Dorfener SPD:Offene Basis

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Ein Parteibuch der SPD besitzen im Landkreis Erding etwa 300 Menschen, in Dorfen sind es 45. (Foto: Frank Mächler/dpa)

Ein ungewöhnlicher Diskussionsabend: Nicht-Parteimitglieder dürfen den Sozialdemokraten die Meinung geigen und erklären, was sie von der SPD erwarten

Von Florian Tempel, Dorfen

Die Dorfener SPD hat 45 Mitglieder. Die Zahl ist seit Jahren einigermaßen stabil. Im Stadtrat hat man vier von 24 Sitzen, und ist damit ganz zufrieden. Für eine ländliche Kleinstadt in Oberbayern ist das nicht so schlecht. Und doch sind die Dorfener Sozialdemokraten auch verunsichert. Kann es sein, dass es bald aus ist mit der Parteiarbeit an der Basis, weil das unmodern oder nicht mehr zeitgemäß ist? Am Montag hat der Ortsverein zu einem außergewöhnlichen Diskussionsabend eingeladen. Die Besucher sollten der SPD die Meinung geigen und erklären, was man sich von den Sozialdemokraten erwarte und wie die SPD weitermachen sollte.

Für SPD-Mitglieder sind es gerade aufregende Wochen. Erst der Umfrageschock Anfang Januar, dass die Partei auf Landesebene nur noch bei mickrigen 14 Prozent stehe. Wenig später folgt die überraschende Verhaftung des Regensburger Oberbürgermeisters Joachim Wolbergs wegen mutmaßlicher Bestechlichkeit. Dann aber muntert die gebeutelten SPDler eine Personalie auf: Martin Schulz will Bundeskanzler werden.

Als die Dorfener SPD ihren Diskussionsabend geplant und terminiert hat, war das alles noch nicht klar. Aber das Timing hätte nicht besser sein können. Am Montagabend kommen mehr als 20 Nicht-SPDler trotz Glatteis ins Gasthaus am Markt. Das sei viel für die SPD in Dorfen, sagt Fraktionssprecherin Michaela Meister, besser als bei mancher Wahlkampfveranstaltung - und übersieht dabei, dass der Wahlkampf gerade eben begonnen hat. Nur etwas anders als sonst üblich.

Stadtrat Heiner Müller-Ermann gibt zu Beginn des Abends eine vergleichsweise kurze Einleitung mit viel Selbstkritik. In der SPD werde allgemein zu wenig über "die großen Themen" geredet, sagt er. Die Willensbildung finde an der Parteispitze statt, aber nicht an der Basis - "das ist unser Versagen". Müller-Ermann ist der Ansicht, Parteipolitik müsse wieder mehr Diskussion sein. Andererseits: Wenn immer weniger Menschen Interesse haben, in einer Partei Mitglied zu werden, dann wird auch nichts aus den Diskussionen. Und dann fragt er in die Runde, ob es etwa für die Politik der Zukunft "anderer Organisationsformen" als Parteien geben müsste. Dann sind eine Stunde lang die Besucher ohne SPD-Parteibuch dran.

Tatsächlich melden sich nach und nach fast alle Nicht-SPDler zu Wort. Jeder lobt die Form der offenen Diskussion und fast jeder hat eine Erklärung, warum es mit der SPD nicht mehr so richtig läuft. Die SPD sei eben keine Arbeiterpartei mehr, weil es gar kein Arbeitermilieu mehr gebe. Oder: Mit der Agenda 2010 habe die SPD ihren "roten Faden verloren und bis heute nicht wieder gefunden". Ein anderer glaubt, es liege daran, dass die SPD der kleine Partner in der großen Koalition sei. Das SPD-Profil werde durch Sachzwänge ausgefranst und es mangele in Berlin schlicht an Durchsetzungskraft.

Im zweiten Anlauf beklagen dann viele, man wisse nicht mehr, für wen die SPD Politik machen wolle. Es sei notwendig, "dass man mal wieder sieht, für was ihr steht". Ob in der Steuer- oder Rüstungspolitik, zu Flüchtlingen oder der inneren Sicherheit, bei der SPD seien bei so vielen Themen keine klaren Standpunkte zu erkennen. Weil sie so sehr "in der Mitte" sein wolle, ergänzt einer, wobei das eine zu unscharfe Position sei. Die Sozialdemokraten müssten "Farbe bekennen", dass sie wie früher "links" seien. Ein anderer beklagt, die SPD verzettele sich in zu viel nebensächlichen Details und fordert: "Weg vom Kleinklein und mal wieder eine Vision haben, wie das bedingungslose Grundeinkommen für alle." Überhaupt müsse mehr Mut her: "Das ewige Wir-haben-Angst-keine-Volkspartei-zu-sein muss aufhören."

Zur Dorfener Kommunalpolitik kommen zwei ganz konkrete Punkte: Die SPD sollte als Fürsprecher und Unterstützer des selbst verwalteten Jugendzentrums auftreten. Außerdem sollte die SPD die Idee, eine Baugenossenschaft zu gründen, unbedingt und intensiv vorantreiben.

Eine Frage bleibt indes unbeantwortet: "Wie könnte man neue Leute für die Basis-Arbeit gewinnen?" Neue Parteimitglieder haben sich bei der Dorfener SPD an diesem Abend nicht gemeldet.

© SZ vom 01.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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