaubt auch nicht, dass er die anderen Parteien überhaupt zu einer Beratung einladen würde. Gespräche mit Bayerstorfer seien allerdings eh aus zwei Gründen überflüssig: Letztlich könne der Landrat ganz alleine entscheiden, wie er in der Sache verfahren wolle. Vor allem aber, "dreht er es sich sowieso immer so, wie er es braucht". Die Grünen seien in jedem Fall nun "ganz klar" dafür, dass die Flüchtlinge wie überall sonst in Oberbbayern ihr Kleider- und Schuhgeld bar ausgezahlt bekommen. Dass man im Frühjahr zusammen mit allen anderen Fraktionsspitzen dem Gutscheinmodell auf Probe zugestimmt habe, sei nur der Absicht geschuldet gewesen, eine vernünftigerweise im Konsens zu treffenden Entscheidung zu fällen. Bayerstorfer sei aber gar nicht konsensfähig.

Christina Treffler, Vorsitzende der ÖDP-Fraktion im Kreistag, lobt wie Mehringer noch einmal rückblickend Bayerstorfer für "sein Zugehen auf die Fraktionen". Der Umgang mit Flüchtlingen sei ein so wichtiges Thema, dass es über Parteigrenzen hinweg besprochen gehöre. Treffler ist jedoch enttäuscht, dass der Landrat sich nun als CSU-Parteipolitiker einseitig für die Fortführung des Gutscheinsystems ausgesprochen habe. Sie fände es "ganz, ganz wichtig, dass man sich noch mal zusammen setzt", auch wenn Bayerstorfer "im Endeffekt alleine zuständig ist". Angesichts der Kritik an dem Modell, seiner Einzigartigkeit im Regierungsbezirk, der rechtlichen Bedenken und des erhöhten Verwaltungsaufwands, "denke ich, dass es sich womöglich als Übergangslösung herausstellen könnte".

© SZ vom 10.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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