Erding:Folgenlose Koksrunden

Lesezeit: 2 min

Das Verfahren gegen einen Erdinger Stadtrat und Disco-Betreiber ist in zweiter Instanz eingestellt worden. Das Landgericht sieht wenig Aussicht für einen Tatnachweis und selbst dann nur "geringe Schuld"

Von Florian Tempel, Erding

Die Verurteilung eines Erdinger Stadtrats und Gastronomen wegen mehrerer mutmaßlicher Rauschgiftvergehen ist vom Landgericht Landshut aufgehoben worden. Das Berufungsgericht stellt das Verfahren gegen den 36-Jährigen wegen geringer Schuld ein. Am Amtsgericht Erding war er im Oktober 2020 wegen des mutmaßlichen Erwerbs kleinerer Mengen Kokains sowie von ihm angeblich geduldeter Koksrunden in seiner Diskothek zu einer Geldstrafe von 12 000 Euro verurteilt worden. Ein damals mitangeklagter befreundeter Immobilienunternehmer aus Erding war bereits im April vergangenen Jahres in seiner Berufungsverhandlung in Landshut von ähnlichen Vorwürfen freigesprochen worden.

Die Anklage umfasste zwei vermeintliche Tatkomplexe, die nach Ansicht des Berufungsgerichts nicht oder kaum nachzuweisen waren. Die Ermittlungen waren durch die Angaben eines Dealer-Gehilfen in Gang gekommen. Dieser hatte ausgesagt, er habe mitbekommen, wie die zwei Männer in einigen Fällen im Jahr 2019 kleine Mengen Kokain gekauft hätten. Die Kripo Erding rückte daraufhin zu Durchsuchungen von Wohn- und Geschäftsräumen der Verdächtigen an und ließ Haargutachten machen. Für beide wurde so ein "schwach bis mittelstark ausgeprägter Konsum" von Kokain belegt, wie es in den Gutachten hieß. Auch in einem Whatsapp-Chat zwischen den beiden, den die Polizei gesichert hatte, kam das zur Sprache. Der eine, der Stadtrat, stellte darin dem anderen eine Frage: "Wenn ich Bürgermeister bin, weißt du, was ich als erstes im Oval Office tun werden?" Der andere fragte zurück: "Mich einladen?" Die Antwort: "Ja - und wir koksen auf dem Schreibtisch."

Im Zuge der weiteren Ermittlungen wurden die beiden Verdächtigen dann noch von einem weiteren Dealer belastet. Er gab an, er habe mehrmals in einem Nebenraum der Diskothek in Erding einige Lines Kokain ausgegeben und beide hätten sich daran bedient.

Die belastenden Aussagen schmolzen allerdings mit der Zeit immer mehr zusammen. Als Dealer respektive Gehilfen eines solchen besaßen die Zeugen nicht die größte Glaubwürdigkeit. Der Amtsrichterin in Erding reichte es zwar noch. In der Berufungsverhandlung gegen den Immobilienunternehmer war der Vorsitzende Richter jedoch schon skeptischer, erst recht, weil einer der Belastungszeugen nun gar nichts mehr sagen wollte. "In diesem Milieu will jeder seine Haut retten", sagte der Richter. Der Anklagekomplex mit den Kokainkäufen sei aber ohne Zeugenaussage nicht beweisbar, "was jedoch nicht ausschließt, dass es doch so war". Auch die Koksrunde in der Diskothek wertete er anders als die Richterin der ersten Instanz als straflosen Konsum. Die Amtsrichterin hatte in ihrem Urteil gesagt, von straffreiem Eigenkonsum könne keine Rede sein, wenn ein Discoinhaber und sein Freund sich in seinem Club von einem Dealer einladen ließen.

Für die Einstellung des Berufungsverfahren gegen den Erdinger Stadtrat und Gastronomen war der Freispruch seines Freundes wesentlich. Der nun zuständige Richter verwies darauf, dass es eben "immer darauf ankommt, was man beweisen kann". Da es kein einziges objektives Beweismittel gebe und die Zeugen nicht die allerbesten sein, wäre es sehr schwierig geworden, einen Tatnachweis auch nur für einen Teil der Anklagepunkte zu führen. Die Staatsanwaltschaft Landshut und der Angeklagte stimmten der Einstellung des Verfahrens zu. Das ist zwar fast so gut wie ein Freispruch, aber nicht ganz. Der Stadtrat und Gastronom spart sich 12 000 Geldstrafe und muss jedoch die Kosten für seinen Anwalt selbst tragen.

Möglich wären für den Stadtrat allerdings Konsequenzen ähnlich denen, wie im Fall seines ehemaligen Mitangeklagten. Der freigesprochene Immobilienunternehmer musste sein Amt als ehrenamtlicher Handelsrichter am Landgericht Landshut niederlegen und gab auch seinen Jagd- und Waffenschein ab. Der Erdinger Stadtrat und Gastronom könnte Probleme betreffs seiner gaststättenrechtlichen Zuverlässigkeit bekommen. Denn auch wenn sich kein strafrechtlicher Tatnachweis führen ließ, sei doch eines klar, hatte der Richter in der Berufungsverhandlung gegen den Immobilienunternehmer betont: "Ich bin überzeugt davon, dass in dem Club in einem Hinterzimmer in lustiger Runde gekokst wurde."

© SZ vom 12.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: