Erding:Abgefahrene Alternative

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Karl Bürger ist auch Eisenbahnhistoriker und hat eine fundierte und dezidierte Meinung zu dem Thema. (Foto: privat)

In der Debatte zum S-Bahn-Ringschluss und der Walpertskirchener Spange erinnert Pro Bahn-Verteter Karl Bürger an eine vergessene "unschlagbar günstigere" Trassenführung entlang der FTO und mit einer Südeinschleifung

Von Florian Tempel, Erding

"Der Zug ist längst abgefahren", sagt Karl Bürger, und das ärgert ihn. Der Walpertskirchener ist Autor mehrere Bücher über die Geschichte der regionalen Bahnstrecken und er vertritt im Landkreis Erding den Fahrgastverband Pro Bahn. Bürger hat eine fundierte und dezidierte Meinung zum Thema Eisenbahn. Er findet Zug fahren an sich super und beklagt, dass dieses großartige Verkehrsmittel seit Jahren vernachlässigt und schlecht behandelt werde. Eigentlich müsste er sich also freuen, dass mit dem Erdinger S-Bahn-Ringschluss und der Walpertskirchener Spange neue Bahnstrecken gebaut werden. Doch Karl Bürger ärgert sich, weil die Trassen seiner Ansicht nach schlecht gewählt sind. Auch wenn "mit Sicherheit" nichts mehr an den festgelegten Streckenführungen zu ändern sei, will er doch zumindest daran erinnern, dass es Alternativen gab, die viel besser gewesen wären.

Im Oktober wurden die Pläne für den S-Bahn-Ringschluss im Stadtgebiet Erding öffentlich ausgelegt. Ein weiterer Schritt im Planfeststellungsverfahren. Noch einmal waren ganz offiziell Einwände gegen die Gleisführung nördlich am Kronthaler Weiher vorbei, unter der Alten Römerstraße durch zu einem neuen unterirdischen Bahnhof am Fliegerhorst und weiter in Tunneln bis hinter die Haager Straße möglich. Vor allem gab es aber auch Kritiker aus Bockhorn, wo man mit der Walpertskirchener Spange hadert, für die ebenfalls schon das Planfeststellungsverfahren läuft. Die Bockhorner Bürgerinitiative gegen die Walpertskirchener Spange setzt als Alternative für eine mehr als neun Kilometer lange Streckenführung von Erding quer über Felder bis zur Bahnstrecke München - Mühldorf bei Schwarzhölzl auf eine schlichte kurze Kurve südlich von Ottenhofen oder Umkopplungen von Regionalzügen in Markt Schwaben.

Karl Bürger hält das nicht für konstruktive Kritik. Er findet vielmehr, auch diese Ideen seien daneben. Eine Gleiskurve bei Ottenhofen durch das sensible Quellgebiet von Sempt und Schwillach hielt ja wohl nicht einmal die Bockhorner BI für eine seriöse Lösung . Und die Idee, man könnte Zugteile aus Südostbayern in Markt Schwaben Richtung Flughafen umkoppeln, sei ob ihrer Umständlichkeit ebenfalls kein tragfähiger Vorschlag.

Es gebe allerdings "eine in jeder Hinsicht unschlagbare Alternative, die nur einen Bruchteil der aktuell geplanten enorm teuren Linienführung kosten würde und ganz erhebliche Vorteile böte", ist sich Bürger sicher: der S-Bahn Ringschluss müsste nicht nördlich nach Erding in die Stadt geleitet werden, sondern sollte viel besser entlang der Flughafentangente Ost (FTO) nach Süden zu einem neuen Erdinger Bahnhof in der Nähe der Therme Erding führen. Von dort aus ginge es durch einen freien Korridor weiter zur bestehenden S-Bahn-Strecke nördlich von Aufhausen. Die Walpertskirchener Spange könnte dann südlich des S-Bahn-Haltepunkts beginnen, würde das Sempttal auf einer Brücke überqueren und an Niederwörth vorbei bis nach Holzstrogn gehen, wo sie in die Strecke München - Mühldorf einmünden könnte. Eine ideale Stelle zwischen Hörlkofen und Walpertskirchen sei ja sogar ein dreigleisigen Betriebsbahnhof geplant.

Eine Ringschluss-Trasse entlang der FTO wäre ungleich günstiger, als das, was geplant wird. Die "immens teure Tunnelstrecke" zum "exorbitant teuren zweiröhrigen Tunnel-Abzweigbahnhof beim Fliegerhorst-Gelände" und die "kostenträchtige Tunnelstrecke vom Tunnelbahnhof bis zum heutigen Bahnübergang Haager Straße" und die Tunnelröhre für die Walpertskirchener Spange entfielen komplett. "Der Bau eines neuen, oberirdischen Bahnhofs Erding in unmittelbarer Nachbarschaft zur Therme ist gegenüber dem enorm teuren Tunnelbahnhof unvergleichlich kostengünstiger", so Karl Bürger. Der Bahnhof wäre in der Nähe vom Korbinian-Aigner-Gymnasium, dem Wohngebiet Thermengarten und dem Klinikum nicht schlecht gelegen und nicht weiter weg vom Stadtzentrum als ein Fliegerhorstbahnhof. Auch die Walpertskirchner Spange wäre günstiger und der Flächenverbrauch deutlich geringer. Sein Fazit: "Ein objektiver Vergleich der gegenwärtig geplanten Trassen mit der beschriebenen Alternative führt zu dem Ergebnis, dass die Alternativtrasse entlang der FTO mit 'Südeinschleifung' in jeder Hinsicht die unschlagbar günstigere ist."

Warum aber hat das nie überzeugt? "Es ist wie bei der A 94", sagt Karl Bürger, "es wird so gemacht, weil es die Politik will, basta". Das eigentlich für die Planung zuständige Verkehrsministerium habe es sich seinerzeit viel zu einfach gemacht und 2012 das knappe Votum des Erdinger Stadtrats ungeprüft akzeptiert. Das hätte so nicht passieren dürfen. "Doch wie gesagt", sagt Karl Bürger noch einmal, "der Zug ist längst abgefahren".

© SZ vom 04.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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