Erding:Flüchtlingshilfe braucht Hilfe

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Die Bundestagsabgeordnete Claudia Tausend (Mitte) beim Besuch des Lagers der Flüchtlingshilfe Erding im Fliegerhorst. (Foto: Renate Schmidt)

Die Spendenbereitschaft hat in jüngster Zeit deutlich abgenommen. Auch der auslaufende Mietvertrag bereitet dem Verein Sorge.

Von Marie Seifert, Erding

Die Hilfsbereitschaft in ganz Deutschland war wohl selten so groß wie zu Beginn des Ukrainekriegs im Februar. Auch im Landkreis Erding wurden vor knapp fünf Monaten viele Menschen aktiv und spendeten kistenweise Kleidung, Hygieneartikel und Spielsachen. Der Verein für Flüchtlingshilfe Erding hat einen großen Teil zur Organisation und Verteilung beigetragen. Nun haben die Spenden nachgelassen und der Vertrag für die Nutzung der Hallen im Fliegerhorst läuft Ende nächsten Jahres ab. Beim Besuch der Bundestagsabgeordneten Claudia Tausend (SPD) bat der Verein am Mittwoch um Unterstützung.

Vor sieben Jahren, zur großen Flüchtlingswelle 2015, gründete sich der Verein, der sich seitdem rasant entwickelte und "professionalisierte", so Stefan Lanio, Schriftführer der Flüchtlingshilfe. Inzwischen sind die Ehrenamtlichen sieben Tage die Woche im Einsatz. Darunter sind viele, die damals selbst geflüchtet sind und nun aktiv mithelfen, beispielsweise als Dolmetscher.

Die Flüchtlingshilfe arbeitet mit vielen Vereinen zusammen. Und das weit über die Grenzen des Landkreises hinaus. Darunter sind zum Beispiel Obdachlosenhilfe, Aidshilfe, Frauenhäuser oder auch Seniorenheime. Der Name "Flüchtlingshilfe" sei inzwischen eher irreführend, da sie weitaus mehr Bedürftige unterstützen, sagt Lanio. Hauptbedingung sei dabei, dass kein Geld an den Spenden verdient wird. "Wir bekommen alles kostenlos und wir geben alles kostenlos weiter", damit solle kein Profit gemacht werden.

In der rund 800 Quadratmeter großen Halle, die die Bundeswehr im Fliegerhorst zur Verfügung stellt, werden Spenden angenommen, sortiert, verpackt und zum Transport verladen. Im Sortierlager stapeln sich Kisten und Kartons mit Kleidung, Geschirr, Töpfen, Kuscheltieren und vielem mehr, fein säuberlich nach Art und Größe sortiert. Laut Lanio gibt es über 100 verschiedene Kategorien, in die die Spenden aufgeteilt werden. Wer Interesse daran hat, bei der Flüchtlingshilfe mitzuhelfen, kann sich auf der Website in einen Schichtplan eintragen. An diesem Donnerstag und Freitag, 28./29. Juli, sammelt die Flüchtlingshilfe im Pfarrstadl Langengeisling unter anderem Hygieneartikel, Handtücher, Bettwäsche, Kleidung, Spielsachen, Schulranzen und Schlafsäcke.

Dank der über mehrere Jahre angesammelten Erfahrungen, konnte der Verein zu Beginn der Ukrainekrise zügig reagieren. Während dieser "heißen Phase" kamen schnell sehr viele Spenden zusammen und die Zahl der rund 80 Helfer erhöhte sich auf mehr als 200. Bei großen Sammelaktionen haben sich auch immer wieder spontan Helfer angeboten, erinnert sich Lanio. Der Hof vor den Hallen sei zeitweise komplett voll gewesen. Fünf Tage nach Kriegsbeginn konnte so der erste Sattelschlepper mit Spenden losgeschickt werden, erinnert sich Anita Stang, Schatzmeisterin der Flüchtlingshilfe. Bis jetzt hat der Verein schon 27 Lastwagen, jeweils beladen mit 40 Tonnen, in Richtung Ukraine geschickt.

Doch so plötzlich das Engagement aufkam, so schnell war es auch wieder vorbei. Mittlerweile hat die Spendenbereitschaft wieder stark nachgelassen. "Wir haben derzeit eine Flaute", stellt Stang fest. Wo sich vor wenigen Monaten die Kisten fast bis zur Decke stapelten, sind die Türme mittlerweile deutlich geschrumpft. "Wir könnten viel mehr loskriegen, als wir derzeit reinkriegen", erklärt Lanio. Auch Ulla Dieckmann (SPD), zweite Bürgermeisterin in Wörth, betont beim Besuch der Bundestagsabgeordneten Claudia Tausend, "dass man gemeinsam dranbleiben muss, jeder an seinem Rädchen". Auch wenn die Flüchtlingshilfe derzeit nicht mehr so akut gebraucht werde wie zu Beginn des Kriegs, sollte man alles erstmal auf Standby haben und nicht komplett abbauen.

Nun kommt noch hinzu, dass der Mietvertrag der Räumlichkeiten im Fliegerhorst Ende nächsten Jahres abläuft. Die Frage ist nun, wie es danach weitergeht. "Bis spätestens Juli nächsten Jahres müssten wir wissen, was passiert", betont Stang. Der Verein bräuchte mindestens ein halbes Jahr Vorlauf, um einen Umzug realisieren zu können. Ein Gebäude in der Größenordnung wie das jetzige in Erding zu bekommen, sei sehr schwierig. "Wenn man Geld hätte, würde das gehen", meint Lanio. "Ein Preis, den man als Flüchtlingshilfe jedoch lieber woanders investiert", ergänzt Harald Fink, Beisitzer im Vorstand.

2028 sollen auf dem ehemaligen Militärgelände ein S-Bahnhof und ein Wohngebiet errichtet werden. Bis dahin "liegt es eigentlich ein paar Jahre brach", betont Dieckmann. Zuletzt habe Claudia Tausend sich schon bei der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) dafür eingesetzt, dass die Flüchtlingshilfe vorerst in den Gebäuden bleiben darf. Doch auf lange Sicht müsse eine andere Lösung her. Problem sei, dass die Bundesanstalt Strom- und Wasserversorgung auf dem Gelände "für so wenig Nutzung nicht aufrechterhalten" wolle.

Bisher erhält der Verein laut Stang auch keine staatliche Förderung. Das Interesse für den Verein scheine sich in Grenzen zu halten. Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) habe den Räumlichkeiten der Flüchtlingshilfe bisher noch keinen einzigen Besuch abgestattet. Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) war in den sieben Jahren einmal vor Ort. Der Verein wünscht sich "irgendeine kontinuierliche Art von Förderung", so Fink, um Nebenkosten finanzieren zu können. Sie schicken Tausend mit der Bitte, sich für weitere Unterkunftsmöglichkeiten einzusetzen, zurück nach Berlin.

Spendensammlung der Flüchtlingshilfe Erding, Pfarrstadl Langengeisling, Donnerstag, 28. Juli, 13 bis 17 Uhr, Freitag, 29. Juli, 10 bis 12 Uhr, und weiterhin jeden Samstag von 11 bis 13 Uhr am Parkplatz am Alten Fliegerhorst.

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