Dorfener Zeitgeschichte:Rekonstruiertes Herzstück

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(Foto: Stephan Görlich)

Ausstellung anlässlich der Wiederherstellung des Asam-Altars in der Kirche Maria Dorfen vor 50 Jahren

Von Thomas Daller, Dorfen

Noch bis 19. September kann man in der Kirche Maria Dorfen eine Ausstellung des Historischen Kreises über den Asam-Altar besichtigen. Auf vier Schautafeln wird ein interessantes Stück Dorfener Zeitgeschichte erläutert, das auch einen Blick auf die späten 1960er und frühen 1970er Jahre ermöglicht, als in Dorfen der streitbare Pfarrer Hermann Eigner die Sanierung der Wallfahrtskirche einleitete.

In der Barockzeit entwickelte sich Maria Dorfen zu einem der beliebtesten Wallfahrtsorte in Süddeutschland. Vor 300 Jahren kamen jährlich mehr als 100 000 Pilger auf den Ruprechtsberg. Bis zur Säkularisation sollen es rund fünf Millionen gewesen sein. Das führte nicht nur zu einer frühen Blütezeit der Dorfener Gastronomie, sondern die üppigen Spendengelder der Pilger ermöglichten dem damaligen Pfarrer Josef Sailer auch die Barockisierung der um 1470 erbauten Wallfahrtskirche. Dafür konnte er die renommierten Gebrüder Asam gewinnen, die sich mit Altären und Fresken in den Domen von Freising und Innsbruck und in den Klosterkirchen von Metten, Rohr und Weltenburg einen Namen gemacht hatten.

Egid Quirin Asam gestaltete 1740/41 die Fresken im Chorraum von Maria Dorfen neu und fertigte auch eine Planzeichnung für einen prunkvollen Rokoko-Hochaltar, die noch als Stich in der Staatlichen Graphischen Sammlung München erhalten ist. Mit dessen Realisierung wurde dann allerdings der Griesbacher Altarschreiner Wenzel Jorhan beauftragt, weil Asam vertraglich anderweitig gebunden war. Die Umsetzung des Asam-Entwurfs gelang 1749 und in abgespeckter Form, weil Jorhans Werkstatt 1745 im Österreichischen Erbfolgekrieg geplündert wurde und seine Vorarbeiten für den Altar zerstört wurden.

Gut 100 Jahre später veranlasste der Dorfener Pfarrer Anton Schmittner 1868 die Anschaffung eines neuromanischen Hochaltars für die inzwischen auch zur Pfarrkirche erhobene Wallfahrtskirche Maria Dorfen. Von Jorhans Asam-Altar blieben nur der Unterbau, der geschnitzte Vorhang und das Gnadenbild erhalten.

Wiederum ein Jahrhundert später leitete der Dorfener Pfarrer Hermann Eigner die Gesamtsanierung ein und verfocht mit Nachdruck sein Vorhaben, Egid Quirin Asams Meisterwerk rekonstruieren zu lassen. Eigner wurde 1924 in Erding geboren und erhielt 1951 die Priesterweihe in Freising - mit dem späteren Papst Benedikt XVI und dessen Bruder Domkapellmeister Georg Ratzinger. Am 1. April 1962 wurde er Pfarrer von Dorfen. Sogleich begann er mit einer Reihe von Baumaßnahmen. Überall packte er im Maurergewand selbst mit an. Zudem wetterte er von der Kanzel und im Kirchenanzeiger gegen die SPD, gegen das Tragen von Jeans, gegen die "marxistischen Tendenzen der Dorfener Jugend" und stellte die Einführung eines Pornografieverbots in China als Vorbild dar, an dem sich die Bravo ein Beispiel nehmen könne.

Als Hermann Eigner sein Projekt vorantrieb, gelang es ihm, die notwendigen behördlichen Genehmigungen einzuholen, finanzielle Zusagen durch das erzbischöfliche Ordinariat zu bekommen und auch großzügige Spenden aus der Bevölkerung zu akquirieren. Aber es gab auch Widerstand gegen das rund 300 000 Mark teure Projekt. 1971 hatte sich eine Gruppe junger Erwachsener zusammengefunden, die lautstark forderte, besser in die Schaffung einer kommunalen Freizeiteinrichtung für Jugendliche zu investieren als in einen Altarbau. Die geforderte Freizeiteinrichtung stellte schließlich die Stadt Dorfen mit dem bis heute bestehenden Jugendzentrum an der Jahnstraße zur Verfügung.

Doch auch manche Kunstkenner bewerteten die Dorfener Rekonstruktion des Asam-Altares negativ, indem sie das Kunstwerk als wertloses Imitat beziehungsweise als Fremdkörper im klassizistisch geprägten Dorfener Kirchenraum abqualifizierten. Andere Kunstsachverständige hingegen lobten die Rekonstruktion. Eigner focht die Kritik nicht an. Seine Motivation war insbesondere eine Wiederbelebung der alten Dorfener Marienwallfahrt, wie sie in den Folgejahren tatsächlich glückte. Bis heute erweist sich der rekonstruierte Asam-Altar als Herzstück der altehrwürdigen Marienwallfahrtskirche, dessen bewegte Geschichte der Historische Verein und insbesondere der Pfarrgemeinderatsvorsitzende Wolfgang Lanzinger auf vier Schautafeln pointiert und gut recherchiert zusammengefasst hat.

© SZ vom 26.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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