Erding/Dorfen:Schulden nicht im Griff

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Betrüger kommt noch einmal mit Bewährungsstrafe davon

Von Thomas Daller, Erding/Dorfen

Wie hoch seine Schulden sind, kann der 31-Jährige nicht sagen, zwischen 30 000 und 35 000 Euro werden es wohl sein. Dennoch konnte er nicht widerstehen, online weiter einzukaufen, obwohl sein Konto nicht gedeckt war. Nachdem er bei einem Dorfener Hersteller für Nanoprodukte Sanitärreiniger im Wert von mehr als 70 Euro eingekauft und nicht bezahlt hatte, brachte ihm das eine Anzeige wegen Betrugs ein, die nun am Amtsgericht Erding verhandelt wurde. Und fast hätten ihn die Putzmittel wieder in die Haftanstalt gebracht, weil er den Betrug unter zweifach offener Bewährung begangen hat. Aber er bekam doch noch mal eine Chance.

Der 31-jährige gelernte Werkzeugmaschinist aus Leipzig kann aufgrund eines Augenleidens seinen Beruf nicht mehr ausüben. Durch eine vererbte starke Kurzsichtigkeit hat er minus 38 Dioptrien. Damit ist er beinahe blind. Seit seiner letzten Haftentlassung, die er wegen Betrugs abgebüßt hat, lebt er von Arbeitslosengeld II, dem Blindengeld und 250 Euro, die er beim Bundesfreiwilligendienst als Helfer der Leipziger Tafel verdient. Weil sein Konto gepfändet wird, hebt er nach eigenen Angaben immer gleich alles Geld ab, das er erhält und zahlt nur jeweils so viel ein, dass die Lastschriftzahlungen überwiesen werden können. Und von diesen Lastschriften liefen einige im März vergangenen Jahres auf: Mal von einem St. Pauli-Fanshop, mal von einem Online-Elektronikhändler und eben von der Dorfener Firma für Nanoprodukte. "Da habe ich den Überblick verloren", sagte er vor Gericht, schließlich erhalte jeden Tag zehn bis 15 Schreiben von irgendwelchen Gläubigern. Aber mittlerweile habe er die Rechnung nachträglich bezahlt, und zwar kurz nachdem die Anklage wegen Betrugs zugestellt worden sei.

Außerdem setze er sich mit seinen Schulden auseinander, sagte der Angeklagte. Einen Termin bei der Schuldnerberatung habe er bereits, eine Privatinsolvenz habe er aber noch nicht angemeldet. Außerdem könne er nach seinem Bundesfreiwilligenjahr in ein Förderprogramm des Arbeitsamtes aufgenommen werden, bei dem er eine Umschulung im Bereich Telefonie erhalte. Und schließlich bestelle er nun gar nichts mehr per Lastschrift, sagte der Angeklagte: "Mein Ziel ist es, schuldenfrei zu werden. Das sind noch neun Jahre bis dahin. Tut mir leid, dass ich mein Leben nicht besser im Griff hatte."

Die Staatsanwaltschaft nahm ihm den Sinneswandel ab und ging von einer günstigen Sozialprognose aus. Weil er jedoch unter offener Bewährung gehandelt habe, sei zumindest eine kurze Freiheitsstrafe unerlässlich, die allerdings wieder zur Bewährung ausgesetzt werden könnte. Er plädierte auf vier Monate, da der Schaden gering gewesen und inzwischen gut gemacht worden sei.

Der Pflichtverteidiger des Angeklagten hielt sogar einen Freispruch für möglich, da keine Bereicherungsabsicht nachweisbar sei, sondern der Angeklagte schlicht vergessen habe, den Betrag auf sein Konto einzuzahlen. Richterin Yvonne Folk teilte diese Auffassung nicht und verurteilte den 31-Jährigen zu vier Monaten Freiheitsstrafe zur Bewährung: Es sei dem Angeklagten egal gewesen, ob das Konto gedeckt war oder nicht, sagte Folk. Und sie warnte ihn in der Urteilsbegründung: "Wenn Sie sich noch einmal etwas zu schulden kommen lassen, dann klingelt es gewaltig, weil dann sämtliche Bewährungen widerrufen werden und dann sitzen Sie länger als ein Jahr."

© SZ vom 29.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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