Einbürgerungsfeier im Landratsamt:Viele Wege, eine Heimat

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107 Menschen sind im Landkreis im vergangenen Jahr offiziell zu Deutschen geworden. Wie wichtig Sprachkenntnisse sind, erzählte Schiller Modjeu Kinne. Heute weiß er, dass der Satz "Du bist lächerlich" etwas anderes bedeutet als ein Lächeln

Von Janine Napirca und Andreas Junkmann, Erding

"Viele von Ihnen sind schon länger Bürgerinnen und Bürger des Landkreises Erding. Jetzt sind Sie Deutsche geworden." - Mit diesen Worten eröffnete Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) am Dienstagabend die Einbürgerungsfeier zu der alle Landkreisbürger eingeladen waren, die 2015 die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten haben. Fast schon Tradition sei die Feier inzwischen geworden, erklärte der Landrat weiter - bereits zum fünften Mal in Folge waren die Neubürger der Einladung ins Landratsamt gefolgt.

Bayerstorfer konstatierte heuer erstmals seit drei Jahren einen Rückgang der Neueinbürgerungen. Hatten sich im Jahr 2012 noch 87 Personen für die deutsche Staatsbürgerschaft entschieden, waren es im Folgejahr 93 Neubürger. 2014 stieg die Zahl sogar auf 133 Neueinbürgerungen. Im vergangenen Jahr haben 107 Menschen im Landkreis Erding die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. Aus allen Teilen der Erde haben sich Menschen dazu entschlossen, im Landkreis Ihren "Lebensmittelpunkt zu etablieren", wie Bayerstorfer es formulierte. Die Herkunftsländer reichen von Brasilien, Kuba, über Togo und Weißrussland, bis hin zu den Philippinen. Die meisten Neubürger kommen wie schon in den beiden Vorjahren aus der Türkei (25), gefolgt von Kroatien (11), Ungarn (6) und dem Kosovo (5).

In seiner Rede sprach Bayerstorfer auch über die Not von Flüchtlingen, die in Deutschland auf ein sicheres und freies Leben hoffen würden. Dafür, so der Landrat, sei die Solidarität und Hilfsbereitschaft aller Bürger nötig. "Ich bin sehr dankbar, dass beides in Erding gelebter Alltag ist." Die bei der Feier anwesenden Neubürger seien zwar nicht alle unter solch dramatischen Umständen nach Deutschland gekommen, "aber sie alle haben ihre individuelle Geschichte und Ihre persönlichen Beweggründe", wie Bayerstorfer sagte.

Wie Yorlene Torres, die vor neun Jahren der Liebe wegen aus Venezuela nach Deutschland gekommen ist. Ihren Mann hatte sie in Südamerika kennen gelernt und ist ihm nach Erding gefolgt. Torres schwärmt von den Leuten im Landkreis. "Sie sind alle freundlich und hilfsbereit", sagt die Neubürgerin. Auch eine gebürtige Kenianerin, die jetzt Deutsche ist, hat ihr Heimatland bereits vor längerer Zeit verlassen. Sie lebt seit 2009 in der Bundesrepublik. Ihren deutschen Mann hat sie in Kenia kennen und lieben gelernt. Nach Erding hat es die Familie aus beruflichen Gründen verschlagen. Um bessere Sprachkenntnisse auf der einen und berufliche Perspektiven auf der anderen Seite zu erlangen, nahm sie an dem Programm "mona lea" teil und arbeitet inzwischen als Einzelhandelskauffrau. "Für die Kinder ist es hier in Erding besonders schön", sagt die 34-Jährige.

Dass Neueinbürgerung und Integration nicht das Gleiche sind, sieht man an Ljubica Djurdjevic. Mit unüberhörbaren bayerischen Zungenschlag erzählt die gebürtige Kroatin, wie sie damals nach Deutschland gereist ist - damals meint in diesem Fall vor 46 Jahren. "Ich bin mit meinen Eltern nach Bayern gekommen und dann in Ebersberg zur Schule gegangen", sagt Djurdjevic. Dort hat sie auch ihren Mann Mirko getroffen, der ebenfalls aus Kroatien ausgewandert ist und in Deutschland eine Metzgerlehre absolviert hat. Seit vergangenem Jahr sind die beiden nun nicht mehr nur gefühlt, sondern auch ganz offiziell Deutsche.

Um zu zeigen, wie positiv Integration ablaufen kann, hielt der aus Kamerun stammende Entwicklungsingenieur Schiller Modjeu Kinne einen Vortrag zu seinen bisherigen Erlebnissen in der Bundesrepublik. Im Sommer 2002 kam er nach Deutschland, um Elektrotechnik zu studieren. "Als Ingenieur hast du es in Deutschland ganz gut, willst du Politiker werden, dann gehe lieber nach Frankreich", so der Rat seiner Eltern. Bei seiner Ankunft am Frankfurter Flughafen habe es ihn sehr gewundert, dass es in Deutschland im Sommer um 22 Uhr noch hell ist. Und das war nur eine von zahlreichen Umgewöhnungen, die Modjeu Kinne zu bewältigen hatte: "Für meinen Nebenjob als Postbote musste ich erst einmal Fahrradfahren lernen." Ihm sei es ein großes Anliegen gewesen, nicht nur ausreichend für seinen eigenen Unterhalt, sondern auch für die finanzielle Unterstützung seiner Familie in Kamerun zu sorgen. 2004 stand er vor der Ausweisung, da er seine Krankenversicherung nicht mehr bezahlen konnte. Glücklicherweise übernahm seine Dozentin an der Universität die Kosten und er konnte bleiben. Noch im selben Jahr lernte er seine jetzige Frau kennen. Dass es ohne Sprachkenntnisse nicht geht, betonte der Neubürger mit einer lustigen Anekdote: Er wollte seiner Frau ein Kompliment zu ihrem schönen Lächeln machen. Heute weiß er, dass "du bist lächerlich" etwas anderes bedeutet. Als er 2008 sein Studium in Darmstadt beendete, sah es aufgrund der Finanzkrise auf dem Arbeitsmarkt schlecht aus. Schließlich fand er 2011 in München eine Stelle als Ingenieur und lebt heute mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern in Isen. In Deutschland sei es als Ausländer aber nicht immer einfach. Es gebe Menschen, die nach einem Händedruck befürchten würden, ihre Hand sei schwarz geworden oder Obdachlose, die sich weigerten, "Geld von einem Schwarzen" anzunehmen. Warum Modjeu Kinne sich dennoch einbürgern ließ: "Ich bin jetzt seit mehr als 13 Jahren in Deutschland, meine Frau ist Deutsche und meine Kinder sind in Deutschland geboren. Ich fühle mich sehr wohl hier in Bayern." Außerdem hat er sich in seinem Leben noch nie an einer Wahl beteiligt und möchte künftig von diesem Bürgerrecht Gebrauch machen.

Dass man nicht Muttersprachler sein muss, um sich in Deutschland verstanden zu fühlen, erklärte der Wartenberger Pfarrer Gregor Bartkowski, der seit 18 Jahren in Bayern lebt und den Anwesenden zum deutschen Pass gratulierte. "Heimat ist nicht an einen Ort gebunden, Heimat sind die Menschen, die uns verstehen." Damit eine Gesellschaft gelinge, sei ein gegenseitiges Geben und Nehmen erforderlich, um eine gemeinsame Zukunft zu gestalten.

© SZ vom 17.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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