Es ist ein idyllisches Bild, das die Kleinstadt unter einem grandios bayerischen Himmel von oben zeigt. Man erkennt den ehrwürdigen historischen Kern und freut sich, wie harmonisch und organisch das Städtchen gewachsen ist. Es gibt auffällig viel Grün, innen drin und außen herum. Das schöne Bild strahlt die wohltuende Ruhe eines zufriedenen, etwas verschlafenen Ortes aus.
Und dann das. Mit einem Schlag ist das liebliche Dorfen Schauplatz eines ganz und gar unschönes Stückes: Der Geschäftsführer der Stadtwerke wird in der Rolle eines erpresserischen Schurken präsentiert, gedeckt und sekundiert von einem ihm hörigen und unfähigen Aufsichtsrat. Doch der Skandal ist ein ganz anderer: Der unappetitliche Brei entpuppt sich als ein Drama aus lancierten Falschmeldungen, intriganten Verleumdungen und vergifteten Pfeilen aus dem Hinterhalt, zu dem ein Chor von Frühschoppengängern seinen Senf dazu gibt.
Nachdem sich die Aufregung weitgehend gelegt hat - auch wenn manche noch immer versuchen, die erlöschende Glut am Brennen zu halten -, fragt man sich verwundert: Was war da wirklich los? Was brodelte und gärte da in Dorfen in der Tiefe, dass es zu einer so giftigen Eruption kommen konnte?
Eingeschränkte Macht
Die CSU regiert in Bayern. In Dorfen gilt das nur eingeschränkt. In Person von Heinz Grundner sitzt zwar ein Christsozialer auf dem Bürgermeistersessel. Doch seine Macht im Stadtrat ist limitiert. Die CSU-Fraktion kommt nur auf sieben von 24 Sitzen. Das ist eine Situation, mit der man fertig werden muss.
Politiker, die über keine absolute Mehrheit verfügen, müssen die Fähigkeit haben, Kompromisse einzugehen und Zustimmung außerhalb ihrer eigenen Reihen zu finden - bei der SPD, den Freien Wählern, den Grün-Alternativen oder den Landlisten, den freien Wählergruppen aus den Dorfener Außenbereichen. Häufig klappt das, aber Grundner und die CSU haben in Dorfen keine festen Partner.
Jeder Bürgermeister will die Politik seiner Kommune gestalten. Grundner will das auch, aber er hat keine Gestaltungsmehrheit. Das führt immer wieder zu Konflikten. Doch nirgends spitzen sie sich im Laufe seiner ersten Amtszeit so sehr zu wie im Aufsichtsrat der Stadtwerke, wo er von 2008 bis 2014 den Vorsitz führt.
Ein erfolgreicher Geschäftsführer
Die Stadtwerke Dorfen sind ein kommunales Unternehmen, haben aber als GmbH eine privatwirtschaftliche Unternehmensform. Chef der Stadtwerke ist ihr Geschäftsführer Karl-Heinz Figl. Er leitet die Stadtwerke seit 2002 sehr erfolgreich. Er hat die Energiewende auf lokaler Ebene im Griff, entwickelt ein ausgeklügeltes ökologisches Nahwärmenetz und hat die zukunftsweisende Idee, die Stadtwerke um eine Glasfaser-Sparte zu erweitern.
Bei all dem steigert er den Gewinn des Unternehmens, der zu einem Teil in den städtischen Haushalt fließt, kontinuierlich und erheblich. Figl ist als Geschäftsführer weit mehr als ein Unternehmens-Verwalter, er ist ein Gestalter voller Ideen, mit Überblick und Tatendrang.
Das ist, auch wenn es paradox erscheint, das Problem. Grundner will auch gestalten. Als Bürgermeister und früher als Aufsichtsratsvorsitzender sieht er die Richtlinienkompetenz bei sich - und er lässt Figl das immer wieder spüren. Grundner will seine politische Macht unbedingt bei den Stadtwerken zur Geltung bringen. Figl reagiert im Laufe der Jahre darauf immer angesäuerter. Er pocht darauf, dass er Manager einer GmbH ist, er erträgt keine politische Einflussnahme auf seine Unternehmensführung. 2014 ist Figl durch die Auseinandersetzungen mit Grundner so zermürbt, dass er Dorfen verlassen will.
Man schäumt vor Wut
Die große Mehrheit im Aufsichtsrat - der analog zu den Sitzverhältnissen im Stadtrat besetzt ist -, will den erfolgreichen und innovativen Geschäftsführer jedoch unbedingt halten. Die einzige Lösung: Grundner wird im Juli 2014 von allen Nicht-CSU-Stadträten aus dem Aufsichtsrat abgewählt, sein Nachfolger als Aufsichtsratsvorsitzender wird Günther Drobilitsch von den Landlisten. Die CSU schäumt vor Wut, muss aber machtlos die Entmachtung Grundners hinnehmen.
Vor einem Monat wird bekannt, dass Figl seinen Arbeitsvertrag gekündigt hat. Nüchtern betrachtet ist das keine Aufregung wert. Eine weitere und langfristige Zusammenarbeit ist trotz der formalen Kündigung feste Absicht von Figl und dem Aufsichtsrat. Es ist müßig, darüber zu spekulieren, wer die mit falschen Behauptungen angereicherte Nachricht über die Kündigung an die Presse durchgesteckt hat. Die Reaktionen sind erschreckend: Der Bürgermeister, CSU-Stadträte und schließlich auch einfache Parteimitglieder springen ohne jede Zurückhaltung darauf an. Die tief sitzende Demütigung der Absetzung Grundners, in der sich die Machtlosigkeit der Dorfener CSU so schmerzhaft offenbart hat, bricht sich ohne jede Hemmung Bahn.