Erding:Besuch der zündelnden Zauberer

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Eine Münchner Brandschutz-Truppe zeigt seit zehn Jahren bayernweit, was in einer Wohnung alles Feuer fangen kann. Mit ihrem Container hat sie jetzt auch Erding besucht - und vor dem Landratsamt Bügelbrett, Fernseher und Herd spektakulär brennen lassen

Von Robert Gast

Ein Ölbrand kann ein Inferno auslösen: Eine Flammen-Show im Container lockte am Mittwoch vor dem Landratsamt Erding 40 Schaulustige an. (Foto: Renate Schmidt)

Lampenfieber hat Franz Treml längst nicht mehr. Bevor die Zuschauer kommen, steigt er routiniert in den roten Container, säubert die Ventile mit Kontaktspray und kratzt den Ruß vom Bügeleisen. Dann dreht er den Gashahn auf und prüft, ob am Ende der versteckten Leitung unter dem Bügelbrett auch wirklich Flammen auflodern. "Ich mache das ja schon seit zehn Jahren", sagt er achselzuckend.

Franz Treml, 58, grauer Schnurrbart und blaue Augen, ist seit 34 Jahren Feuerwehrmann. Normalerweise fährt er den Löschzug der Wache 5 in München-Ramersdorf. Aber am Mittwoch schlüpfte Franz Treml vor dem Erdinger Landratsamt in die Rolle eines Zauberers. Zusammen mit Brandinspekteur Albert Gmach gab er den Mitarbeitern des Landratsamtes und interessierten Erdingern Nachhilfe in Sachen Brandschutz - mit rabiaten Methoden: Nach und nach ließen die Münchner eine in dem Container aufgebaute Beispielwohnung abbrennen, wie von Zauberhand.

Die Show war aus pyrotechnischer Sicht das Glanzstück des "Gesundheits- und Brandschutztages" des Landratsamtes. Gegen Nachmittag simulierten zwei Nebelmaschinen noch einen Brand im Amtsgebäude, anschließend ließen sich einige Mitarbeiter über eine Drehleiter von der Erdinger Freiwilligen Feuerwehr retten. Alle fünf bis sechs Jahre solle man eine große Brandschutzübung durchführen, erzählt Thomas Kröppel, der im Landratsamt für Arbeitsschutz und Gesundheitsmanagement zuständig ist. Für seinen Arbeitgeber war der große Brandschutztag allerdings eine Premiere, wie er gesteht.

Die Zündel-Zauberer lockten kurz nach der Mittagspause etwa 40 Schaulustige an. Den roten Container hatte man am Vortag mit einem Wechsellader aus München auf den Platz vor dem Landratsamt transportiert. Gmach und Treml haben ihre Bühne 2003 zusammengeschweißt. Der Container sei seines Wissens ein Unikat in Deutschland, sagt Gmach stolz. An der Längsseite lässt sich die Wand herausnehmen. So können die Zuschauer ins Innere blicken: Da steht das von Treml vorbereitete Bügelbrett, dazu ein ähnlich präparierter Fernseher und ein Sofa mit einem Menschen-Dummie. In die hintere Ecke haben die Münchner einen Gasherd gestellt. Über der Container-Bühne prangt groß der Schriftzug: "Sicherheit im Haushalt".

Um 13 Uhr greift Gmach zum Mikrofon: 4000 Wohnungsbrände habe es in Bayern im vergangenen Jahr gegeben. Die Erdinger Feuerwehren mussten 2012 insgesamt 63 Mal löschen. Bayernweit kamen laut Gmach 53 Menschen bei Bränden ums Leben - 90 Prozent der Opfer seien durch den Rauch erstickt. Zur Demonstration zündet er sich eine Zigarette an und drückt sie im Aschenbecher aus. Den dürfe man bloß nicht in den Papierkorb leeren, sagt er, während sein Kollege Treml unauffällig hinter dem Container verschwindet. Kurz darauf kriechen Rauchfäden den Mülleimer empor, Sekunden später folgen die Flammen. Nach einer halben Minute ist der Container komplett eingeraucht. Da taucht Treml schon wieder auf, mit einer blauen Gießkanne bewaffnet. Vollständig löschen kann er den Papierkorb aber erst mit einem Wassereimer. Auf ähnliche Weise wird kurz darauf das Bügelbrett und die Fernseher-Attrappe angezündet, schließlich geht auch das Sofa in Flammen auf.

Gmach rät derweil, Feuermelder mit neuen Lithium-Ionen-Batterien zu installieren, denn "die halten zehn Jahre lang". Außerdem empfiehlt er Papierkörbe aus Metall und mit Deckel, "auch wenn sie etwas teurer sind". Daneben solle man bei einem Brand von Elektrogeräten immer zuerst den Stecker ziehen, dann einen Löschversuch starten, und letztendlich von außen die Türen schließen und 112 wählen.

Die Rollen des Zauberduos sind während der Aufführung klar verteilt: Gmach informiert und kalauert ("Jetzt treten Sie mal zurück, sonst beschwert sich Ihr Friseur später noch"), Treml ist der Mann fürs Technische. Er selbst bezeichnet sich als "Maschinist", seine Kollegen nennen ihn ehrfürchtig "den Schürmeister" vom Container. "Ich bin immer dabei", sagt er kurz und knapp. Mehr als 300 Mal ist er in den vergangenen zehn Jahren ins Land gefahren. Er mache das ehrenamtlich - nur die Anreise und das verbrauchte Material bekäme sein Team erstattet. 350 Euro zahlt das Erdinger Landratsamt laut Kröppel für den Besuch der Feuertruppe.

Schließlich kommen die Brandschützer zum Höhepunkt ihrer Aufführung: dem Fettbrand. Schon 20 Minuten zuvor hat Franz Treml den Herd angestellt, in dem nun eineinhalb Liter Öl köcheln. "Der weiß genau, wie lange es dauert", sagt Gmach dem Publikum, während sich Treml den Topf aus der Nähe anschaut. Als sich Treml gerade abgewandt hat, fliegt der Deckel mit einem dumpfen Knall nach oben. Der Schürmeister zuckt kurz zusammen, dann lächelt er erleichtert. Einem Kollegen seien bei der Aktion mal die Ohren verbrannt, wird er später erzählen.

Jetzt aber hüpft er aus dem Container und zieht an einer langen Leine. Ein Viertel Liter Wasser stürzt aus einem kleinen Tank in den Topf - und Sekundenbruchteile füllt ein Feuerball den kleinen Container. Während das Publikum noch raunt, hat Treml den Brand schon mit einer schweren Decke gelöscht. Bei den Zuschauern kommt die pädagogische Pyroshow gut an. "Nicht schlecht dafür, dass die nur einen Container aufgebaut haben", sagt der 18-jährige Markus Holzmann, Praktikant im Landratsamt.

Nach der Vorführung macht sich Franz Treml alleine ans Aufräumen. "Das ist immer so", sagt er. Während Gmach vorne noch die Vollmontur eines Feuerwehrmanns erklärt, hat sich Treml schon blaue Handschuhe übergestreift und das Putzmittel ausgepackt. Er muss das verbrutzelte Fett vom Boden aufwischen. Übernächste Woche geht es in den Kreis Ingolstadt - da muss die Bühne wieder funkeln.

Aber wie lassen die Münchner Papierkorb, Fernseher und Sofa sekundengenau in Flammen aufgehen? Nach der Vorstellung verschwindet Treml in einer Tür auf der Rückseite des Containers. In der Kammer stehen drei Gasbehälter, an der Wand laufen Leitungen in ein Schaltbrett mit Knöpfen, jeder beschriftet mit dem von hier entflammbaren Einrichtungsgegenstand. Über die verwendeten Zündstoffe könnte Treml noch viel mehr erzählen. Aber dann kommt Gmach dazu und sagt, er wolle gerne einige Geheimnisse bewahren. Ein aufgeklärtes Publikum wäre weniger überrascht und würde weniger lernen, sagt er. Ein echter Zauberer verrät seine Tricks eben nur ungerne.

© SZ vom 20.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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